Review
von Leimbacher-Mario
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Wenn eine Instanz wie die Kirche in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit ihren Missbrauchsskandalen, rückständigen Ansichten und unsinnigen Geldausgaben (nicht nur) bei mir sehr viel Kredit verspielt hat, hat es natürlich auch ihr Oberhaupt nicht leicht zu punkten, egal wie sympathisch, menschennah, intelligent und human er auch sein mag. Dieses enttäuschte und verärgerte Bild bekommt ein sehr positiv gestimmter und unkritischer Film von Wim Wenders natürlich auch nicht gerade gebogen. Ganz im Gegenteil. Das war zumindest meine Einstellung vor „Ein Mann seines Wortes“. Doch ich war überrascht und erfreut, wie klar und demütig und fortschrittlich Papst Franziskus hier wirkt, redet und waltet. Und das grundehrlich, glaubhaft und nicht nur durch Schnitt und Subjektivität.
Er ist wirklich eine hoffnunggebende, brückenschlagende und beruhigende Gestalt - zumindest wirkt er hier so. Zusammen mit Wenders ebenso unaufgeregter Herangehensweise und seiner fast meditativen Erzählstimme wirkt das Ganze (trotz liegen gelassenem Potenzial) sehr erfreulich, positiv und sehenswert. Natürlich bleiben Fragen, natürlich bleibt das oft oberflächlich und wirkt in den schlimmeren Momenten eher wie ein glatt poliertes Werbefilmchen und natürlich bleibt der Mensch Franziskus unter dem Papst Franziskus nahezu komplett verborgen. Doch vielleicht verschwimmen bei ihm die Grenzen zwischen privater und öffentlicher Person auch, vielleicht ist die Kirche als Institution einfach zu breit und schwerfällig, dass man seine Änderungen und Einstellungen Früchte tragen sieht. Oder vielleicht ist das alles nur schöner Schein und mehr Gerede und Image als Wahrheit, Tat und Herz. Warum handelt die Kirche nicht um den Armen dieser Welt spürbarer zu helfen, warum wird die systematische klerische Pedophilie eher verschwiegen und verschoben als bekämpft und behoben, warum passt man sich nicht Wissenschaft und Aufklärung und Zeitgeist an? Diese Fragen bleiben fett im Raum stehen und scheinen gegensätzlich zum Auftreten und den Gedanken ihres Oberhaupts. Das lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück und stimmt nachdenklich. Vielleicht nicht nur den Zuschauer sondern auch Wenders und sogar Franziskus selbst. Hoffentlich. Ein beeindruckender Mann und vorbildlicher Papst und Mensch scheint er allerdings wirklich zu sein. Er hat mich nicht bekehrt, was auch nie sein Ziel war. Was ich ihm auch absolut abkaufe. Aber er hat mir ein Stück den Glauben wiedergegeben. Nicht an Religionen, nicht ans Christentum, geschweige denn an die Kirche. Aber zumindest an ihn selbst als gute Person. Immerhin.
Fazit: Wenders setzt Papst Franziskus ein weises, geschwätziges und nahezu völlig unkritisches Denkmal. Bringt mir weder den Mensch näher noch kitzelt ihn die Doku mit kritischen Ansätzen und Fragen. Dennoch: der Mann ist faszinierend, spricht wahre, mächtige Worte und dieser Film bringt einem zumindest sein Denken (als Geistlicher und guter Mensch) näher. Das fragwürdige Handeln des oft unfassbaren Glaubensapparates unter ihm ist eine andere Sache...