Dogs of Berlin hat seine Vorbilder klar in Lollywood, macht aber trotz allem als eigenständig agierendes Werk Hoffnung auf weitere qualitativ gute deutsche Serien.
Die Hauptstory ist nichts Besonderes, wurde aber spannend inszeniert und serientypisch gibt es natürlich noch einige Nebenstränge, die mit dem Fall verwoben sind oder sich um die Protagonisten drehen. Wer häufig Krimis schaut, wird wohl relativ schnell wissen, wer Erdem gekillt hat. Schlauerweise rückt die Identität des Täters aber rasch in den Hintergrund, so dass diese Info, wenn man sie gegen Ende offiziell bestätigt bekommt, nur noch eine Randnotiz ist.
Die Charaktere sind einerseits einfach gezeichnet, könnten so aber auch aus Lollywood-Filmen stammen oder gar in dem Moloch namens Berlin selbst existieren. Grimmer, der scheinbar von seiner Neonazi-Vergangenheit geläuterte Bulle, der sich gern seine eigenen Regeln macht und die These vertritt, dass der Zweck die Mittel heiligt. Zusätzlich pendelt er zwischen zwei konträren Leben hin und her, ist chronisch untreu und darüber hinaus verschuldet. Erol, der perfekt integrierte Türke, der für die Deutschen immer noch der "Kanake" ist, für seine Landsleute aber als Staatsdiener und Gesetzeshüter sowie Schwuler sowohl seine Herkunft (eins von zig Problemvierteln der Stadt, Kaiserwarte) wie auch die antiquierten (Moral-)Vorstellungen türkischer Migranten verraten hat. Paula, das Hausmütterchen, welches zur Selbstverwirklichung belanglosen Scheiß in seinem hippen Kreuzkölln-Shop verkauft und sich langsam der Langweiligkeit des eigenen Lebens sowie so etwas wie Würde bewusst wird. Oder Hakim, Clanchef und unberechenbarer Psychopath, der für Macht und Einfluss buchstäblich über Leichen geht.
Durch die Figurengestaltung gibt es weder Helden noch Böse, jeder hat sympathische wie auch hassenswerte Wesenszüge. So wird zum einen vermieden, dass alles in klassischen schwarz-weißen Bahnen abläuft und zum anderen ermöglicht, dass allen möglichen Figuren Sympathien zuteil werden können. Über allem steht aber als weiterer Protagonist die Stadt selbst. Keine Großstadt in Deutschland polarisiert so sehr wie Berlin, das kunterbunte Partymoloch und Keimzelle unzähligen Wahnsinns. Ob nun Hakim 2000-Euro-Wein in einer "Nogo-Area" säuft, die SOKO "Rote Karte" in einem Bau hausen muss, der aus der Zeit des Eisernen Vorhangs stammen dürfte, Kurt den Kontrast des gutbürgerlichen Reihenhauses zu schätzen weiß oder in der VIP-Lounge des Olympiastadions gekokst wird. Abgesehen von der Architektur bietet sie natürlich noch einige typische Nebenfiguren auf - die kriminelle Zecke Nike, den verschrobenen Ex-NVAler, den brutalen Neonazi Ulf oder Karsten Nguyen, einen sensationsgeilen, asiatischen Journalisten. Zu viel des Guten waren dann die eiserne Kampflesbe als Polizeipräsidentin, der Möchtegern-Tony Montana im Nadelstreifenanzug und der real existierende Prolet Haftbefehl.
Dogs of Berlin ist ein Mix aus Utopie und Realität und am Ende kommt keiner gut weg und jeder hat mit persönlichen Verlusten zu kämpfen. Schonungslos wird die Macht von Migrantenclans über ganze Häuserblöcke, die Politik, Prominente und den Ottonormalbürger aufgezeigt. Die Polizei, ein Haufen aus korrupten und unfähigen Sonderlingen, bekommt ebenso ihr Fett weg wie Vorzeigebürger vom Schlage einer Paula Grimmer, Neonazis, die ihre rebellischen Ansichten nicht sinnvoller einsetzen, mit Millionen vollgestopfte, junge Fußballspieler oder Migranten, die meinen, sie wären vom System geächtet und könnten nur als Hip-Hop-Gangster die dicken Flocken scheffeln und zum "King" in da Hood werden.
Dramatik reiht sich an tragikomische Elemente, Spannung wechselt sich mit zaghaften Gefühlen ab, das Tempo ist schnell, jedoch nie auf Level eines goldenen Lambo mit schwarzen Felgen. Die Grundstimmung ist eher düster und aggressiv, denn kunterbunt und friedlich, es gibt einige Tote und ein Ende, das Hoffnung und Lust auf eine zweite Staffel macht.