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England, 1912: Inspector Goole steht eines Abends unangemeldet bei dem wohlhabenden Fabrikanten Arthur Birling auf der Matte und stört die Feierlichkeiten anlässlich der Verlobung von dessen Tochter Sheila mit dem Großindustrieellen-Sprößling Gerald Croft mit der traurigen Nachricht, dass die junge Eva Smith - eine ehemalige Werks-Angestellte von Birling, die als Streik-Führerin für sich und die anderen Arbeiterinnen höhere Löhne einfordern wollte und daraufhin von diesem entlassen wurde - sich das Leben genommen hat. Im Laufe der Befragung, die Goole durchführt, um einige Sachverhalte bezüglich des Suizids zu klären, müssen die Anwesenden nach und nach erkennen, dass sie alle ihr Scherflein dazu beigetragen haben, die junge Frau in den Selbstmord zu treiben... Der vorliegende BBC-Fernsehfilm ist eine erneute Adaption eines altgedienten Theaterstücks von John Boynton Priestley, welches da im Laufe der Jahre ja bereits einige Male verfilmt wurde... am bekanntesten wohl 1954 vom späteren Bond-Regisseur Guy Hamilton unter dem Titel "Ein Inspektor kommt", aber es gab da ebenfalls 2015 sogar eine Hongkong-Comedy-Variante von Herman "Ebola Syndrome" Yau (abrufbar auf Netflix!). Nun ja, hier geht es natürlich weniger wild, aber dafür im vermeintlichen Krimi-Gewand hübsch gediegen und einigermaßen stilvoll zu... und dank einer ausschweifenden Dialoglastigkeit auch irgendwie ganz schön langweilig. Aufgrund der Anwesenheit von Ken Stott denkt man da doch unweigerlich an jene Zeiten zurück, als die BBC mit der "Messias"-Reihe noch durch und durch überzeugende Thriller-Ware gefertigt hat, die trotz TV-Produktionsrahmen mit jedem Kinofilm konkurrieren konnte... und wie viel müder wirkt im direkten Vergleich dazu "An Inspector Calls", der leider ja nicht mal so wirklich in den Kriminalfilm-Bereich fällt und bei dem es sich auch keinesfalls um einen versteckten Whodunit?-Streifen handelt, sondern der sich - getreu der Vorlage - stattdessen als moralisierendes Drama mit einer Extra-Portion Sozialkritik entpuppt. Darauf gibt es im Endeffekt nur zwei mögliche Reaktionen: Entweder Freude über eine inszenatorisch und schauspielerisch angemessene Umsetzung... oder Enttäuschung darüber, dass hier spannungsfrei an jedwedem Genre-Bedürfnis vorbeiproduziert wurde. Wirklich ärgerlich ist da auch, dass das Ganze zum Ende hin zur didaktischen Lehrstunde gerät, bei der in plumper Message-Movie-Manier aus dem Subtext Text wird, damit es auch wirklich der Dümmste noch begreift. Da hilft es dann auch nicht weiter, dass mittels eingeschobener Flashbacks die steife und kammerspielartige Erzähl-Struktur des Bühnenstücks aufgebrochen und an eine gängige Fernseh-Narrative angepasst wurde. Absolut beschissen ist da allerdings das ambivalente und dezent in den phantastischen Bereich fallende Ende, das tatsächlich der Vorlage entstammt und mit ein Grund dafür sein dürfte, dass britische Schüler seit Jahrzehnten mit "An Inspector Calls" als Pflicht-Lektüre im Unterricht gefoltert werden... darüber kann man bestimmt wunderbar Interpretationen schreiben, ey...

4/10

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