Review
von Leimbacher-Mario
Kontrollverlust & Charakterchaos
"Cam" schwimmt auf der Technik-Horror-Welle ala "Black Mirror" mit und macht sein Ding verdammt gut. Wenige Filme haben mich dieses Jahr positiver überrascht. Er ist klein, clever und gemein, außerdem behandelt er eine Branche, von der man noch nicht allzu viel (in Filmen) gesehen hat und ist hautnah am Zeitgeist. Der Netflix-Tipp kann als psychologischer Horror beschrieben werden und handelt von einem Cam-Girl, das sich auf der Rangliste ihrer Website ehrgeizig, mit immer verrückteren Aktionen, hoch arbeitet. Doch eines Tages muss sie feststellen, dass ihr Account gehackt bzw. übernommen wurde - von einer Person oder einem Ding, dass ihr Spiegelbild sein könnte...
Typisch und lobenswert für Netflix, spricht "Cam" sehr geradeaus, offenherzig und intensiv Dinge an, die uns alle im Netzzeitalter betreffen und Angst machen. Den Ehrgeiz sich über das Web zu definieren und profilieren, sich in ihm zu verlieren, nicht mehr der zu sein, der man ist, und komplett die Kontrolle über sein Leben zu verlieren. Das echte Leben links liegen zu lassen. Der Film ist freizügig, ungemütlich authentisch und Madeline Brewer (bekannt aus "The Handmaids Tale") spielt sich fabelhaft den hübschen Hintern ab. Isoliert, konzentriert und fokussiert bringt der kurzweilige Psychotrip genau das rüber, was er will und einen damit an reizende Grenzen. Die geniale Grundprämisse wird zudem noch einigermaßen zufriedenstellend aufgelöst und die offenen Fragen stören nur geringfügig, erhöhen vielleicht sogar den Mystery- und Meta-Aspekt. Definitiv ein klasse Ausgangspunkt für Diskussionen und Gedanken.
Fazit: warnend, böse, ein wenig konfus, ziemlich stylisch und schockierend echt - "Cam" ist ein teuflischer Abstieg in die Höllen der Live-Sex-Shows und des Internets allgemein. Von den Abgründen und Mysterien des World Wide Web. Hat es dich einmal, ist es schwer aus seinen Klauen zu kommen...