Gewisse Bilder haben in Filmen universelle Bedeutung erlangt.
So regt sich beispielsweise etwas im Zuschauer, wenn er auf der Leinwand mit der Farbe Rot konfrontiert wird. Rote Rosen als filmischer Schlüsselreiz für die Liebe, rot blinkende Lampen, denen zumeist explosives Chaos folgt, Frauen in roten Kleidern, verführerisch und gefährlich zugleich. Führt uns ein Film auf eine saftig grüne Wiese, entspannen wir uns innerlich, und wird strahlend blauer Himmel in vollem Scope eingefangen, fühlen wir uns frei.
Warum also diese Beklemmung, diese untypische Spannung beim Zuschauer, wenn sich zwei Darsteller in „Infernal Affairs“ auf einem Hochhausdach in Hongkong treffen? Unter azurstem Himmelszelt?
Weil hier mit einem Schlüsselbild gespielt wird. Weil hier ein durchweg exzellenter Film abläuft.
Denn wir wissen um das Schicksal dieser beiden Männer dort oben auf dem Dach, wissen, dass einer von ihnen ein Undercover-Cop, der andere sein einziger Vertrauter ist. Nur hier, über den Dächern der Metropole, kommen sie zur Ruhe. Der Film präsentiert uns diese universelle Entsprechung der Freiheit und zeigt uns gleichzeitig zwei ganz und gar gefangene Personen. Sie sind Gefangene ihrer Rollen, ihrer Pflicht. Ebenso wie das Triadenmitglied, das zur gleichen Zeit undercover als Polizist arbeitet. Ursprünglich nur als Ohr am Feind eingesetzt, hat er eine beachtliche Karriere bei der Polizei hingelegt, verdient gutes Geld. Und so wie den Undercoverpolizisten das Leben im Zwielicht quält, so beginnt auch er sich zu fragen, ob es nicht langsam an der Zeit ist, Position zu beziehen…
Um die buddhistische Lehre einer Hölle auf Erden geht es hier, und um ihren Ausbruch daraus. Hölle heißt Wiederholung, fehlende Wahlmöglichkeit, Spirale. Ob und wie es den Gefangenen dieser Spirale gelingt, auszubrechen, das zeigt uns „Infernal Affairs“ in einer tour de force aus Thriller, Action und Drama. Trotz nahezu völligen Verzichts auf genreübliche Shootouts wird hier permanent an der Spannungsschraube gedreht, weil selbst simpelste Ideen wie Morsecode oder Aktenwälzen fulminant in Szene gesetzt werden. Weil der Film immer wieder einmal mit oben erwähnten Schlüsselbildern spielt. Und natürlich, weil der Zuschauer um die Verbindungen der Protagonisten weiß; Polizist und Gangster kennen sich noch aus ihrer Jugend…
Dass dieser epische Stoff mit seiner generationenumspannenden Handlung gerade einmal knapp 90 Minuten Laufzeit benötigt, mag zuerst skeptisch stimmen, veranschaulicht aber nur einmal mehr Regisseur Laus meisterhafte Arbeit. Kein Wort zuviel, keine Geste unwichtig. Wenn ein Flashback gesetzt wird, dann zu Recht. Verdichtung auf höchstem Niveau.
Die Schauspieler fügen sich ebenso nahtlos ins Geschehen ein, wird hier doch sehr zurückhaltend agiert, das manchmal Hongkong-typische Overacting wird man nicht vorfinden. In diesem Zusammenhang fällt auch die völlige Abwesenheit von „Comic Characters“ auf, welche die düsteren Szenen auflockern, dramaturgisch aber keinem tieferen Zweck verpflichtet sind. Erst in der Rückschau wird einem das enorme Tempo der Erzählung, die sich keine überflüssigen Figuren leistet, vollends bewusst. Da passt es auch, dass wie schon Michael Mann in „Heat“ auch „Infernal Affairs“ kurze Szenen zwischen den beiden Hauptfiguren genügen. Der Versuchung, Hongkongs Superstars Andy Lau und Tony Leung in möglichst vielen Szenen gemeinsam agieren zu lassen, erliegt Regisseur Andrew Lau zu keiner Zeit. Erstens verbietet sich das schon durch das Skript, zweitens entsteht gerade dadurch die elektrisierende Spannung, wenn die beiden sich begegnen. Hier der kühl und bedächtig agierende Lau, dort der innerlich brodelnde Leung. Perfekte Ergänzung.
Die auch von technischer Seite her zelebriert wird: Exzellente Kameraarbeit, welche nicht nur die Protagonisten immer wieder in weiten Räumen einfängt und damit subtil Gefühlswelten kartographiert, sondern auch die Stadt selbst zu einem Charakter der Erzählung werden lässt. Nach weiß Gott wie vielen Hongkong-Cop-Streifen eine beachtliche Leistung. Darüberhinaus kongeniale Musikbegleitung von Chan Kwong Wing, die sich über weite Strecken mit „minimalistisch“ umreißen lässt, nur um plötzlich voll aufzudrehen, wenn es schmerzt. Und dann schmerzt es richtig.
Was bleibt da noch zu sagen?
Ein unaufdringliches Meisterwerk. Selbst an Hongkongs hohen Thrillermaßstäben gemessen ein formell und inhaltlich herausragender Streifen, dessen erstaunlich kurze Laufzeit in einer Zeit vorgeblich inhaltsvertiefender „Extended Cuts“ für Stirnrunzeln sorgen sollte.
In der Kürze… ach, nein, so phrasenhaft wollen wir dann doch nicht enden.