Spielberg läuft Amok mit der Postmoderne
Wir schreiben das Jahr 2045. Die Erde ist derart verwüstet, dass sich die Menschen lieber in eine virtuelle Realität namens OASIS verkriechen. Dort können sie in jede Rolle schlüpfen, die ihnen genehm ist: ob dick oder dünn, gross oder klein, Frau oder Mann. Der schüchterne Nerd James Halliday (Mark Rylance), der OASIS einst schuf, hat ein Geheimnis in den Code des Spiels versteckt – ein so genanntes »Easter Egg«. Wer es findet, darf die Herrschaft über die virtuelle Realität übernehmen. Um das Easter Egg zu finden, benötigt man drei Schlüssel. So machen sich Clans und Einzelkämpfer fiebrig auf die Suche. Einer dieser Einzelkämpfer ist Wade Watts alias Parzival (Tye Sheridan). Als er durch einen Geistesblitz den ersten der Schlüssel ergattert, gerät OASIS in Aufruhr. Wade landet auf dem Radar der Organisation IOI, die die Macht über OASIS an sich reissen will. Und auch gegen diverse andere Mitspieler muss er sich durchsetzen. Ein Spiel um Leben und Tod beginnt.
Postmoderne Erzähler (glauben zu) wissen, dass es auf dieser Welt keine originellen Stoffe mehr gibt. Deshalb kratzen sie aus dem Kanon der Kultur ihre Referenzen zusammen und basteln einen bunten Teppich an Referenzen. Dieser Ansatz hat uns Meisterwerke wie Pulp Fiction (1994) beschert. Und oberflächliche Flickwerke wie Star Wars (1977). Pulp Fiction ist deshalb so gut, weil Regisseur Quentin Tarantino virtuos das Medium Film neu auslotet. Er erreicht eine spielerische Meta-Ebene. Star Wars ist deshalb so öde, weil George Lucas die Zitate glatt wischt. Die Referenzen fügen sich zu einer eigenschaftslosen Masse; »für jeden was dabei«; Einheitsbrei. Für Blockbuster hat sich dieses Rezept bewährt. Die Tricks der Postmoderne sind längst im Mainstream angekommen. Selbst der erratische Tarantino ist zahm geworden.
Wir schreiben das Jahr 2018. Ready Player One feiert Premiere. Es ist die endgültige Implosion des postmodernen Kinos. Der Verantwortliche? Niemand Geringeres als Steven Spielberg, Gründerfigur des zeitgenössischen Hollywoods. Der Plot von Ready Player One, basierend auf dem gleichnamigen Buch von Ernest Cline, geht von der Idee aus, dass OASIS-Schöpfer James Halliday ein Popkultur-Nerd war. Er hat gefühlt alle Filme, Videospiele und Songs konsumiert, die es in den 70ern und 80ern gab. Deshalb muss man selbst mit der Kultur jener Zeit vertraut sein, um seine Rätsel zu lösen. Der böse Chef von IOI (Ben Mendelsohn) engagiert denn auch eine Armee von Geeks, um Halliday auf die Schliche zu kommen.
Es scheint fast so, als hätten diese Geeks auch gleich den Film für Spielberg gedreht. Denn Ready Player One besteht beinahe überwiegend aus popkulturellen Verweisen, die sich auch auf die 90er-, 2000er- und 2010er-Jahre erstrecken. Back to the Future, Robocop, Blade Runner, Alien, Akira, Child’s Play, Godzilla, Tomb Rider, Overwatch, Halo, Mario Kart, you name it. Besonders schlimm ist, wie Spielberg einen Klassiker des Horrorkinos zu einem billigen Gruselkabinett verstümmelt. Und neben diesen Fussnoten, sollte es da nicht auch noch einen Plot geben? Denkste. Während sich George Lucas zumindest die Mühe gemacht hat, aus den zusammengeklaubten Stoffen, Genres und Motiven ein grosses Ganzes zu formen, pfeift Spielberg auch auf diese Mühe. Ready Player One wirkt wie ein Worst-of aller Blockbuster. Beinahe jede Szene ist ein unsägliches Klischee. Die Charaktere sind bestenfalls eindimensional. Wade ist Held Nummer 125A, und der Antagonist schmieriger Saftsack Nummer 253B. Dazu gesellen sich ein trotteliger Sidekick, gleich zwei asiatische Supergamer und coole Rothaarige Nummer 517C, auch bekannt als Love Interest Nummer 1168X.
James Halliday ist wahlweise ein schrulliger Informatiker oder (in OASIS) ein weiser Magier à la Gandalf. Immerhin schafft es Schauspieler Tye Sheridan, seinem Halliday etwas Menschlichkeit einzuhauchen. Aber das nützt wenig, denn diese Menschlichkeit wird gleich wieder von schrecklichen Stereotypen erstickt. Den Plot kann man sich nach zehn Minuten selbst zusammenreimen, von Spannung keine Spur. Fast schon bewundernswert, wie akribisch Spielberg jede Phantasielosigkeit ausschlachtet. Wenn man wollte, könnte man Ready Player One als Parodie auf Hollywood lesen. Aber dafür nimmt sich der Film viel zu ernst. Wenn er eine Parodie ist, dann eine ungewollte – und unfreiwillig komische. Die Kampfszenen sind übertrieben episch und folgen einer abgeschmackten Videospiel-Ästhetik. Grässlich. Und ach ja: Der Film hat Spezialeffekte. Sehr viele davon. Toll. Ähm, ich meine: Urks.
Wenn dieser Film postmodern ist, dann ist er die Pervertierung der Postmoderne: Referenzen en masse, Meta-Ebene null. Hin und wieder schafft es Spielberg, einige magische Momente auf die Leinwand bringen. Aber diese Momente lassen sich an einer Hand abzählen. Der Rest ist totaler Murks. Und Ready Player One dauert stolze 140 Minuten! Da muss man schon eine Engelsgeduld aufbringen. Es sei denn, man geniesst seelenlose Hochglanz-Action. Den Einwand, dass man vor dem Film eben das Hirn abschalten müsse, um ihn zu geniessen, erspare man mir bitte. Wer diesen Quark geniessen will, muss sein Hirn so weit wegschmeissen, dass er es danach vielleicht nicht mehr findet. Ready Player One ist schlicht eine Beleidigung: unlogisch, oberflächlich, pathetisch, künstlich. Fauler Zauber. Bitte, Herr Spielberg, verschonen Sie uns in Zukunft mit solchem selbstverliebten und grössenwahnsinnigen Unsinn.
2/10