Review

Es wurde langsam wieder Zeit für einen Hit im Hause Spielberg. Der Mann, der die 1980er wie kein anderer Filmemacher popkulturell mitprägte, widmete sich in den letzten Jahren hauptsächlich gehaltvoller Kost. Da war zum Beispiel sein Biopicture „Lincoln" (2012), das zwar mit exzellenten darstellerischen Leistungen aufwartete, inhaltlich aber eher Stoff für Geschichtsinteressierte oder amerikanische Schulkinder blieb. Da waren „Bridge of Spies" (2015) oder „Die Verlegerin" (2017), die mit Altherrengemütlichkeit ein bisschen Geschichte aufarbeiten wollten und leider nicht ganz zu Unrecht wenig Aufsehen erregten. Und da war, längst vergessen, „Die Gefährten" (2011) - eine banale Mischung aus Figurenroulette, Weltkriegs-Setting und Lassie-Romantik. Dieser Kitsch um einen weitergereichten Gaul war es, der erstmals achtgeben ließ und stutzig machte. Könnte es sein, dass Steven Spielberg inzwischen zu alt ist für „Alltagskultur", zu gesetzt für nennenswerte Aufmerksamkeit Erregendes? Oder vermag er es auf seine alten Tage doch noch einmal, ein breites Publikum zu erreichen? Nun, es sieht ganz so aus, als sei ihm das mit „Ready Player One" gelungen. Der vielleicht letzte Blockbuster unter der Ägide Spielbergs ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans aus der Feder Ernest Clines, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat. Ein Projekt, das sich als ziemlich clevere Melange aus dem gebärdet, was den Meister einst ausmachte und dem, was die jungen Leute der zweiten Dekade des neuen Jahrtausends sehen möchten.

Im Jahre 2045 ist die Welt kein Ort, an dem man sein möchte. Und weil da draußen alles so trostlos ist, flüchten sich große Teile der Bevölkerung in die Virtualität. Ein Programm namens OASIS bietet Ablenkung von der Perspektivlosigkeit der Wirklichkeit und ersetzt (echte) Arbeit, (echte) Unterhaltung und sonstig Zwischenmenschliches. Doch als bekannt wird, dass der verstorbene Schöpfer von OASIS ein „Easter Egg" in seinem Programm versteckt hat, das dem Finder als Belohnung die volle Kontrolle über die Welt von OASIS und eine Menge Geld verspricht, machen sich Heerscharen von Computer-Nerds, Zockern, Kriminellen und Tagträumern daran, die erste Quest auf dem Weg zum Ziel zu meistern: Ein Autorennen durch eine formbare, auf und ab hüpfende Stadtlandschaft. Der achtzehnjährige Teenager Wade (Tye Sheridan) versucht ebenfalls sein Glück auf der Suche nach dem Osterei. Doch ist er dabei bald so erfolgreich, dass er erstens in große Gefahr und zweitens an die erste Liebe seines Lebens gerät.

Zu den Klängen Alan Silvestris, die gar nicht klingen wie die Klänge von Alan Silvestri, sondern wie die von John Williams, wird, nach einer kurzen Einführung im Märchenton, bei der ersten Actionszene, dem Wagenrennen, ein solch wasserstoffbombiges Computerfeuerwerk gezündet, dass man meint, das Gameplay sei explodiert. Oder der Grafikdesigner auf Extasy. Oder Steven Spielberg auf Extasy. Oder der Grafikdesigner explodiert. Während da nämlich alle Farben des Spektrums kunterbunt den aus einem japanischen Manga entsprungenen Hauptfiguren in die Fresse fliegen, wird klar, dass Spielberg diesmal die letzten (genau genommen, die allerletzten) Reserven mobilisiert hat, um noch einmal Filmgeschichte zu schreiben. Und zwar solche, die zur Abwechslung wieder mal gelesen wird. Also, und das stand natürlich zu erwarten, ballern die Computer, was die Steckdose hergibt. Wie ein Konfettiregen wirbeln die Pixel über den Schirm. Zerplatzt die Bedeutsamkeit. In nur sehr wenigen Momenten gönnt das Drehbuch seinen Jugendlichen ein wenig Ritalin, um sie kurz durchatmen zu lassen, bevor es wieder vor den Greenscreen geht. Es ist, als würde ein ADHS-Kind, das nicht in der Lage ist, Reize zu sortieren, in ein Kaleidoskop gucken. Aber was bleibt Steven Spielberg denn anderes übrig, wenn er mit inzwischen 71 Jahren Teenager ins Kino locken möchte?

Einst zeichnete sich Steven Spielberg verantwortlich für wahre Paradigmenwechsel im Lichtspielhaus. Die Visual Effects seiner Dinos aus „Jurassic Park" (1993) etwa stehen auf Augenhöhe mit denen James Camerons drei Jahre zuvor („Terminator 2") oder denen der Wachowskis („Matrix", 1999). Damit sind sie in die Filmgeschichte eingegangen als manifeste Innovation. Als erfolgreiche Suche eines Visionärs nach Neuem. Nach Bahnbrechendem. Was sind im Vergleich dazu seine irrlichternden Smartphone-Figürchen und deren chaotisches Allerlei an schlecht geklauten Ideen? Wenn man „Marvel" einlegt, dann erwartet man eben was folgt. Wenn „DC" im Vorspann erscheint, dann rechnet niemand mit Weltbewegendem. Doch so pathetisch sich das anhören mag, bei Steven Spielberg war das schon einmal anders. Das wird nur zu gern vergessen eingedenk der schon beim Erscheinen etwas angestaubt wirkenden Filme der letzten Jahre und erst recht angesichts dieser polychromen Leere, die uns der ehemalige Matador hier vorsetzt.

Es ist austauschbar, was sich hier wie im Bilderbuch inhaltlich auftürmt. So sehr man auch versucht, am Handy-Terror unserer Tage (berechtigte) Kritik zu üben. Oder auf das Asoziale der sozialen Medien hinzuweisen. Natürlich bedürfte es in einer Zeit, in der Diskotheken schließen, weil die Jugendlichen lieber über WhatsApp, Facebook oder das Playstation-Netzwerk kommunizieren, vielleicht ein paar ehrlicher Worte. Von Zeigefinger-Gewedel redet ja niemand. Weil darauf hört ja sowieso keiner. Nur gehen Spielbergs gutmütige Ambitionen, die Teens ein wenig für die Gefahren virtueller Anonymität und erst recht mangelnder virtueller Anonymität zu sensibilisieren, völlig unter im Ball Pool seiner Kindergeschichte. Wenn Pädagogik allzu trivial verpackt wird, dann steht es eben nicht zum Besten um ihren Effekt. Aber wie sollte auch ein Mann im fortgeschrittenen Alter der Hollywoodikone ohne fensterscheibendicke Brillengläser noch den heißen Draht zur Jugend finden? Womit Spielberg hier unterhält und wohl finanziell reüssiert, ist dieselbe Rezeptur, die schon in den letzten zehn Jahren viele, und vor allem viele Namenlosere zusammenbrauten. Eigentlich ist der hier gezeigte geistlose Synkretismus eines solchen Mannes unwürdig, aber was juckt das noch, wenn das Altenteil winkt.

Man hätte so viel mehr aus der Buchvorlage an Ideen extrahieren können, als Steven Spielberg das bei seinem Farbpaletten-Overkill getan hat. Als popkulturelle Referenz stehen die 1980er hier angeblich auf dem Plan. Nur ist davon außer ein paar lieblos ins Bild geworfenen Requisiten und einer Reihe bekannter Oldies weit und breit nichts zu sehen (oder zu hören). Am nächsten dran ist noch Mark Rylance, der hier als der Erfinder von OASIS als virtuelle Erscheinung durch sein altes Kinderzimmer schwankt und wie dement dem jungen Hauptdarsteller der Geschichte seine Spielzeugsammlung zeigt. Apropos Tye Sheridan. Dessen belanglose Show wird ihm völlig gestohlen von Ben Mendelsohn („Rogue One: A Star Wars Story", 2016), dem einzigen Lichtblick in diesem farbenfrohen Grau cineastischer Eintönigkeit. Der Mann ist als Gegenspieler (sic!) so wunderbar böse, dass man als Zuschauer beinahe versucht ist, die Seiten zu wechseln. Gebt dem Typen bitte etwas zu tun. Und bitte nicht, wie hier, nur Kamelle in die zu Menge werfen.

Steven Spielberg inszeniert einen Hit allein eines Hits willen. Und das hat nichts mit dem netten Soundtrack des Films zu tun, sondern ist ein Symptom dessen, dass der Mann inzwischen selbst ein Dinosaurier seiner Branche ist. Ein Relikt aus einer Zeit, in der sein Name Filmgeschichte schrieb. Doch davon ist nichts mehr auch nur zu erahnen bei den nur bemühten Späßchen der Teenies im Film und dem in sich selbst verlorenen Budenzauber aus dem Computer, den Spielberg hier arrangiert. Zu erzählen hat der Mann nichts. Aber er hat eben in Hollywood noch viel zu sagen. Weshalb er auch im mittelhohen Alter noch reden kann, was er will. Und filmen kann, was er mag. „Ready Player One" ist wie ein mit Licht beschossenes Prisma. Das sieht auch für einen kurzen Moment nett aus - bis man eben die simple Schlichtheit des Versuchsaufbaus geistig durchdrungen hat. Danach ist alles nur noch Blendwerk. Jahrmarkt. Dann doch viel lieber die „Verlegerin" und viel lieber „Lincoln". Denn die waren, ob trocken oder nicht, wenigstens nicht ermüdend.

Details
Ähnliche Filme