Review

Ein Juwel des HK-Kinos hat der einem westlichen Publikum weniger bekannte Regisseur Patrick Tam mit "Ming Jian" ("Das Schwert") geschaffen. Treffender müsste der deutsche Titel "Die Schwerter" lauten, denn die Handlung beschäftigt sich mit zwei Schwertern, die der zwielichtige Lin Wan (Norman Chu) in seinen Besitz bringen will. Seiner materiellen Habgier steht der Idealismus des jungen Schwertkämpfers Li Mak-yin (Adam Cheng) gegenüber, der seine Kampfkunst an Altmeister Fa Chin-shu (Feng Tien) erproben will. Die junge Ying-chi (Jade Hsu) begegnet ihm auf seinem Weg zu Fa, aber wie sich nach einiger Zeit herausstellt, ist sie Fas Tochter und von Lis Plan, gegen ihren Vater zu kämpfen, alles andere als begeistert - insbesondere als Li ihren Vater besiegt und ihm eine Verletzung beibringt.

Die fulminanten Kampfszenen des Films wurden von einem weitaus Bekannteren als dem Regisseur inszeniert, nämlich von Ching Siu-tung, einem der (wenn nicht dem) besten Action-Choreographen der Gegenwart. Sie sind allerdings mit Bedacht eingesetzt und lassen den Film nie zum aufgeblasenen Spektakel werden. Tam hat anmutige Kampfszenen und den Fortgang der Geschichte meisterhaft ausbalanciert. Es bleibt immer genug Platz für die Figuren und ihre teils verschwiegenen Sehnsüchte, den Wunsch nach Ehre, nach Liebe oder nach Besitz. Jeder in dieser Welt hängt einem anderen Ziel nach, wodurch in der pessimistischen Handlungslogik des Drehbuchs die Erfüllung der jeweiligen Ziele nahezu ein Ding der Unmöglichkeit wird. Der schwarze Peter wird zwar weitgehend dem kalten Intriganten Lin Wan zugeschoben, der von Norman Chu mit geheimnisvollem maskulinem Charisma dargestellt wird. Aber mit der Zeit drängt sich immer mehr die Erkenntnis auf, dass der tragische Verlauf des Dramas in den Ambitionen fast aller Beteiligten liegt, die ihr Ziel unnachgiebig verfolgen und teilweise im Angesicht der Krise lieber den Freitod wählen, als hoffnungsvoll ihren Ausgang abzuwarten. Im Gegensatz zu den bombastischen, blutströmenden Heldentoden in vergleichbaren Filmen von Chang Cheh hat Tam das Ende aber sehr still und sanft inszeniert.

Nicht nur durch die Präsenz von Norman Chu drängt sich der Vergleich zu dem spektakuläreren, wilderen und blutigeren, aber auch weniger geschmackssicheren "Xian si jue" ("Duel to the death"/"Todesduell der Shaolin") auf. So sind Adam Cheng und Damian Lau (Hauptfigur aus "Xian si jue") in ihrer Erscheinung im jeweiligen Film wie auch in der Charakterzeichnung ihrer Figur recht ähnlich: ehrbewusst, enthaltsam und leicht farblos wirkend, was in beiden Filmen durch Norman Chus kraftvolle Gegenfigur aufgewogen wird. Als neben Lin Wan (Chu) eindrucksvollste Figur erscheint die trotzig-verwegene Ying-chi, deren Willensstärke ein wichtiges Gegengewicht zu den beiden anderen, von Wehmut und Weltschmerz geprägten Frauenfiguren bildet. Erwähnt werden muss aber auch Lin Wans düsterer Killer-Gefährte, der in einer sehr ansprechenden Darstellung von Eddy Ko gegeben wird.

Die Bildsprache des Films ergeht sich in melancholischer Schönheit. Selbst eine im Wu-Xia-Kino wohl nahezu unvermeidbare leicht komische Figur wie der Taubenmann (Yat Fan Lau) ist mit spürbarer Zurückhaltung und längst nicht so albern wie die entsprechende Figur in "Xian si jue" angelegt. Besonders gelungen sind perspektivisch durchdachte Aufnahmen, in denen z.B. eine Figur im Vordergrund von einer im Hintergrund beobachtet wird. Das oft angebrachte Lob, dass man die Einzelbilder des Films rahmen könne, trifft die Qualität von "Ming jian" vergleichsweise gut.

Anmerkung: Die Schreibung der Namen richtet sich im Wesentlichen nach der IMDB.

Details
Ähnliche Filme