Review
von Leimbacher-Mario
Frauenpower im Dauerfeuer mit Ungeheuer
„Asche ist reines Weiß“ erzählt eine prekäre, sensible Liebesgeschichte von 2001 bis 2018 im sich aufschwingenden China, zwischen mafiösen Strukturen und starken Frauen, Schulden und Loyalität, Treue und Enttäuschungen. Jia Zhangkes über zweistündige Gangsterballade in D-Moll ist ausufernd, allumfassend, auch immer mal wieder ausschweifend. Dabei sicher nicht immer fesselnd oder nach vorne gehend, eher mäandernd bis verloren. Doch hinter der Slowmotion-Fassade verstecken sich mehr Themen, als einem während des Gucken zuerst klar werden. Es geht um ein Land im Wandel, einen stetigen Fluss der schwindenden Kraft, über instinktive Frauen und verlorene Männer. Es geht um einen Stausee aus Tränen und eine Mauer der gehobenen, gekünstelten Ansprüche, immer eingefangen in erhabenen Bildern mit einzigartigen Grüntönen und einer allgemein sehr feinen Farbpalette. Und obendrauf 1A Schauspieler, die sich aufopfern und vollkommen in ihren Rollen aufgehen. Vor allem das Hauptpärchen spielt erinnerungswürdig. Alles erinnert an eine Mischung aus „In The Mood For Love“ und einem Takeshi Kitano-Gangster-Ballet. Interessant und vielschichtig, kompliziert und schwer zugänglich.
„Ash Is Purest White“ ist ein Gedicht, geduldig und plätschernd. Ein sicherer Kandidat für die Criterion Collection, eher früher oder später. Ich bin froh, dass ich ihn im Kino genießen konnte. Doch irgendwie fehlte mir der endgültige Eintritt. Emotionen Fehlanzeige. Vielleicht weil ich mit der chinesischen Kultur nicht vertraut genug bin, vielleicht weil er doch etwas zu lang ist, vielleicht war ich auch nicht aufmerksam genug und zu müde. Doch Langeweile und Wow-Momente hielten sich in etwa die Wage, was normalerweise keine allzu gute Balance abzeichnet. Momentan bin ich noch in dem Stadium, wo ich Zhangkes neuesten Streich eher bewundere als wirklich mag oder gar liebe. Die einzelnen Teile ergeben in ihrer Summe bisher weniger als sie eigentlich sollten. Oder was zumindest sein Anspruch ist. Die ungewöhnliche Liebe zog sich oft wie Kaugummi, Szenen, die die Handlung voranbringen, wurden rarer und rarer, exquisite Shots können nicht immer von der inneren Leere oder einer fehlenden Connection ablenken. So bleibt ein dickes „gut“ und eine klare Empfehlung für Fans des Regisseurs und von asiatischen Arthouse-Perlen. Für alle anderen jedoch eine laute Warnung.
Fazit: elegisch, poetisch, zäh - „Asche ist reines Weiß“ könnte schon bald zu den Weltkinoklassikern gehören, ein Arthouse-Epos über Abhängigkeit und Entwicklung, beobachtend und in sich ruhend. Zudem spektakulär gut gefilmt und gespielt. Doch der Funke sollte leider nie ganz in mein Herz springen, Langeweile sich zu sehr breit machen. Sitzfleisch. Geduld. Ein frischer Kopf. Sinn für Kunst. All das sollten Kernstärken eines jeden Betrachters von dieser Liebesgangsterballade sein. Der Rest döst weg.