Review
von Pyri
Nicht einmal für Grabsteine war Geld vorhanden
-
Hierbei dürfte es sich um die ultimative Übung in filmischer Profitmaximierung handeln - auf seine alten Tage hin wandelt Meir Zarchi 2020, bei dem ich mich schon immer gefragt habe womit der sich eigentlich verdingt, somit auf den Spuren von Herschell Gordon Lewis in den frühen Sixties, als Marketing-Experte also, nur dass Effekte hier keineswegs im Vordergrund stehen: für diesen Film brauchen Ästhetiken weder (erst) erfunden zu werden, noch brauchte dafür ein besonderer Aufwand in irgendeiner Form betrieben werden. Nur notdürftige Kreuze kurzfristig auf irgendeinen Friedhof platziert, diverse Fahrzeuge ausgeliehen und ein Stückchen Wald gefunden werden - das übrige Personal fand sich (bis auf Camille Keaton die offenbar extra gefragt wurde) bereitwillig im US-Horrorfundus. No-Budget in Reinkultur und trotzdem Nr. 1 auf Amazon bei den Horrorfilmen (wenigstens in den USA) samt Verkäufen in insgesamt gleich 60 (!) Ländern. Sogar die deutsche FSK spielte mit und winkte den ansonsten menschenleeren Film (der noch vor der Pandemie entstand) durch.
Nun gut: man kann von "Day of the Woman" (1978) halten was man möchte, aber der Originalfilm ist sicher kein "Trash" und vielleicht der schönste seiner Sorte. Wesentlich professioneller gemacht als all seine zugegebenermaßen teils wesentlich früher entstandenen "peers" - wie Wes Craven's "Last House on the Left" (1972) - von filmisch hohem Niveau, gestalterisch und handwerklich tadellos die Ästhetik des damaligen New Hollywood transportierend. Die reißerische Werbung für den Film gab da einen großteils falschen Eindruck davon wieder: vielleicht stieß er auch deshalb auf so große Ablehnung, weil sich einige Zeitgenossen - nicht zu Unrecht - dabei an "Annie Hall" erinnert und deshalb besonders brüskiert fühlten. Und dieser Film? Nichts davon - Diletantismus pur. Und da Zarchi eben beide gemacht hat, jedenfalls seinen Namen am Regiesessel dafür hergab, kann das praktisch kein Zufall sein - ist das so gewollt.
Das fällt besonders ins Gewicht wenn in dieses Machwerk hier zunächst immer wieder (16mm-)Bilder des "ersten Teils" eingestreut werden: das sieht ungefähr so aus als ob sich die klassische Schönheit Camille Keaton, die mich sowieso immer an Diane Keaton erinnert hatte, in einen ausgesprochen stümperhaften Todd Sheets-Film verirrt hätte. Sollte Michael Haneke mit "Benny's Video" am Ende doch Recht behalten?
Bis die ältere Dame im Wald vorbeifährt könnte an eine harmlose Parodie gedacht werden, dann wird aber doch damit begonnen zu enthaupten und zu vergewaltigen. Emotional mitnehmen tut jedoch nichts davon. Ein deutliches Zeichen der Desensibilisierung?
Wohl kaum. Eher eine Folge des Provinztheaters, welches der ganze Film ausstrahlt. Tatsächlich wird hier mehr geredet als sonst was. Alles mögliche scheint erst diskutiert und dann dramaturgisch zurechtgebogen werden zu sollen: Sinn ergibt jedoch nichts davon. Zumindest nicht viel.
Erst Recht nicht der Plot und die Tatsache dass zwischen den beiden Filmen in der Realität über vierzig (!) Jahre liegen: in der Filmwelt scheint diese Zeitspanne nämlich eindeutig nicht vergangen zu sein - einerseits sind die beiden Opfer (das Mutter-Tochter-Gespann) zu alt, andererseits die sich für das "Ergebnis" des ersten Teils rächenden Hinterwäldler zu jung. Rache zum Abgewöhnen also.
Ich bekomme die Handlung so jedenfalls sicher nicht (mehr) in mein Hirnkastel hinein. Wenigstens spielen alle, ausnahmslos alle, was das Zeug hält und stecken viel Herzblut in ihre jeweiligen Figuren.
Zur Message: Menschen mit Behinderungen in Nebenrollen sind ein staple für den amerikanischen Genrefilm seit "Texas Chainsaw Massacre" (1974) das sich bis zu "Baywatch" im Fernsehen weitertradieren lässt. Zarchi will das hier jetzt anscheinend endgültig wissen: ab einem gewissen Zeitpunkt wird der Figur des Herman (dargestellt von Jim Tavaré) die meiste screen time gegeben. Tropen, Konflikte, die ansonsten im Hintergrund passieren würden werden hier plötzlich nach vorn gekehrt - zu viel führen tut ihre Verhandlung allerdings nicht. Ebenso verhält es sich mit dem möglicherweise vorhandenen "Me Too"-Subtext: was möchte uns der Film darüber sagen? Auch hier bin ich mir leider nicht wirklich sicher über die Botschaft, nur soviel dass womöglich auf die "Männer" vergessen werden soll. Der Haupt-Bösewicht in diesem Film ist schließlich eine "Frau" die ihren bösen "Mann" rächen will, warum auch immer, und sich an einer Stelle sogar als Vergewaltigerin versucht: die in "Me Too" den Frauen zugedachte Rolle als passive Anklägerinnen referiert dieser Film jedenfalls nicht (und somit auch nicht das übliche Bild "starker Frauen" - was schon viel Wert sein mag). Geboten wird deshalb vor allem ein menschliches Trauerspiel das eigentlich nur beabsichtigt nachdenklich stimmen kann - zumal, und das ist mit das erstaunlichste daran, die Überlänge von zweieinhalb Stunden "Gewaltpornografie" im Diskurs nichts, aber auch wirklich gar nichts von der gelackten Remake-Trilogie (im konventionellen Stil von Jason Blum) aufweist - außer die Werbung für den Film, welche, einmal mehr, höchst irreführend ist.
-
7/10