Review

GODZILLA-ANIME No. 3

GODZILLA: ZERSTÖRER DER WELT

(GODZILLA: HOSHI O KÛ MONO)

Hiroyuki Seshita und Kôbun Shizuno, Japan 2018

Vorsicht – das folgende Review enthält SPOILER!

Runde drei: Reden wir über Godzilla: Zerstörer der Welt (im Original Godzilla: Hoshi o kû mono, also in etwa „Godzilla: Sternenfresser“, daher international auch Godzilla: The Planet Eater) – den Abschlussteil der 2017 und 2018 von den Tōhō-Studios und Polygon Pictures produzierten Godzilla-Anime-Trilogie, mit der es nach einem schwachen Start im Vorgängerfilm zumindest aus meiner Sicht ein kleines Stück aufwärts gegangen war. Somit konnte die Sache durchaus noch ein gutes Ende nehmen ...

Wir erinnern uns daran, dass es am Ende des zweiten Teils gewaltig gekracht hatte – und dürfen nun mit mehr oder weniger großem Erstaunen feststellen, dass der Aufenthalt im Zentrum eines apokalyptischen Explosions-Infernos dem Titelhelden nichts ausgemacht hat: Godzilla steht wieder in der Landschaft herum, als wäre nichts geschehen. Die Überlebenden unter den zur Erde entsandten Menschen und Exif (die beiden Bilusaludo Mulu-Elu Galu-Gu und Rilu-Elu Belu-be sind offenbar bei ihrer Nanometallverschmelzungsaktion dahingeschieden) sammeln sich und müssen das Erlebte erst einmal verarbeiten. An Bord des Mutterschiffs ist derweil Halu-Elu Dolu-do, ein weiterer maßgeblicher Bilusaludo, außer sich vor Wut – er führt das Scheitern der gerade in die Hose gegangenen Godzillavernichtungsmission auf Haruos Verschmelzungsverweigerung zurück und schreitet zur offenen Meuterei gegen die in seinen Augen unfähigen Menschen: Er unterbricht die Stromversorgung des Raumschiffs, das nunmehr mit dem Notstrom auskommen muss, der für knapp zwei Tage zur Verfügung steht.

Das wird in Kürze allerdings keine Rolle mehr spielen, denn jetzt schlägt die große Stunde der Exif: Der zum Bodenkommando gehörende Priester Metphies und sein an Bord des Mutterschiffs tätiger Artgenosse Endurph nutzen die Gunst der Stunde und machen sich daran, die nach den vergangenen Ereignissen verunsicherten Menschen für ihre krude Religion zu gewinnen – was bei den meisten auch frappierend schnell gelingt. Schlussendlich sind die beiden sogar in der Lage, durch allerlei Hokuspokus ihren Gott herbeizurufen, und das ist kein Geringerer als ... Ghidorah!

Der verlässt zunächst als einzelner, schier endlos langer und golden leuchtender Hals mit Kopf ein plötzlich aufgetauchtes Schwarzes Loch und wickelt sich in zerstörerischer Absicht um das Mutterschiff, welches auch bald in einer gigantischen Explosion vergeht. Im Anschluss daran wendet er sich dem weiterhin regungslos in der Landschaft herumstehenden (beziehungsweise schlafenden) Godzilla zu – jetzt allerdings mit den gewohnten drei golden leuchtenden Hälsen und Köpfen, da die beiden eingangs fehlenden inzwischen ebenfalls am Erdhimmel aufgetauchten Schwarzen Löchern entkreuchen.

Die drei Köpfe beißen sich in Godzilla fest, der genervt erkennen muss, dass sein Gegner nicht wirklich materieller Natur ist: Er greift bei seinen Verteidigungsversuchen einfach durch die Ghidorah-Hälse hindurch. Wir erfahren derweil, dass Ghidorah durch Metphies „gesteuert“ wird, der dem Monster gewissermaßen sein Auge leiht (wie das alles im Detail funktionieren soll – Schwamm drüber). Zum Glück gibt es aber noch unseren Helden Haruo, der Metphies nach einer ganzen Reihe von schwer bis gar nicht nachvollziehbaren Szenen besiegt und somit quasi die „Entmaterialisierung“ Ghidorahs aufhebt – woraufhin Godzilla den Goldenen endlich fassen und in Stücke reißen kann.

Die Menschen (Exif und Bilusaludo gibt es nun nicht mehr) sind gerettet und schließen sich hierauf dem friedlichen Volk der Houtua an, womit sie einem einfachen und technologiefernen, aber glücklichen Leben entgegensehen. Für Haruo bahnt sich sogar eine schöne Beziehung mit Maina oder Miana an (je nachdem). Doch halt! War da nicht noch etwas? Richtig: Godzilla steht ja noch immer in der Gegend herum! Während die Houtua damit gut leben können (und das schließlich auch schon seit Tausenden von Jahren tun), fühlt sich Haruo daran erinnert, dass er mit dem Monster noch einen ganzen Stapel von Rechnungen offen hat (begonnen mit dem Verlust der Eltern), und so macht er sich daran, ein letztes Mal den Helden zu spielen. Nachdem einer der im vergangenen Kampf gegen Godzilla zerstörten Bilusaludo-Flug-Mechas mit dem warum auch immer noch schlagenden Nanometall-Herz von Yuko Tani (die ansonsten aber entgegen meiner Prophezeiung doch irgendwie tot ist – ich nehme daher fast alles zurück), nachdem also einer der Bilusaludo-Flug-Mechas mit Yuko Tanis Nanometall-Herz wieder funktionstüchtig gemacht wurde, rast Haruo mit ihm in allerfeinster Kamikaze-Manier und mitten durch dessen Energiestrahl in Godzilla hinein. Und siehe an: Jetzt explodiert unsere Lieblingsriesenechse.

Seltsam – wäre das nicht vorher ... ach, egal. Nach Logik, Sinn und Verstand soll hier wie eigentlich immer beim Kaijū Eiga nicht gefragt werden. Allerdings ist dieses verstörend uninspirierte und unspektakuläre Ende (man sieht die Explosion überdies nur aus großer Ferne) absolut bezeichnend für eine Filmreihe, die ihren Titelhelden zunehmend aus den Augen verloren hat.

Momentan geht es jedoch erst einmal um ihren dritten und letzten Teil Godzilla: Zerstörer der Welt, und der bereitet mir schon einige Sorgen, weil ich ihn aus zwei ganz verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann – und muss. Zunächst will ich einräumen, dass er allen Problemen und besserem Wissen zum Trotz halbwegs gut bei mir angekommen ist. Aber er hat natürlich auch seine großen Momente: Allein die Zerstörung des Mutterschiffs durch Ghidorah ist ein echter Schock, die Idee mit den Schwarzen Löchern ist zumindest originell, das Finale des „Kampfes“ zwischen Ghidorah und Godzilla zu ruhiger Musik ist ein (freilich unschicklich kurzer) Genuss, und überhaupt kann man den meisten Ghidorah-Sequenzen etwas Surreal-Bedrohliches abgewinnen, so man denn bereit ist, sich auf sie einzulassen und ihre offensichtlichen Schwächen erst einmal zu tolerieren. Zudem ist das Treiben wieder derart abgedreht, dass es mich ein ums andere Mal zum Staunen gebracht hat, und das ist auch etwas wert. So weit zum subjektiven Blickwinkel – aber es gibt auch einen objektiven, und aus diesem heraus betrachtet gerät Godzilla: Zerstörer der Welt zum veritablen Fiasko.

Schon der Titel ist der blanke Hohn – Godzilla zerstört hier nichts (und frisst auch keine Planeten!), sondern steht unbeweglich in der Gegend herum und schläft. Wir erinnern uns noch einmal: Dies soll ein Godzilla-Film sein, wie überhaupt sich die ganze Trilogie doch vorrangig um das legendäre Kultmonster drehen sollte. Was aber geschieht? Über weite, sehr weite Strecken der Laufzeit hinweg sind wir den religiös verbrämten und unbeholfen Tiefgründigkeit vorgaukelnden Dialogen von Figuren ausgesetzt, die uns nicht wirklich interessieren. Das kann schnell lästig werden. Zudem sucht Skriptautor Gen Urobuchi (wie schon gesagt: auch Schöpfer von Psycho Pass) immer dann, wenn er nicht mehr weiterweiß, sein Heil im Kryptischen. Wer sich diesen Film anschaut, will jedoch nicht angestrengt über Szenen und Sätze nachdenken, die das Nachdenken nicht wert sind. Wer sich diesen Film anschaut, will Godzilla sehen. Wenigstens hin und wieder, und gern auch einmal in Bewegung. Oder Ghidorah. Oder Godzilla und Ghidorah im handfesten Duell. Was aber ist zu sehen? Godzilla steht ungelogen von der ersten bis zur letzten Sekunde am gleichen Fleck, und wer etwas von ihm will, muss schon zu ihm kommen und ihn wecken. Man hat schon Angst, dass er sich übernimmt, wenn er einmal ein Auge öffnet.

Und das Skript lässt ihn auch in aller Ruhe stehen, bis sich Ghidorah endlich einmal aus ein paar Schwarzen Löchern herausbequemt. Was aber ist von Ghidorah zu sehen? Zunächst einmal nur ein einziger Hals mit Kopf, und später dann alle drei Hälse und Köpfe – aber nie der ganze Körper. Zudem wirkt die strahlend goldene CGI-Umsetzung des von seinen Exif-Jüngern so schön als „Goldener Tod“ bezeichneten Unholds extrem künstlich (man kann das wie schon angedeutet bestenfalls als surreal empfinden). Der finale „Kampf“ zwischen ihm und dem Titelhelden ist schließlich ein einziges Armuts- oder vielleicht doch besser Lustlosigkeits-Zeugnis für die Macher: Godzilla reißt ihm (natürlich ohne seinen Standort auch nur einen einzigen Millimeter weit zu verlassen) zwei Köpfe ab und gut. Viel weniger geht nicht. Lediglich die darauffolgende Sequenz, in der Godzilla feierlich die drei noch am Himmel schwebenden Schwarzen Löcher mit seinem Energiestrahl zerstört, verhindert das Schlimmste.

Und noch eine Ungeheuerlichkeit darf mit Blick auf die Monster nicht verschwiegen werden: Ich hatte in meinen Notizen zum Vorgängerfilm gemutmaßt, dass Maina und Miana als Neuinterpretation der Shobijin beziehungsweise Cosmos durchaus Vorbotinnen eines Mothra-Auftritts sein könnten, und tatsächlich hat die Riesenmotte ihren Auftritt. Und was für einen: Man sieht sie einmal von vorn und einmal von hinten kurz als schwarzen Schatten durchs Bild fliegen, und das war’s. Ohne Erklärung. Nicht einmal Haruo versteht da etwas: „War das eine Motte?“, fragt er Metphies. Ja, Haruo, es sollte eine Motte sein. Eine sehr große Motte. Aber diese Szene fällt ohnehin in eine besonders kryptische Phase des Geschehens – da muss man Außenstehenden nicht erklären, wer Mothra ist, und Kennern nicht, warum sie hier nur für zwei, drei Sekunden vorbeihuscht. Bei alledem kann ich wirklich jeden Kaijū-Eiga-Freund verstehen, der hochgradig verärgert aus dieser Veranstaltung herausgeht und Godzilla: Zerstörer der Welt nachgerade als Provokation empfindet.

In Sachen Optik hat sich derweil nichts geändert – auch der dritte Teil der Godzilla-Anime-Trilogie kommt mit sauberen, aber immer ganz leicht überschleiert wirkenden Bildern im TV-Format daher und zeigt deutliche Schwankungen im technischen Bereich. Was bereits bei den Vorgängerfilmen auffiel, hier aber noch einmal überdeutlich wird, ist die Verwendung von Standbildern: Gefühlt siebzig Prozent aller Einstellungen, die Godzilla zeigen, sind solche Standbilder und damit, ich hatte mich schon einmal so ausgedrückt, Zeugnisse einer frustrierenden Lustlosigkeit. Fortschritte gibt es hingegen auch hier noch einmal beim Score von Takayuki Hattori, der mir an vielen Stellen wirklich gut gefallen hat und auch ein paar schöne neue Motive mitbringt. Er wirkt auf jeden Fall nicht lustlos und verhilft der von ihm begleiteten Arbeit zu einigen bitter nötigen Pluspunkten. Der Abspanntitel „Live and Die“ stammt schließlich wieder von Xai, und auch der ist okay und etwas besser als jener des Vorgängers.

Wirklich zu retten ist hier freilich nichts mehr: Zumindest aus der Sicht des Kaijū-Eiga-Freunds, und die ist in diesem Fall maßgeblich, stellt Godzilla: Zerstörer der Welt den finalen Tiefpunkt einer ohnehin schon bedenklich auf der Kippe stehenden Produktion dar. Der Streifen kann kein hinreichendes Interesse für seine von Anfang an vergeigten Figuren und ihr Handeln wecken, ist in seinen zahlreichen religiös und glückskeksphilosophisch unterfütterten Dialogpassagen und einigen zwanghaft verrätselten Sequenzen mitunter sinnlos anstrengend, verschenkt seinen illustren Titelhelden auf sträflichste Weise und verabschiedet sich nach immerhin 270 Minuten Trilogie-Gesamtlaufzeit mit einem nachgerade beschämend einfallslosen und zudem Vorangegangenem widersprechenden Blitz-Abschluss, der wirkt, als hätte man ihn im Nachhinein noch schnell dazugeklatscht, weil man den irgendwo im Abseits selig vor sich hindösenden Godzilla bei Drehschluss schon völlig vergessen hatte. Dass all dies auch der Trilogie als Ganzes auf die Füße fällt, muss nicht gesondert betont werden.

Ende schlecht, alles schlecht, kann man also sagen und konstatieren, dass das Projekt Godzilla-Anime gescheitert ist. Und obwohl das keineswegs an seiner Ausgangsidee, sondern vielmehr an ihrer missratenen Umsetzung liegt, werden wir wohl so schnell keinen Kino-Zeichentrick-Auftritt des Titelhelden mehr sehen. Ich denke, die Trauer darüber wird sich unter den Freunden fernöstlicher Riesenmonster in Grenzen halten. Und bevor ich mich zum drölfzigsten Mal darüber beschwere, dass Godzilla hier nur (schlafender!) Zuschauer in seinem eigenen Film sein durfte, will ich nun endlich Ruhe geben.

PS: Der allererste Auftritt des Großen Grünen in einer gezeichneten Arbeit ist die vorliegende Trilogie übrigens nicht: Schon 1969 war Godzilla in Marv Newlands eineinhalbminütigem (und seither vielfach nachgeahmtem) Trickfilm Bambi Meets Godzilla zu sehen. Okay, genauer gesagt sieht man nur einen Fuß von ihm, aber der ist immerhin ganz klar handlungsbestimmend.

(04/23)

Knappe 6 von 10 Punkten aus persönlicher Sicht, ansonsten 5 von 10.



Details
Ähnliche Filme