Review

Gesamtbesprechung

Gute Güte, was soll man denn davon halten! „Die Insel der 30 Tode", eine Verfilmung des Romans „Die Insel der 30 Särge" von Maurice Leblanc (dem Erfinder von Meisterdieb Arsène Lupin) ist nun aber wirklich einmal ein dermaßen zwiespältiges, da wechselhaftes Vergnügen, dass ein allgemeines Fazit ungemein schwer fällt. Mag sein, dass der TV-Mehrteiler aus dem Jahre 1979 in seinem Entstehungsland ein gefeierter Straßenfeger war, der sich bis heute zahlreicher Wiederholungen im Fernsehen erfreut, was mein Empfinden angeht, blieb die Verfilmung jedoch qualitativ deutlich hinter meinen Erwartungen zurück - und zwar in erster Linie in inszenatorischer, zum Teil aber auch inhaltlicher Hinsicht. Allerdings muss ich gestehen, dass ich weder die Literaturvorlage kenne (die sich wohl in einigen Punkten unterscheidet), noch die französische Sprachfassung der Serie. Die deutsche Synchronisation trägt jedenfalls erheblich zum entstandenen Negativeindruck bei und über die Originalfassung kann ich nicht urteilen.

Das Review enthält leichte inhaltliche Spoiler.

Frankreich 1917. Während der erste Weltkrieg unendliches Leid und Zerstörung in Europa anrichtet, pflegt die junge Véronique d'Hergemont als Ordensschwester in einem Lazarett in Besancon kriegsversehrte Soldaten, bis sie eines Tages in einem Kinofilm die Initialen ihrer eigenen Unterschrift an der Tür eines Hauses entdeckt. Sie reist an den Entstehungsort des Filmes, um der Sache auf den Grund zu gehen. Vor Ort entdeckt sie in besagter Hütte die Leiche eines Mannes, dem man eine Hand amputiert hat. Ihre Nachforschungen führen sie schließlich auf die unheimliche Insel Sarek und zu einer Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit, denn sie wird Zeuge, wie ihr totgeglaubter Sohn seinen eigenen Großvater ermordet. Véronique beschließt, sich dem Geheimnis der Insel und einer uralten Prophezeihung zu zu stellen...

Mag sein, dass „Die Insel der 30 Tode" als Mehrteiler und der damit verbundenen Wartezeit auf die Fortsetzung noch einmal ein Quentchen an Spannung gewinnt. Die DVD Veröffentlichung muss ohne den Cliffhanger-Bonus auskommen, da die einzelnen Episoden zu einem fortlaufenden Film zusammengeschnitten wurden. Dieser lässt sich in seiner Wirkung grob in drei Teile gliedern: eine eher zähe, mit zahlreichen Längen belastete Einleitung, einen atmosphärisch durchaus stimmigen Hauptteil und schließlich ein überdehntes und überdies absolut lächerliches Finale.

Die Einleitung wird in Rückblenden erzählt, in Form von Erinnerungen der Protagonistin auf ihrer Zugfahrt in die Bretagne. Dabei erfährt der Zuschauer von der verkorksten Vergangenheit Véroniques und den Ereignissen, welche aufgrund einer reichlich unglücklichen Affäre, einer erzwungenen Heirat und dem damit verbundenen Zerwürfnis mit dem Vater schließlich zu Véroniques selbstgewähltem Exil im Kloster führen. Die Zusammenhänge wirken in typischer Manier eines Bildungsromans der damaligen Zeit recht konstruiert; vor allen Dingen wurden sie aber reichlich zäh und unspektakulär in Szene gesetzt.In jenen Rückblenden wird auch die Figur von Véroniques Gatten eingeführt - Alexis Vorski - ein polnischer Graf von eher fragwürdigem Ruf, der in seinen kurzen Auftritten bereits durch reichlich peinliches Overacting auffällt. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass Vorski noch einmal eine Rolle spielen wird, ist aber als Zuschauer ziemlich froh, wenn man für geraume Zeit erst einmal von seinen pathetischen Geistesblitzen verschont bleibt.

Véroniques Ankunft in der Bretagne und schließlich auf der Insel Sarek, wo sie Zeuge vieler unheimlicher und rätselhafter Ereignisse wird ist dagegen sehr stimmungsvoll geraten. Alleine schon die Atmosphäre der Naturkulisse lohnt das Anschauen, da fällt es kaum ins Gewicht, dass die Darsteller der skurilen Inselbewohner stellenweise sehr hölzern agieren und die Inszenierung vieler Szenen sehr statisch wirkt. Leider entstehen auch in diesem Teil des Films einige (erträgliche) Längen, zum einen, weil Véronique ab einem bestimmten Zeitpunkt meist alleine durch die Gegend läuft und Dialoge somit grundsätzlich entfallen, zum anderen, weil man der Handlung einfach eine gewisse Redundanz ankreiden muss.

So sorgt die mysteriöse Prophezeihung („Dreißig Särge für dreißig Opfer, ein Stein, der Leben oder Tod schenkt, vier gekreuzigte Frauen") zunächst schon für ordentlich Mysterystimmung; spätestens jedoch wenn man den Spruch zum x-ten mal um die Ohren gehauen bekommt, verliert der Aufhänger um das Geheimnis der Insel doch rasch an Wirkung. Trotzdem bleibt die Inszenierung spannend und interessant; und vielleicht muss man der Verfilmung auch einfach nachsehen, dass man sich zur Entstehungszeit des TV-Mehrteilers einfach mehr Zeit zur Entwicklung der Handlung lassen konnte. Trotz der genannten Mängel kann man bis weit ins zweite Drittel von einem sehr guten Gesamteindruck sprechen.

Zum großen Showdown tauchen dann diverse alte Bekannte wieder auf, allen voran Véroniques Göttergatte Vorski, der hier nun endgültig den Vogel abschießt. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Finale an unfreiwilliger Komik und trashiger Einfalt kaum noch zu überbieten ist. Ist man anfangs noch relativ genervt und enttäuscht, weil die zuvor aufgebaute Erwartungshaltung und subtile Schauerstimmung durch billige Effekte, grottige Dialoge und jämmerliches Overacting nahezu vollständig im Orkus versenkt wird, bleibt nolens volens bald kein Auge mehr trocken. Das Finale wirkt, als hätte man Kinder dabei gefilmt, wie sie die Handlung eines beliebigen Abenteuerfilms nachspielen und sich dabei Sprüche an den Kopf werfen, die ihnen aus der Handlung in Erinnerung geblieben sind. Fast wähnt man sich in einer Produktion Jochen Tauberts á la „Piratenmassaker", der sich zur Abwechslung mal an der Literaturverfilmung eines historischen Romans versucht.

Dreh- und Angelpunkt des Kasperltheaters ist dabei Vorski, der nun völlig over the top agierend fast nur noch in der dritten Person von sich spricht und dabei die denkbar pathetischsten Phrasen von sich gibt („Wir werden sterben - ja, das ist unbegreiflich, aber gewiss."). Dadurch entsteht bisweilen gar der schelmische Eindruck, man werde Zeuge einer unfreiwilligen Parodie auf historische Abenteuerfilme. Kam die Verfilmung zuvor fast vollständig ohne Dialoge aus, beginnt nun ein wahres Echolalie-Inferno!

Um die wirren Zusammenhänge zu erklären (überzuerklären wäre fast zutreffender), darf nun jeder der Beteiligten den Verlauf der Ereignisse noch einmal aus seiner Perspektive schildern, wobei für gewöhnlich lediglich die Aussagen des jeweiligen Gesprächpartners wiederholt oder paraphrasiert werden. Dies geschieht in einer beispiellosen Theatralik, die selbst davor nicht halt macht, belanglose Marginalien über jedes Maß hinaus aufzublasen. Möglicherweise leidet die deutsche Synchro hier besonders an der Übersetzung der Originaldialoge, da desöfteren der Eindruck entsteht, als habe man die elaborierte französische Sprache zum fin de siècle ohne Rücksicht auf Satzbau und Grammatik versucht wörtlich ins Deutsche zu übertragen. Das klingt dann im Ergebnis nicht nur unnatürlich und geschwollen, sondern oft geradezu peinlich und lächerlich.

Natürlich darf es dem Ende auch an dramatisch aufgebauschten Szenen nicht mangeln, von denen aber dummerweise so gut wie keine funktioniert. Die Idee bezüglich des mysteriösen Steins, der MacGuffin um den sich alles dreht und wendet, findet zwar eine ganz nette Erklärung, wurde aber optisch voll in den Sand gesetzt und wird dem ganzen vorausgegangenen Brimborium überhaupt nicht gerecht.

Ein abschließendes Fazit fällt ergo genauso schwer, wie eine allgemeine Bewertung der ganzen Serie. Grundsätzlich ist „Die Insel der 30 Tode" allein schon für Fans nostalgischer Fernsehunterhaltung durchaus einmal sehenswert, schade nur, dass das Ende den Gesamteindruck so sehr nach unten zieht. (5,5 / 10)

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