Review
von Leimbacher-Mario
Kehoe sehen... und sterben!
„Hard Powder“ oder „Cold Pursuit“, wie er genauso grau im Original heißt, ist Hans Peter Mollands Remake seines eigenen Thrillerhits „Kraftidioten“ aka „In Order of Disappearance“ aka „Einer nach dem anderen“, den ich leider noch nicht gesehen habe. Ob der Liam Neeson-Thriller eine gute amerikanische Version des norwegischen Schneegestöbers ist, kann ich nur vermuten und würde auf jein tippen. Wie es oft bei Regisseuren ist, die ihre eigenen Hits für Hollywood nochmal aufwärmen müssen oder wollen. Dass „Hard Powder“ aber ein solider Film ist, mit einem erfreulich bizarren Vibe, weit weg von „Taken“ und Co., das kann ich auch ohne das Original gesehen zu haben sicher behaupten. Dagegen wirken ein „Commuter“ oder der fünfundzwanzigste Taken wahrlich lahm, generisch, bieder. Nur liegt dieser Erfolg von „Hard Powder“ nicht an Neeson, ganz im Gegenteil. Doch eins nach dem anderen... Worum geht’s? Der Familienvater und „Bürger des Jahres“ im verschneiten Rocky Mountain-Städtchen Kehoe, Nels Coxman, legt sich mit der ansässigen Gangsterorganisation an, weil diese scheinbar seinen Sohn kalt gemacht hat. Doch seine Racheaktion bringt ein um den anderen Stein ins Rollen und am Ende ist der Schnee in dem sonst so friedlichen Skiort eher rot als weiß...
„Fargo“ trifft auf „In Bruges“ - Moland unterläuft die Erwartungen etlicher Neeson-Mainstream-Fans und bleibt seiner Linie und dem nordischen Humor treu. Das ist top, wenn auch nicht immer perfekt übertragbar in die amerikanische Wildnis und Gesellschaft. Der Humor ist trockener als Pulverschnee, was bei uns Europäern sicherlich besser ankommen wird als in Übersee. Viele Nebenfiguren sind sehenswert skurril, die Landschaftsaufnahmen sind erhaben und der gesamte Film ist sehr fein, hübsch, elegant, fast etwas artsy. Anders als das übliche Actionvehikel, ich kann mich nur wiederholen. Erwartet kein „Non-Stop“. Neeson ist fast schon fehlbesetzt und ihm fehlt oft das Gespür für den augenzwinkernden, bitterbösen Humor. Er ist quasi in einem ganz anderen Film, in seinem dreiundvierzigsten Taken. Und er könnte kaum falscher liegen. Sein Gegenpart, der nahezu alles richtig spielt, nämlich vollkommen drüber und ekstatisch, ist Tom Bateman als Gangsterboss, der der heimliche Star des Films ist. Was für ein Esprit und Wahnsinn! Neeson zieht das Ding runter, wer das Original gesehen hat darf dabei ruhig bleiben und hier einen Punkt abziehen, nicht jeder Joke sitzt und wirkt passend, sicher sind auch locker 20 Minuten zu viel auf der Uhr und etliche Nebenfiguren und tolle Darsteller, ganze angeteaste Subplots werden ärgerlich verschenkt oder fallengelassen. Doch im Endeffekt ist das erfreulich abseitig, anders, erfrischend. Zumindest für Hollywood. Und jede "Todesanzeige" hat ein Schmunzeln auf mein Gesicht gezaubert.
Fazit: Männlichkeit am Rande der Karikatur, Liam Neeson neben der Schneespur, europäisch-nordischer Humor in Hollywood. Nicht nur tonal ist „Cold Pursuit“ ein wilder Ritt, ein munteres Mischmasch, eine spezielle Kakophonie. Nicht immer gut, aber immer interessant. Keine Standardware, lobenswert. Die Spur ist kalt, dieser satirischen Thriller jedoch warm. Meistens.