Review

Komplette Mini-Serie - 8,5/10

Mini-Serie

Wer bist'n du?

Respekt, Netflix! Denn "Maniac" ist ein Brecher, alles andere als Mainstream, teilweise ein furioser Mindfuck und eine echte Herausforderung. Nicht nur für euer Stammpublikum. Eine derart anspruchsvolle, futuristische und schwer kategorisierbare Miniserie, so groß und breit zu bewerben, das ist mutig und ungewöhnlich. Da waren eure letzten aufsehenerregenden Werbeträger wie "Dark", "Stranger Things" oder "Santa Clarita Diet" doch in einer ganz anderen Gewichtsklasse unterwegs. Finde ich klasse! Und diese Eier und Experimentierfreudigkeit sollte belohnt werden. Selbst wenn meiner Meinung nach sicher, trotz kleinem Hype und großer Namen, eine riesige Menge an Zuschauern enttäuscht, überfordert und frustriert die 10 Folgen nicht zu Ende bringen werden. Aber das Programm des Streaminggiganten ist ja breit genug aufgestellt, um alle Geschmäcker zufrieden zu stellen... Mir gefällt "Maniac" sehr gut.

"Maniac" ist schwer zu beschreiben und ehrlich gesagt hatte ich etwas Respekt bis Angst vor dieser Kritik, vor allem ohne (empfehlenswerte) Zweitsichtung. Es geht um zwei psychisch angeknackste Personen, die in einer ihnen fremd gewordenen Welt an einem Experiment teilnehmen. Dort dringen sie weiter in ihre Gedanken und Ängste ein, auch in komplett neuartige Welten, sodass sich ihr Bund festigt und die zwei Außenseiter vielleicht endlich ihren Weg im Leben und der realen Welt finden... "Maniac" ist komplett eigen, selbst wenn man Gedanken an "Brazil" oder "Welt am Draht" nicht ganz verhindern kann. Allein diese Vergleiche zeigen, in was für einem gewagten Territorium sich der futuristische Genremix bewegt. Es werden immer wieder Erwartungen unterlaufen, neue Akzente gesetzt und mit Auslassungen und Andeutungen gearbeitet. Was man nicht sieht, setzt sich am ehesten fest, schürt die meiste Neugier. Man würde von diesen verzerrten Spiegelbildern unserer Welt gerne noch viel mehr sehen. Zudem mag man die beiden Protagonisten von Minute zu Minute mehr. Sitzfleisch und einen gewissen Grad an Fantasie und selbstständiges Lückenfüllen sind allerdings unumgänglich. Zum Zwischendurchgucken ist "Maniac" nichts.

Jonah Hill und Emma Stone geben ihren interessanten Figuren genug Schichten, um weiteres Interesse zu wecken. Auch hier gilt: viele Fragezeichen, die es wert sind erforscht und hinterfragt zu werden. Die Chemie der beiden, sei es Freundschaft oder Liebe, hat durchaus etwas Magisches. Vor allem Hill hat im letzten Jahrzehnt eine Reifung und Verwandlung durchgemacht, die man nur bewundern kann. "Maniac" hat außerdem noch einen hypnotischen Soundtrack und verfrachtet vom Look her die 80er-Retromanie in die Zukunft. Einige Sets, Ideen, Farbgebungen und Bilder kriegt man nicht mehr aus dem Kopf und will dies auch nicht. Man wird erfolgreich in nicht nur eine sondern etliche Parallelwelten gezogen und die Immersion ist nicht zu verachten. Passend zum Thema. Manchmal trauert man vergebenen Chancen nach, z.B. in der Fantasy-Welt ala "Herr der Ringe", und das Gefühl von ein paar zu vielen Hochzeiten, auf denen getanzt werden will, lässt sich nicht leugnen. Doch im schlimmsten Fall hat man sich eben verhoben und war überambitioniert - immer noch besser als blass und langweilig ausgetretenen Pfaden hinterherzulaufen.

Fazit: kreativ, fordernd, lohnenswert - es dauert etwas, bis man begreift warum Netflix "Maniac" als großen Tentpole-Release ansieht und bewirbt. Doch wenn man dran bleibt und es Klick macht, dann weiß man ohne Zweifel: das ist nah an einem kultigen Geniestreich, einem faszinierenden Gamechanger, einer einzigartigen Mini-Serien-Entdeckung. Hartnäckigkeit hat sich selten derart ausgezahlt! (8,5/10)

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