Review

Waisenkind von Kos

„Maelström“ ist als eines der aufsehenerregenden Frühwerke von Denis Villeneuve („Blade Runner 2049“, „Dune 1&2“) noch ziemlich wild, abgefahren und experimentell, erst recht für seine unterkühlten und eher sachlichen späteren Verhältnisse, seinen aktuellen Ruf - aber (nicht nur) deswegen besonders interessant und sehenswert! Erzählt von einem Fisch, der gerade zerschnitten wird (!), geht’s in dem bitteren bis schwarzhumorigen kanadischen Drama grob über eine Frau, die gerade abgetrieben, ihren Job verloren und einen Mann tödlich angefahren hat (!!!), die auf eine harte Probe gestellt wird… 

Parabel der Schuppenflechte

Monochrom, fischig und sexuell. „Maelström“ zeigt eine etwas andere, surrealere Seite des sehr analytisch und kalt wirkenden Villeneuve. Voller Schicksalsschläge, Ängste und Wendungen, erinnert mich das teils an „Amores Perros“. Sehr texturreich, instinktiv und intuitiv. Nicht so dermaßen geplant und gefühlskalt wie Villeneuve manchmal danach wurde. Aber jetzt auch nicht wirklich zugänglich oder mainstreamig. „Maelström“ ist elastisch, wässrig und mitreißend wie ein eiskalter Gebirgsbach. Druckvoll und durchdacht. Natürlich und namhaft. Freizügig und eigenständig. Kein Wunder, dass hier schon viele auf Villeneuve aufmerksam wurden. Damals fast noch näher an Lanthimos als an Scott. Metaphorisch, moralisch, menschlich, parabelartig, unbequem. Und trotzdem mit einem positiven Gefühl am Ende. Hoffnung, Härte, Horror. Schon mit Vorboten für „Incendies“. Irrungen und Wirrungen des Schicksals. Brutal, abstoßend, anziehend. Toller Film. Aber eher abstrakt, glitschig und komplex. Schuppig und schön. Für viele vielleicht Villeneuves vagster und schwächster Film. Von ihm selbst zusammen mit seinem Regiedebüt „August 32nd on Earth“ mal als „Fehlstart“ für seine Karriere betitelt. Aber wenn das dein schwächster Film ist, dann sollte das alles über die Klasse und Qualität dieses Meisters sagen… 

Fazit: dieser Fisch stinkt wunderbar vom Kopf herab… Villeneuve dürfte von mir aus gerne öfters so freaky und frech sein - die formidable Formalität geht dadurch ja nicht direkt flöten! 

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