Review

„Superbad“, oder: Von hier oben sehen menschliche Gefühle so winzig aus.

Nicht ohne Grund wird des Stählernen filmische Antithese gerade dort geboren, wo das strahlende Gegenstück in roten Unterhosen einst seine Reise begann. In ländlicher Idylle, im Heu auf einer Farm, da sind die Voraussetzungen gegeben, um der kindlichen Entwicklung einen natürlichen Verlauf zu geben. Doch die Breyers (Elizabeth Banks, David Denman) lassen sich ein Kuckucksnest ins Ei legen. Bereitwillig sogar. Dankbar, weil es mit dem eigenen Nachwuchs nicht klappen möchte. Brutparasitismus als Himmelsgeschenk.

Das ist eine einfache, ja sogar völlig naheliegende Prämisse in einer von Superhelden überbevölkerten Kinolandschaft. Es geht nicht mehr ausschließlich (aber auch) darum, elterliche Ängste vor der abbrechenden Verbindung zum pubertierenden Kind zu thematisieren. Es geht auch (und vor allem) darum, das narrative Konzept vom Menschenretter mit übernatürlichen Fähigkeiten auf links zu drehen. Kurz gesagt, eine Alternative zum Superhelden-Monopol zu bieten. Die Philanthropie, zentrale Antriebsfeder jedweden Marvel-und-DC-Kinos, wird infolge dessen durch einen Fleischwolf gejagt. An seine Stelle tritt kalte Gleichgültigkeit.

David Yarovesky hat es sich zum Ziel gesetzt, dabei so unbarmherzig wie nur möglich vorzugehen. Comic-Bösewichte aus der konventionellen Comic-Adaption haben vermutlich bis hin zum Genozid alle möglichen Verbrechen begangen, die auch jemand wie ein Präsident begehen könnte – Angriffe aus der Distanz mit verheerenden, jedoch oftmals unsichtbaren Resultaten. Stets bewegen sich die Unterdrücker der Menschheit in einem allgemeingültigen, die ganze Welt betreffenden Rahmen. In „Brightburn“ hingegen werden ohne jede Rücksicht auf Empfindlichkeiten die Konsequenzen übermenschlicher Kräfte an einzelnen Opfern dargestellt, die sich aus moralischer Sicht nichts haben zu Schulden lassen kommen. Glassplitter in Augäpfeln und abgerissene Kiefer sind dennoch ihr Schicksal, gut sichtbar von der anderen Seite der Leinwand aus. Bilder wie aus einem Horrorfilm, der keine Gnade kennt, bloß verkleidet mit dem Gewand einer vom Mainstream akzeptierten Form des Erzählens.

Seine Dramaturgie bezieht das Skript aus der sukzessiven Gestaltwerdung des Villains, der seine kindliche Naivität mit der Zeit wie Eierschalen abstreift, um die wahre Entwicklung dahinter zu entdecken. Es ist im Grunde dieselbe Geschichte, die George Lucas für seine „Star Wars“-Prequel-Trilogie nutzte – hier allerdings auf straffe 90 Minuten komprimiert. In mancher Situation hätte man sich jedoch etwas mehr Sorgfalt gewünscht. Das Umfeld des Jungen reagiert nicht immer emotional nachvollziehbar. Obwohl die Gesamtentwicklung der Geschehnisse durchaus schlüssige Formen annimmt, verläuft sie bisweilen stockend. Gerade gilt das für den von Jackson Dunn überzeugend autistisch gespielten Jungen, dessen emotionale Abnabelung von der Welt noch wesentlich mehr zu Herzen gehen würde, hätte man sich seiner Entwicklung im Detail noch intensiver gewidmet. Das Drehbuch bietet ihm jedenfalls nur wenig Spielraum, um die hochkomplexe Entwicklung seiner Persönlichkeit voranzutreiben. Es ginge dabei darum, noch begreiflicher zu machen, wie Monster zu Monstern werden. Je feiner dieser Übergang bereitet wird, desto glaubwürdiger das endgültige Resulat.

Doch die Anlagen sind vorhanden. „Brightburn“ ist die ambitionierte Suche nach einer Gegenformel zu den Mustern, die derzeit die Kinosäle beherrschen, gesteuert direkt aus der Krippe der Heldenmythologie. In seiner Eigenschaft als Gegenentwurf gehört natürlich auch dieser Film zu den kommerziell leicht auszurechnenden Vertretern, zumal sein Schlussakkord die Bewerbung für eine Fortsetzung einreicht. Eine solche würde jedoch vermutlich nicht zu viel führen, denn was gesagt werden sollte, wurde gesagt – wenn auch bisweilen leicht stotternd.

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