"Passage to Marseille" oder "Fahrkarte nach Marseille" ist ein eher unbekannter Bogart-Film der 1940er Jahre und das meines Erachtens zu Unrecht. Stimmungsvoll, spannend, sicherlich etwas propagandistisch-patriotisch überladen, aber immer wieder berührend wird die Geschichte einiger Männer der "Freien französischen Luftstreitkräfte" erzählt, die auf Umwegen nach England kommen, um von dort im Dienste ihres Vaterlandes Bombenangriffe gegen Deutschland zu fliegen.
Mit einem solchen Bombenangriff auf deutsche Ziele beginnt auch der Film. Nach erfolgreichem Einsatz fliegt einer der Bomber (eine Flying Fortress) im Tiefflug über einen Hof in Frankreich, sodass der Bordschütze (Humphrey Bogart) eine Botschaft abwerfen kann, die von einer Frau und ihrem Sohn gefunden wird. Was es mit dieser Begebenheit auf sich hat, erfährt der Zuschauer erst im Laufe des Films, wenn er sich auf die komplexe, vielfach verschachtelte Erzählstruktur einlässt.
Hier werden nämlich von Regisseur Michael Curtiz verschiedene in sich verwobene Handlungsstränge aufgemacht und miteinander verwoben. Die Rahmenhandlung spielt auf dem als englischer Bauernhof getarnten Stützpunkt der "Freien französischen Luftstreitkräfte". Dieser Hof und die angegrenzenden Felder verwandeln sich in der Nacht zu einem Flugplatz, von dem aus die Bomber der Franzosen zu ihren Angriffen auf Nazideutschland starten. Ein englischer Journalist besucht diesen geheimen Stützpunkt, um mehr über die Leute dort zu erfahren. Der Kommandeur Capitain Freycinet berichtet dem Reporter, wie er einige der Soldaten kennen gelernt hat und betont dabei, dass es sich nicht um Verräter, sondern um wahre französische Patrioten handelt.
Hier erfolgt die erste Rückblende, in der die Reise Capitain Freycinets bei Kriegsausbruch zurück nach Frankreich geschildert wird. Er befindet sich an Bord eines französischen Frachters zusammen mit einem unangenehmen französischen Kolonialbeamten. Nach Durchquerung des Panamakanals nimmt das Schiff einige Schiffsbrüchige auf, die mit einem einfachen Boot auf hoher See dahintreiben. Bald stellt sich heraus, dass es sich um entflohende Sträflinge der Strafkolonie in Französisch Guayana handelt. Capitain Freycinet glaubt ihnen jedoch ihr Motiv zur Flucht, sich nämlich in den Kampf für das französische Vaterland zu begeben. In einer Nacht lässt er sich von ihnen ihre Flucht erzählen.
Hier erfolgt eine weitere Rückblende, in der die Umstände in der Gefangenenkolonie und die Flucht aus Guayana erzählt werden. Dabei hilft den Gefangenen ein ehemaliger Sträfling "Grand-père", der sich nichts sehnlicher wünscht, als seine Heimat Frankreich wiederzusehen. Bevor er den Gefangenen hilft, lässt er sich aber versichern, dass sie alle patriotisch gesinnt sind, was zu weiteren Rückblenden führt, in denen geschildert wird, wie die einzelnen Personen nach Guayana gekommen sind.
Am wichtigsten erscheint dabei die Vorgeschichte des Charakters, der von Humphrey Bogart gespielt wird, Jean Matrac. Er war ein kritischer französischer Journalist (der Kreis schließt sich, vgl. die Rahmenhandlung), der schon früh beginnende faschistische Tendenzen in Frankreich und Deutschland benannt und verurteilt hat. Dies wird ihm zum Verhängnis, er wird schuldlos eines Mordes angeklagt und nach Guayana verbannt. Zurück lässt er seine Frau, die ein Kind von ihm erwartet (auch hier schließt sich ein Kreis, der Zuschauer weiß nun, weshalb der Bomber auf dem Rückflug stets den französischen Bauernhof überfliegt).
Die Erzählungen der Schiffsbrüchigen werden unterbrochen, als der Kapitän des Frachters von der Kapitulation Frankreichs berichtet. Er wie auch Freycinet und ein Großteil der Besatzung beschließen die Fahrtroute zu ändern und statt Marseille nun England anzulaufen. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse, unter der Führung des Kolonialbeamten Duval meutert ein Teil der Besatzung und bringt kurzfristig das Schiff unter seine Kontrolle. Zwar können der Kapitän mit tatkräftiger Unterstützung der ehemaligen Strafgefangenen das Ruder wieder wenden, um sich dann aber dem Angriff eines deutschen Flugzeugs ausgesetzt zu sehen. Spätestens hier bis zum tragischen Ende des Films verfolgt der Zuschauer gebannt das Gesehen auf der Leinwand.
Wie in den Ausführungen deutlich wird, ist die Handlung komplex und in sich verschachtelt, was den Film nicht so eingängig wie manche Hollywood-Kost macht, mir aber sehr gefallen hat. Die einzelnen Figuren bekommen durch die zahlreichen Rückblenden einen Unterboden, ihre Handlungsweisen werden nachvollziehbar, wenngleich ihre patriotischen Motive manchmal etwas zu aufgetragen wirken, aber hier muss man die Entstehungszeit des Films während des Zweiten Weltkriegs in Rechnung stellen.
Neben Humphrey Bogart, Claude Reins und Peter Lorre treten hier eine ganze Reihe von Hollywoodgrößen auf, die allesamt recht eindrucksvoll spielen (wenn man bei Bogarts recht reduziertem Spiel von einem Schauspiel sprechen kann). Bogart spielt hier wieder einen in sich gebrochenen Charakter, dessen patriotische Motive und Botschaft an die Zuschauer vor allem in dem am Ende verlesenen Brief an seinen Sohn deutlich werden.
Die Kameraführung sowie die Einstellungen erzeugen die jeweils notwendige Stimmung, damit der Zuschauer sich ins Geschehen einfühlen kann. Ein Übriges macht die Musik Max Steiners, der die patriotische Attitüde durch häufiges Aufgreifen einiger Takte der französischen Nationalhymne unterstreicht.
Der Film ist gegenüber seinem großen Vorläufer "Casablanca" meines Erachtens etwas zu Unrecht ins Hintertreffen geraten. Ein größeres Publikum wäre ihm (zusammen mit einer entsprechenden DVD-Veröffentlichung) auch in Deutschland zu wünschen.