Review

Bibi Schocksberg

Sowohl "Call Me By Your Name" als auch "Suspiria" (1977) sind Überfilme, auf unterschiedlichen Enden der Skala, verbunden eigentlich nur durch ihre Sinnlichkeit. Reicht das um Luca Guadagninos neue Interpretation der Hexentanzschule in die Nähe des legendären Originals zu hieven? Oder geht der begnadete Regisseur bei dieser heftigen Herausforderung baden? Oder sollte man den Vergleich am besten ganz sein lassen? Ein Film, der dermaßen episch und ambitioniert ist, das Horrorgenre dehnt wie einen Gummihandschuh getaucht in Blut, der hat meine Pro- und Contra-Aufstellung verdient!

PRO


  • Tilda Swinton in drei Rollen - von dieser Ausnahmeerscheinung kann man nie genug haben!


  • der ausgelaufene, triste Look konterkariert das Original und ist super chic


  • das Deutschland dieser Epoche wird stark getroffen


  • das Setting im RAF-gebeutelten Berlin ist frisch, akut und interessant


  • Dakota Johnson gibt die beste Performance ihrer jungen, vielversprechenden Karriere; sie hält tänzerisch sogar mit Profis mit!!!


  • die Unterteilung in sechs Akte und einen Epilog tut gut, gibt etwas Halt und Zeitgefühl


  • das Finale ist bonkers, purer Wahnsinn; der Twist ist mutig und tut gut


  • der Thom Yorke-Soundtrack befindet sich gegenüber von Goblin, ist aber fast genauso gut


  • Nebendarsteller wie Mia Goth brillieren


  • die Tanzschule hat eine beeindruckende Architektur


  • wirklich angsteinflössende, wunderbar-widerliche Gewalteruptionen (das quergeschnitte "Tanzduell" etwa)


  • exquisites Setdesign


  • feine, intuitive Kamera


  • Blick für teuflische Details


  • tiefschürfende, aktuelle Themen wie gespaltene Gesellschaften und das Vergessen und Verdrängen unserer dunkelsten Stunden wie dem Holocaust


  • zutiefst beunruhigend und unterschwellig böse Atmosphäre


  • Horror mit Stil und Klasse


  • nimmt sich Zeit und hetzt sich nicht


  • ist sein ganz eigenes Ding, lässt sich nicht vergleichen


  • elektrisierende Tanzperformances


  • mehrsprachig und um Authentizität bemüht


  • intelligent und nachdenklich in jeder Pore


  • viel weniger "Style over Substance" als Argentos Version


  • die letzten 20 Minuten drehen auf und über und ab; muss man sehen um es zu glauben


  • starkes Make-Up-Design


  • zum Teil deutsche Schauspieler


  • politische Verbindungen und Assoziationen


  • wirklich gemeine und boshafte Hexenladies


  • exzentrische und verstörende Traumsequenzen


  • vieles spielt sich im Unterbewussten ab


  • ein Remake, wie kein anderes, das man kaum so nennen mag


  • beschäftigt einen noch länger, hallt nach


  • das Suchen von Interpretationen und Deutungen lohnt sich


  • kein 08/15 Horror; keine Jumpscares; keine leichte Kost; nichts für den Massengeschmack; nichts für Ungeduldige


  • ein paar elegante Verbeugungen vor Argentos Meisterwerk, das er kein bisschen ankratzt


  • nicht das, was man erwartet; unterwandert Vorurteile und Erwartungen


  • erklärt nicht zu viel und verlässt sich auf die Intelligenz der Zuschauer


  • Kurzauftritt von Jessica Harper


  • ich glaube Dario Argento ist beeindruckt


  • freizügig und feministisch


  • kraftvoll und am Puls der Zeit


  • diskussionswürdig





CONTRA



  • benötigt Sitzfleisch, ist vielleicht doch zu lang


  • wirkt manchmal überambitioniert


  • über vieles lässt sich streiten


  • das Tempo variiert oft gefühlt außer Kontrolle


  • seltsame Spannungskurve


  • eher Anspannung als Spannung


  • Swinton als alter Mann kann herausreißen; hätte vielleicht nicht sein gemusst


  • Finale samt Überraschung könnte verwirren und enttäuschen


  • stößt Fans des Originals oft vor den Kopf


  • nichts für zwischendurch, sehr anstrengend und verkopft


  • wo sind die Farben?


  • aus deutscher Sicht vielleicht doch kein soo erfrischendes, neues Setting


  • Splattereffekte im Finale sehr schwach und billig aus dem Computer


  • allgemein schießt das Finale etwas drüber und wirkt manchmal sogar unfreiwillig komisch


  • Versuche deutsch zu sprechen oft peinlich und unnötig mit Englischsprachigen besetzt


  • nicht alle Nebenstränge zahlen sich aus


  • habe öfters auf die Uhr geguckt, Atmosphäre und Handlung haben ein paar Hänger


  • kann überfordern und erklärt wirklich sehr wenig


  • ist ein mögliches Sequel denkbar?!


  • hat mit dem Original fast gar nichts mehr gemein


  • verteilt seine Highlights unausgeglichen


  • super kurzer Auftritt von Chloe Grace Moretz

Fazit: eine polarisierende, politisch aufgeladene und äußerst interessante Interpretation des Argento-Meilenstein. Ganz anders und ganz schön fesselnd. Oder abstoßend und anödend. Denn hier geht wohl nur Liebe oder Langeweile. Wenn Pina Bausch auf die seufzende Mutter trifft und im Hintergrund die Gesellschaft bröckelt und den Holocaust vergisst... Höllisch!

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