Knapp 35 Filmbeteiligungen im neuen Jahrtausend, an Fleiß und Einsatzbereitschaft scheint es bei Steven Seagal oberflächlich betrachtet nicht zu mangeln. Ein Blick hinter die Fassade zeigt jedoch, dass hier nicht alles Gold ist, was glänzt, denn die meisten seiner "Auftritte" waren mehr Alibi als ernstzunehmende Performances und verfolgten eigentlich nur ein Ziel: Mit möglichst wenig Aufwand das maximale an Gage einstreichen. Er fungierte als angekündigte Hauptattraktion in belanglosen Nebenrollen, oder ließ sich in fast jeder zweiten Szene doubeln und die Streifen selbst waren bis auf wenige Ausnahmen unterste B bis C Movie Actiongülle Ausschussware. Doch dann kam 2018 der mir vorliegende Attrition - Gnadenlose Jagd und alles sollte anders werden. Reaktionen wie "Ein kleines Licht im Dunkeln der letzten 10 Jahre" oder "Seagals bester Film seit Exit Wounds" ließen tatsächlich so etwas wie Hoffnung entstehen, mal wieder einen durch und durch gelungenen Seagal Actioner zu Gesicht zu bekommen.
Unser Mann mit dem Zopf bezeichnete Attrition - Gnadenlose Jagd als seine Herzensangelegenheit, dementsprechend hoch ist der Enthusiasmus, mit welchem er sich in das Projekt mit einbrachte. Das Drehbuch lieferte Seagal selbst, er trat als Produzent auf und schrieb sich eine Story voller buddhistischer Selbstbeweihräucherung und Eigeninszenierung mit ungewöhnlich viel Bildschirmzeit auf den Leib, die Regie übernahm der relativ unbekannte Mathieu Weschler. Der ehemalige Söldner Axe (Steven Seagal) ist seines gewalttätigen Alltags abtrünnig geworden und versucht in einem kleinen thailändischen Dorf ein ruhiges Leben zu führen. Als buddhistischer Kampfsportmeister gibt er gemeinsam mit seinem Partner Chen Man (Siu-Wong Fan) Kung Fu Unterricht und versorgt als Arzt die notleidende Bevölkerung mit seinem medizinischen und esoterischen Wissen. Als ein junges Mädchen vom skrupellosen Menschenhändler Qmom (Yu Kang) und seinen Handlangern entführt wird, bittet der Vater Axe, dass Mädchen zu befreien. Axe zögert nicht lange und mobilisiert seine alte Einheit zusammen, um dem übermächtigen Gegner das Handwerk zu legen und die Geisel zu befreien...
Mit anfänglichem Wohlwollen habe ich die bedachte und unaufgeregte Inszenierung von Weschler & Seagal zur Kenntnis genommen den Attrition - Gnadenlose Jagd investiert erstaunlich viel Zeit, dass neue friedvolle Leben des einstigen Soldaten zu glorifizieren. Er habe gesündigt und müsse nun Buße tun. Selbstfindung, spirituelle Lebensweisheiten bis zum Abwinken und ausgeprägte Gutmenschlichkeit mit fast schon unerträglicher Tränendrüsendramatik beherrschen die ersten knapp 50 Minuten, was meiner Meinung nach zu dick aufgetragen ist und nach der gefühlt zehnten leeren pseudointellektuellen Phrase Seagals ermüdend bzw. unfreiwillig komisch wirkt. Partiell eingestreute, künstlich generierte Zweikämpfe sollen für Abwechslung sorgen, schaffen es aber trotz akzeptabler Choreographie nicht, dem Film in diesem Abschnitt einen fesselnden Gesamteindruck zu vermitteln, da Nebensächlichkeiten breitgetreten werden und die Haupthandlung in Vergessenheit gerät.
So ab ungefähr einer Stunde nimmt Attrition - Gnadenlose Jagd dann endlich deutlich an Fahrt auf und der Zuschauer wird mit einem unerwartet intensiven Finale beglückt, in welchem es nicht nur Martial-Arts Fights gibt, sondern auch ein paar knallharte, blutige Shoot-Outs. Über die Qualität der am Rechenknecht entstandenen CGI Bluteffekte hüllen wir allerdings lieber einmal den berühmt berüchtigten Mantel des Schweigens, dafür können zumindest die rasant geschnittenen Kampfsportduelle einigermaßen überzeugen. Es ist zwar nicht zu 100 % ersichtlich, wieviele Takes pro Auseinandersetzung mit Seagalbeteiligung letzten Endes notwendig waren, dass Ergebnis kann sich jedoch sehen lassen. Seagals Aikido Einlagen wirken immer noch etwas hölzern und sperrig, zeugen aber von einer schon lange nicht mehr präsentierten Urgewalt und erinnern dezent im entfernten Sinne an die Werke seiner Blütezeit, in welche Kerbe auch das ein oder andere übel zugerichtete Opfer Seagals schlägt.
Dass aus Seagal nochmal ein richtiger Schauspieler wird, liegt eher im Bereich des Unwahrscheinlichen. Seine Leistung in Attrition - Gnadenlose Jagd mag deutlich besser und ambitionierter sein als die lustlosen, an Arbeitsverweigerung erinnernden Trauerspiele seiner vorangegangenen Streifen. Empfundene Gemütszustände dem Publikum ernstzunehmend zu vermitteln, schafft er aber immer noch nicht, wenigstens gelingt es ihm in seinen Kampfduellen seinen Mann weitgehendst zu stehen und sich spürbar seltener doubeln zu lassen. Die beiden Antagonisten Qmom (Yu Kang) und Black Claw Ma (Cha-Lee Yoon) sind augenscheinlich bösartig gezeichnet, können aber wegen mangelnder Ausstrahlung und unfreiwilliger Komik ihr Potenzial nicht ganz ausschöpfen. Von Seagals Truppe hat mir sein Freund und Partner Chen Man (Siu-Wong Fan) dank ansprechender Darbietung noch am besten gefallen. Die ehemalige Söldnertruppe, eine Art Expendables für Arme, hätte es hingegen meines Erachtens nicht zwingend gebraucht, man könnte es auch Fehlbesetzung nennen.
Ob jetzt Attrition - Gnadenlose Jagd wirklich der beste Seagal Film seit Exit Wounds (2001) ist, kann ich schlecht beurteilen, denn dazu müsste ich alle seine Ergüsse der letzten 19 Jahre mir nochmal zu Gemüte führen, worauf ich wegen einiger extrem abschreckender Beispiele wie Ticker (2001), Attack Force (2006) oder The Asian Connection (2016) dankend verzichte. Das Prädikat "bemüht" trifft wohl den Nagel auf den Kopf. Attrition - Gnadenlose Jagd hat gute Ansätze, verliert sich aber vor allem in der ersten Hälfte zu sehr in Seagals Schaumschlägerei und mentaler Egomanie, obgleich dieser eine spürbar gefälligere Vorstellung als in seinen letzten "Blockbustern" abliefert. Die Story selbst ist lediglich 0815, was durch die brauchbar realisierte Action und den ausgiebigen Showdown ein wenig ausgeglichen wird. Am Ende des Tages reicht es aber nicht ganz um als durchschnittlich eingestuft zu werden. Eine Empfehlung spreche ich daher nur für eingefleischte Seagalianer aus, welche bei genauem Hinsehen doch ein kleines Licht am Ende des Tunnels erkennen können. MovieStar Rating: 4/10 Punkte