Review

Das Glas ist zu klein für diese Truppe!

Roadtrips boomen momentan im deutschen Film, von „Tschick“ bis „25 km/h“ funktionierte das in letzter Zeit oft richtig gut. Und „Die Goldfische“ ist da keine Ausnahme. Es geht um einen anfangs ziemlich arschigen Fondsmanager, der bei einem selbst verschuldeten Autounfall querschnittsgelähmt wird. Nun lernt er in der Reha die titelgebende Gruppe kennen und kommt auf die Idee, mit ihnen ein Ausflug in die Schweiz zu machen - nicht aus selbstlosen und gutherzigen Gründen, sondern um sein Schwarzgeld aus der Bank und über die Grenze zu holen, da ein Bus voller Menschen mit Behinderung eher selten gründlich vom Zoll überprüft wird... So der Plan. Aber natürlich kommt alles anders und wesentlich chaotischer und komplizierter als gedacht.

„Die Goldfische“ hat meinen Kinosaal zum Kochen gebracht und extrem laute Reaktionen und puren Spaß hervorgebracht. Das muss man erstmal schaffen, das gibt es nur noch selten. Und das nicht mit gemeinem Blödelhumor ala Schweiger oder Schweighöfer, sondern mit dem Gegenteil. Natürlich nicht super clever oder tiefgründig, aber mit einem halben Dutzend Herzen am rechten Fleck, mit einer ganz besonderen Truppe und etlichen klasse Witzen. Für ein Regiedebüt nochmal doppelt bemerkenswert, Alireza Golafshan werde ich im Auge behalten. „Die Goldfische“ wirkt wie eine Mischung aus „Rain Man“ und „Einer flog übers Kuckucksnest“, nur auf sehr witzig und links gezogen. Der komplette Cast macht das super - Tom Schilling und Jella Haase voran, selbst wenn die Liebeschemie zwischen beiden nicht da ist und Schillings Weg und Entwicklung jedem von Beginn an klar sind. Die Nebenfiguren bekommen alle Highlights und Zeit zu scheinen, werden nie zu Klischees und sind durch die Bank sehr cool, echt, fühlbar. Man lacht immer mit ihnen, seltenst bis nie über sie. Es ist ein Film mit Menschen mit Behinderung, nicht über sie. Luisa Wöllisch ist das Herz der Gruppe, Kida Khodr Ramadan wirkt wie immer herrlich normal und Axel Stein spielt den Autisten „Rainman“ einfach grandios und nie zu drüber, sorgt für etliche Insider und Running Gags aus vollster Seele. Ganz er und mit erstaunlich Fingerspitzengefühl, egal wie oft er an diesen schnuppert. Man will alle einfach nur in den Arm nehmen, ohne dass sie zu weich oder klischeehaft oder perfekt gezeichnet sind. Bis auf die erzwungen wirkende Romantik und ein paar überdrehende Momente, habe ich kaum etwas zu bemängeln. Ich mag den Film einfach. Sehr. Und alle Figuren sind mir in unter zwei Stunden heftig ans Herz gewachsen. Und dabei habe ich noch nichtmal alle Witze hören können, weil das Kino einfach zu lange und laut gelacht hat. Die etlichen Menschen mit Behinderung im Kino am lautesten. Super schön. Jetzt schon ein ernsthafter Herausforderer für den Titel der lustigsten deutschen Mainstreamkomödie des Jahres. Ein Publikumsliebling, da bin ich mir sicher. Reingehen und positiv überraschen lassen!

Fazit: herzlich, frisch und anders - „Die Goldfische“ ist sicher nicht perfekt, aber so verdammt unterhaltsam und sympathisch, wie lange keine deutsche Mainstream-Komödie mehr. Wichtig und witzig. Und alles andere als stromlinienförmig und normal. Ein durch und durch liebenswerter Roadtrip mit vielen Behinderungen aber noch mehr Brücken! 

Details
Ähnliche Filme