Review

Es mag wie ein Italo-Western beginnen: Ein vornehm gekleideter junger Mann, fährt mit dem Zug, springt vor dem Bahnhof ab und reitet lieber in die Stadt.
Dort greift er in eine Schlägerei ein, als er sieht, dass einer der beiden von hinten erschossen werden soll.
Bis hierhin könnte man meinen, man habe einen Kopfgeldjäger vor sich im Stile eines Colonel Mortimer aus "Für ein paar Dollar mehr" - vornehm gekleidet, ruhig & besonnen. Dass er Bradshaw davor bewahrt, erschossen zu werden, würde demnach zum Ritual gehören und Bradshaw der Mann auf dessen Kopf eine Belohnung ausgesetzt ist, die sich der junge Mann selbst verdienen will.
Doch die Vermutungen werden nicht erfüllt. Bradshaw ist genauso erbost über das Eingreifen wie der Mann, der von ihm die Hucke voll bekommen hat, ein gewisser Porter. Bradshaw macht dem Schützen unmissverständlich klar, dass er es nicht mag, jemanden etwas schuldig zu sein, Porter und der Schütze wollten sich Porters entledigen - und dass erinnert Jess Brayn daran, warum er die Stadt damals verlassen musste. Er hat einen Bankräuber erschossen, bevor der Sheriff diesen zu seinen Komplizen befragen konnte. Eigentlich wollte er nur Gutes Tun, hat aber in seinem jugendlichen Leichtsinn gehandelt, ohne die Folgen zu bedenken.
Und auch wenn Jess von Grundbesitzer Bragg angeheuert wird, um ihm gegen seinen Rivalen Rengoldt zu helfen, also als Hired Gun funktionieren soll und sich im Verlauf des Films auch selbst so bezeichnet, nimmt der Film eine eine andere Wendung.
Denn der von Peter Lee Lawrence verkörperte Jess erscheint als Mann mit Idealen: "Wenn ich recht verstanden habe, braucht ihr einen Mann, dessen Aufrechtigkeit begrenzt ist." Und das passt ihm mal gar nicht. So lehnt er Bestechungsversuche von Bragg ab und will auch nicht den alten Clint Simpson aus dem Amt des Sheriffs vertreiben.
Von da ab wirkt der Film mehr wie ein Western amerikanischer Prägung. Nicht nur , dass Jess eben Ideale hat, so bietet ihm der Film zwei potentielle love interests - eine hinter der er her ist (die Verdorbene), eine, die ihm zugeneigt ist (die Aufrichtige & Unschuldige) - und die Schusswechsel sind weniger showdownartig inszeniert als man es von anderen Italo-Western her kennt.
Des Weiteren finden sich in diesem Western Krimi-Elemente. Der vermeintliche Schurke Rengold, sowie Bradshaw sind nicht die treibenden Kräfte. Es wird eine falsche Fährte gelegt, die Bradshaw als Mörder mehrerer Männer dastehen lässt. Und als schließlich der Verdacht auf Bragg fällt, der immerhin Jess zurückgeholt hat, wird der Spannungsbogen nochmal ein wenig gedehnt, denn Bragg tritt nur als Marionette auf, die von einer Person im Hintergrund geführt wird.

Im Prinzip kein schlechter Film, der nur dann nicht funktioniert, wenn man ihn zu sehr als Italo-Western betrachtet. Auch wenn einige inhaltliche und stilistische Elemente vorhanden sind (Jess wird angeheuert, Held hat Tricks drauf, die ihn über die anderen stellen, 2 Grundbesitzer, einige extreme Nahaufnahmen), wirkt er dennoch mehr wie ein US-Western Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre, als die Helden ihre Krisen zu bewältigen hatten. Jungspund Lawrence (zum Zeitpunkt des Drehs immerhin schon 23 Jahre alt!) muss einsehen, dass er zwar reichlich rumgekommen ist - mindestens von Hamburg bis nach Bremen - aber seinen Zorn doch noch nicht so unter Kontrolle hat, wie er dachte: Als er Bradshaw tötet, tut er dies, bevor der ihm den Unbekannten im Hintergrund preisgeben kann. Er bringt ihn nur um aus Rache, weil er Bradshaw für den Mörder Fannys hält - was außerdem ein Fehler ist. Wie das beim Erwachsenwerden so ist, muss man für seine Fehler einstehen, und so wird er im Eilverfahren kritisiert und verspottet ("Immer schnell mit der Pistole zur Hand."). Toll aber auch, wie einsichtig und selbstkritisch Jess ist: "Ich dachte, ich hätte gelernt zu überlegen!"
Die Krimi-Elemente sind nicht zu verachten, bringen sie doch etwas Abwechslung ins Spiel, weil schon bald die Hauptverdächtigen ausgehen. Andererseits ist es nicht allzu schwer, den Unbekannten im Hintergrund zu erraten.
Als drei von Rengoldts Männern im Saloon Poker spielen und dann die Kamera auf das Fenster hält, das sich einen Spalt öffnet, durch den ein Gewehrlauf hineinragt und die Männer erschießt, guckt sogar Edgar Wallace vorbei! Das macht Spaß und ist direkt spannend!
Am Ende bekommt Jung Lawrence auch eine Zukunft, die er zunächst verschmäht, als er den Zug besteigt und nach Tuxon (oder war's Tucson?) fährt. Und ist das etwa Überraschung auf seinem Gesicht? Dann hätte er einen halben Gesichtsausdruck mehr im Repertoire als Steven Seagal!

7 von 10 Punkten, weil die Initiationsgeschichte von Jess Brayn schnörkellos durchgezogen und durch oben beschriebene Elemente aufgewertet wird. 3 Punkte Abzug, weil das Pistolero-Image, dass sich Jess selbst gibt aufgesetzt wirkt: Auf die Frage des Bösewichts im Showdown, wohin er die Kugel haben möchte, antwortet Jess: In die Stirn, mein Freund - der schönste Tod für einen Pistolero."

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