The Big Bad Wolf
Der erste Avengers war ein wahr gewordener, vollkommen gelungener Traum, ist er noch immer (9,5/10). "Age of Ultron" zwar unterhaltsam und spektakulär, doch ein unbestreitbarer Rückschritt (mittlerweile "nur" noch 7,5/10). Nun findet das 10-Jähriges feiernde MCU mit "Infinity War" den wohl größten erdenklichen und gehypten Showdown der Kinogeschichte... was kann also der lang erwartete Kampf nahezu aller Superhelden gegen den verrückten Titan Thanos, der alle Infinity Steine zusammensucht und die Hälfte der gesamten Allbevölkerung auslöschen will? Eine Menge!
Die Russo Brüder haben die übermächtige Aufgabe bravurös gelöst und ein Spektakel abgeliefert, dass aus etlichen Gründen Geschichte schreiben wird. Rekorde werden brechen, Herzen ebenso, Münder werden offen stehen, Erwartungen unterlaufen und am Ende bleibt man noch lange nach dem Abspann in den Sessel gedrückt um zu verarbeiten. Lösungen und Wege und Fortsetzungen zu finden. Und man versucht ruhig zu bleiben, um das Jahr bis zur Fortsetzung irgendwie überstehen zu können. Über "Infinity War" wird noch Jahre geredet werden - Hater wie Fans - oder nächstes Jahr kommt der größte Fake Out aller Zeiten. Möglich ist alles. Doch dafür wirken das Script und Thanos Gedankengang, Mission, Plan fast zu ausgeklügelt und seltsamerweise wichtig...
"Infinity War" befriedigt Marvel-Fans von vorne bis hinten, bringt sie zum Jubeln und reißt ihnen am Ende sämtliche Herzen raus. Das war gut so nach dem Pausenhof-Gerangel namens "Civil War". Man könnte den ein oder anderen gröberen Computereffekte bemängeln, dass nicht jede Kampfszenen übersichtlich bleibt, Thanos' Black Order manchmal wie Kanonenfutter wirkt oder dass sich zu sehr auf die eigene 10-jährige Legende verlassen wird, wodurch auf ruhigere Momente oder Vorstellungsrunden nahezu komplett verzichtet wird. Doch für die Fans der Stunde null, wovon es Millionen rund um den Globus gibt, ist dieser Krieg um die Zukunft allen Lebens der ultimative Payoff, ein Knall ohne Wiederkehr. Selbst wenn am Ende irgendwo im Hinterkopf ein fader, möglicher Beigeschmack am Horizont schimmert...
Doch fürs Erste will ich "Avengers 3" genießen. Denn um sich mit Possibilitäten und Minimakeln aufzuhalten, dafür ist das (vorerst) große Finale zu gigantisch, zu kurzweilig, zu treffsicher. Auf der Humorschiene wie an der Actionfront. Die Balance passt. Manchmal lachte das Publikum zu laut und lange, um den nächsten Witz zu verstehen. Am Ende gab es unzählige Tränen und staunende Blicke. Es sind eben Figuren, die wir mittlerweile sehr gut kennen, die gegen einen Gegner antreten, dessen Wille und Stärke das Universum niemals hätte erahnen können. Tony Starks Alptraum, Stephen Stranges auswegloses Labyrinth, Wakandas Schlacht und Thors Rache. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen... ?
Auch unter den unzähligen Figuren wurde die Screentime gelungen aufgeteilt, alle kriegen ihre Momente, das Regieduo lässt sie übergangslos ineinanderfließen und doch immer ihren bestimmten Ton behalten. Es gibt famose neue Kombis, witzige Egokämpfe, alte Bekannte und massig Easter Eggs. Thanos vernichtet wie kein Comicbösewicht zuvor und das Zusammenspiel aller Puzzleteile lässt Atem stocken. Zweieinhalb Stunden sind selten schneller an mir vorbeigeflogen und nach dieser ersten Sichtung befindet man sich wieder auf dem Niveau des Erstlings. Ähnliches habe ich über Ultron allerdings anfangs auch gedacht...
Fazit: "Avengers: Infinity War" hat das lauteste, nachhaltigste (?) Schnipsen aller Zeiten und ist der unerwartet brachiale Wendepunkt eines 10-jährigen, einmaligen Kinounterfangens. Mutig und episch. Ersteres hoffentlich, Letzteres in jedem Fall. Thanos ist der Protagonist, die letzten 10 Minuten sind brutal, Fassungslosigkeit macht sich breit und eine solche Kulmination ist bisher schlicht noch nicht da gewesen. Fehlerlos sicher nicht, belanglos aber sicher noch viel weniger. Snap!