Machen wir es kurz: Avengers - Infinity War ist lupenreines Kinntopp vom Feinsten, astreines Popcorn-Kino, ein Blockbuster vor dem Herren, wie es die Welt kaum vorher gesehen hat.
Machen wir es etwas länger: Marvel (und irgendwann Disney, weil sie Marvel dann aufgekauft haben) hat mit Iron Man eine Entwicklung losgetreten, welche in Infinity War seinen vorläufigen imposanten Höhepunkt findet. Was anfangs als lustiger Gag anfing - nämlich die Endcreditszenen - entwickelte sich irgendwann zu einem roten Faden, der Fortsetzungen einleitete oder einfach nur die Vorfreude schüren sollte. man konnte diese kleinen Szenen als das nehmen, was sie waren - kleine Bonmots - ohne dass sie die Abgeschlossenheit der vorliegenden Geschichte beeinträchtigen würden. So war es auch in Avengers der Fall, dass im Abspann Thanos als wahrer Oberbösewicht eingeführt wurde, und ein Versprechen in der Luft lag, dass dieser Bösewicht das gesamte Gefüge vor eine Zerreisprobe stellen würde. Irgendwann wurde dann angekündigt, dass die ganze Situation mit Avengers 3 und 4 - passenderweise Infinity War Part 1 und 2 tituliert - seinen Höhepunkt und Abschluss finden würde/könnte. Später stellte sich jedoch heraus, dass der zweite Teil dieser Saga nicht mehr iNfinity War heissen konnte und es wurde gesagt, dass der dritte Teil an und für sich abgeschlossen sei, aber der vierte Teil dennoch mit ihm zusammenhängen würde, nur nicht mehr ganz so stark wie ursprünglich geplant. So viel erstmal zum Hintergrund, doch was ist die Handlung?
Thanos, ein Überlebender einer Katastrophe seines Heimatplaneten, möchte dem Universum dasselbe Schicksal ersparen, und hat es sich Aufgabe gemacht, das Universum zu retten, notfalls gegen den Willen eben desselben: Da die Ressourcen nunmal auf allen Planeten begrenzt sind, möchte er barmherzigerweise einfach überall die hälfte der Bevölkerung vernichten, damit die andere Hälfte dann in Saus und Braus leben kann. Und bisher ist er mit seinen Armeen mordend quer durch die Galaxis gereist, doch neuerdings ist er auf der Suche nach den sogenannten Infinity Steinen, die - wenn vereint - de, Besitzer unendliche Macht verleihen - und er könnte das alles mit einem Fingerschnipsen erreichen. Nun ist er schon im Besitz einiger Steine, und es stellt sich heraus, dass zwei weitere Steine auf der Erde sind, einer bei Dr Strange und einer bei Vision. Also attackiert er unsere Welt. Und es stehen ihm die Avengers, die Guardians of the Galaxy, Spider-Man, Dr Strange, Black Panther im Weg.Wie man unschwer erkenn kann, ist die Story nicht sonderlich kompliziert: Es handelt sich um eine Schnitzeljagd des Bösewichts, die Guten wollen ihn aufhalten und es gibt große Opfer, da der Mann einfach superduperbedrohlich ist. Dass wir hier einen recht einfachen - und auch recht einfach widerlegbaren, da kaum langfristig durchdacht und nicht wirklich lösungsorientiert - Selektionsplan des Bösewichts vor uns haben, der den Begriff Genozid total überhöht, steigert die Fallhöhe natürlich ins Unermessliche.
Doch wo andere Superheldenverfilmungen bei so einem Thema komplett der Düsternis anheim fallen würden, geht Marvel unbeirrt seinen Weg weiter, selbst die drohende Apocalypse wird - in einem angemessenen Rahmen versteht sich - spitzbübisch mit komödiantischen Elementen unterfüttert und so als lustiger dargestellt als es das Sujet eigentlich erlauben würde. Dennoch funktioniert das Dargebotene faszinierend wunderbar, da über die vergangenen 18 Filme hindurch eine emotionale Bindung zu den Figuren aufgebaut wurde, die so nur noch weiter untermauert wird. Die handelnden Figuren und ihre flapsigen Sprüche - so stellt sich immer stärker mit fortlaufender Handlung heraus - sind natürlich nicht so sorg- und arglos, sondern es ist eine aufgebaute Fassade, um mit der Situation irgendwie umgehen zu können. Es stellt sich ausgerechnet bei diesem epischen Katatstrophenthriller heraus, dass die Figuren "Damaged Goods" sind. Das wird besonders deutlich bei Thor, der tatsächlich zwar oberflächlich als Sonnyboy daher kommt, aber im Grunde genommen im Zuge seiner Trilogie und mit diesem Film immer mehr von seinem Glanz verloren hat. Wenn man sich die jeweiligen bisherigen Trilogien anschaut, hat so jeder irgendwie sein Fett weg bekommen. Und gerade diese emotionalen Elemente heben Infinity War über den puren Event Blockbuster Status hinaus, sicher, die eigentliche Story ist brachial und brutal, aber sie ist es erst dadurch, dass sich der Film tatsächlich auch die Zeit für seine Figuren nimmt.Und das ist schon ein kleines Wunder, dass ein Film mit gefühlt 40 Hauptpersonen es schafft, jeder dieser Figuren eine Stimme zu geben und ihre Handlung auch voranzutreiben. Was die Russo Brüder mit Civil War bravourös orchestriert hatten, findet in Infinity War seinen vorläufigen Höhepunkt: Nämlich das Jonglieren mit mehreren Dutzend Hauptcharakteren und etlichen Rückkehrern aus den verschiedensten Filmen - auch wirklich überraschende, ohne dass es sich als zuviel anfühlen würde.
Und wenn es dann schließlich zur finalen Konfrontation kommt, so bietet der Film anfangs das übliche Effektgewitter mit ein paar - vor allem für Marvelverhältnisse - unappetitlichen Monstern, dann die Schlacht gegen Thanos, nur um dann final doch einen herzzereissend melodramatisch überhöhten Tritt in die Magengrube auszuteilen und selbst da noch nicht halt zu machen.Die Inszenierung ist top, die Darsteller liefern, die Musik reisst mit, was gibt es also zu meckern?
Nun ja, viele Leute lamentieren das Ende, das ganz klar in Richtung Fortsetzung schielt und einige meinen sogar, eine finale Bewertung des Films wäre ohne seine Forsetzung einfach nicht möglich, da es davon abhängt wie konsequent der vorliegende Film dann im Nachhinein daher kommt.Einerseits ist dieser Einwand durchaus gerechtfertigt, andererseits ist es aber auch nicht so, dass es etwas völlig neuartiges wäre, dass ein Film als Mehrteiler ins Kino kommt. Beim Herrn der Ringe, wo die Brüche deutlich willkürlicher daher kamen, hat kein Hahn danach gekräht. Selbst bei Soderberghs Che war es ok. Und das ist wirklich nichts neues, die Nibelungen war von vornherein ein Mehrteiler. Jetzt wegen diesem einen Film davon auszugehen, dass Marvel die Kinolandschaft ins verderben stürzt, weil es nur noch Fortsetzungsgeschichten im Kino zu sehen gibt, schießt in meinen Augen scheinheilig über das Ziel hinaus. Denn genau dieselben Leute, die das kritisieren sind diejenigen, die sich demnächst die nächsten Star Wars Filme und Avatar Filme anschauen werden.
Was die Beurteilung des Films angeht, das ist deutlich zweischneidiger, da auf alle Fälle nachvollziehbarer. Ich habe erst kürzlich genau dasselbe Argumente bei der Besprechung des zweiteiligen Megablockbusters Bahubali angebracht (übrigens der einzige derzeitige Blockbuster weltweit, der es evtl. mit Infinity War aufnehmen könnte - wenn der Zuschauer offen ist für Neues) und stehe auch nach wie vor zu dieser Meinung.Aber andererseits habe ich auch zu häufig Filme gesehen, die in der ersten Hälfte hammergeil sind, nur um dann in der zweiten Hälfte komplett zu implodieren. Und dann passiert üblicherweise etwas, was der ersten Hälfte des Films gegenüber zwar immens unfair anmutet, aber im Gesamtbild ja nur konsequent und richtig ist: Der Gesamtfilm wird dann recht schlecht bewertet, da der Komplettfilmgenuss darunter leidet. So geschehen bei Skyfall, wo der Film bis zu dem Moment, als Javier Bardem sein Gebiss rausnimmt und dann nur noch eine jämmerliche Figur ist, und das Finale des Films total Bonduntypisch auf dem Landsitz abebbt. Oder auch so passiert beim ersten dritten X-Men Film, wo bis zur Hälfte die Schläge in die Magengrube bis zur Vernichtung Prof X's stetig zunehmen, nur um dann irgendwie in einem Wald einfach so unterzugehen. Wenn man jeweils nur die erste Hälfte gesehen hätte dieser Filme, mit der zweiten Hälfte als filmische Fortsetzung, dann wären die ersten Hälften durchaus höher bewertet worden.
Anderes Beispiel, wo es formidabel funktioniert hat: Das Imperium schlägt zurück und die Rückkehr der Jedi-Ritter. Letzterer negiert die Tragödie aus dem zweiten Teil (Kapitel 5), stellt Darth Vader als Wasch- und Jammerlappen hin, bringt mit den Ewoks ein absolutes Kinderfilmelement hinein und ist im Prinzip wirklich nur ein Crowdplease, damit sich alle wieder gut fühlen. Dennoch kommt niemand auch wirklich niemand auf die Idee, Das Imperium schlägt zurück ähnlich schlecht zu beurteilen wie Die Rückkehr der Jedi Ritter. Und ähnlich der heutigen Diskussion über die Unvollständigkeit von Infinity War, war ja Empire Strikes Back auch damals komplett auf die Fortsetzung ausgerichtet. Dennoch kann man ESB auch heute noch als abgeschlossenen Film ansehen. Und genau das ist auch die Qualität von Infinity War: Man kann den Film auch nur für sich selbst betrachten und geniessen!Also, was haben wir?
Einen perfekten Blockbuster, der als erster Teil eines Zweiteilers natürlich düster daher kommt, dennoch die Charakterisierung aller Charaktere nicht vernachlässigt und vor allem die Latte für jegliche Verfilmungen aller anderen Comicverlage einfach immens hoch hängt.Hatte DC schon vorher Probleme, trotz seiner extrem ikonografischen Helden, so steigen sie mit diesem Film fast ins Unermessliche. DC täte gut daran, Darkseid jetzt erst mal komplett ruhen zu lassen. Und die X-Men? Die haben es sich selbst eingebrockt, da sie mit Apocalypse einen sehr ähnlichen Vertreter zwar vorher schon ins Rennen geschickt haben aber ihn auch zu einfach in den Sand gesetzt haben, und eine weitere Chance werden sie ohnehin nicht mehr bekommen, da Disney ja die X-Men rechte wiederbekommen sollte.
Ist Infinity War die beste Superhelden-Comicverfilmung aller Zeiten? Trotz aller Qualitäten, die er als Vier Quadranten Film auch sein eigen nennt, so hat er eigentlich gegenüber den beiden Platzhirschen The Dark Knight und Watchmen das Nachsehen.Aber er ist wirklich beeindruckend groß, er ist großartig, und er bricht einfach nicht unter dem immensen Druck, der aufgebaut wurde über zehn lange Jahre, zusammen, im Gegenteil. Und trotz aller Vorhersehbarkeit - und das ist er wirklich - hat er doch immer wieder was überraschendes parat. Was fehlt also?
Und da sind wir wieder am Anfang: Das Ende.Mindestens 8 Punkte, fast schon 9.
Und selbst wenn jetzt der vierte Teil der Avengers schlechter sein sollte, wird die 8 Punkte hier Bestand haben, sollte der vierte Teil aber besser sein, wird es dann für beide Teile insgesamt gelten.