Review

In der Spätphase seiner Karriere hat sich Kultregisseur David Lynch weitestgehend vom Filmemachen zurückgezogen. Sieht man von der mehr als verunglückten Neuauflage von „Twin Peaks" ab, besteht sein Schaffen in dieser Hinsicht nur noch aus Kurzfilmen. Und die loten teilweise auch die Grenze zwischen erzählendem Spielfilm und filmischer Kunstinstallation aus - wie etwa sein 2018er Werk „Ant Head".

Eine wirkliche Geschichte gibt es hier nicht zu erzählen, und die rhythmisch aufgebaute Versuchsreihe wirkt definitiv so, als würde sie in einer Ausstellung den ganzen Tag in Dauerschleife laufen: Der Zuschauer sieht eine Art Matschklumpen, dessen Eindellungen und Verformungen mit nur wenig Fantasie an ein deformiertes Gesicht (ein schreiendes) erinnern und über den unablässig zahllose Ameisen wuseln. Einkopiert wurde dieses Objekt in den dunklen Hintergrund einer Bahnstrecke in der Dämmerung. Dazu wird man mit dissonanter, elektronisch verzerrter Musik beschallt, die teilweise nach Schreien klingt, auf jeden Fall ein sehr unbehagliches Gefühl vermittelt. Im zweiten Teil des gerade einmal 13 Minuten laufenden Films wechselt das Bild in eine Negativaufnahme der Szene und ein nicht viel weniger unheimlich klingender Sprecher erzählt die beunruhigende Geschichte eines Jungen, der sich von dunklen Gestalten verfolgt fühlt.

Eine wirkliche Story kann man das nicht nennen, dafür bleibt alles zu starr und unbeweglich, nichts entwickelt sich. Doch diese bizarre Inszenierung sorgt trotzdem in bester Manier für das typische, surreal-bedrohliche Lynch-Gefühl. Die nervenzerrende Musik, die unheimliche Geschichte, deren Bedrohung einmal mehr aus nicht ganz greifbaren Verschiebungen der uns bekannten Realität besteht, und der bizarre zentrale Anblick des gesichtsförmigen Klumpens können einem ein sehr mulmiges Gefühl verleihen, ohne dass man konkret sagen könnte, wovor man sich fürchtet. Die merklich auf Dauerschleife angelegte Inszenierung verzichtet völlig auf Vor- und Abspann und wirft einen direkt hinein in ein beklemmendes Szenario, das man weder erklären noch irgendwie loswerden kann.

Zu diesem unbehaglichen Gefühl trägt auch die clevere Gestaltung bei. Zwar wirkt alles sehr rhythmisch und auf Wiederholung angelegt - die Musik, die wuselnden Ameisen - aber wenn in dem endlosen Hin-und-her-Hasten der Ameisen irgendwo eine Wiederholungsschleife eingebaut ist, dann ist das nicht wirklich zu entschlüsseln. So kann einem die Viertelstunde deutlich länger vorkommen (im Guten wie im Schlechten, denn lange Zeit wartet man ja vergebens auf irgendeine Entwicklung) und vermittelt einem einen unschönen Einblick ins Gefangensein in einem surrealen, zeitlosen Universum.

Eine filmische Empfehlung kann man dafür nicht unbedingt aussprechen, dafür ist alles zu weit weg vom Film und zu nah dran an postmoderner Installationskunst. Ein interessanter Einblick in die Breite von Lynchs künstlerischem Schaffen ist „Ant Head" aber allemal, und dass er es offensichtlich doch noch versteht, sein Gespür für surreal-unheimliche Motive zu beweisen, macht das Werk für Fans definitiv interessant. Entweder an Lynch oder an aktueller Kunst sollte man aber unbedingt Interesse mitbringen.

Details
Ähnliche Filme