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Eine kleine Insel, mehr Felsen als Eiland, mit einem Leuchtturm darauf, mitten im Sturm umtobten Nordatlantik; schwarz-weiß gezeichnet und in ein quadratisch gerahmtes Bild gefasst, wirkt dieses Setting wie eine Mischung aus Herman Melvilles mariner Romantik und H.P. Lovecrafts Gruselikonographie. Welcher Leuchtfeuerwärter, welcher Mensch würde sich freiwillig für Wochen in solche Isolationshaft begeben, wenn er nicht ein Trauma zu verarbeiten hätte und aus einem anderen Leben fliehen müsste? Eine im weiteren Verlauf übrigens hoffnungslos bedeutungslose Frage, denn auf dieser Schäre gibt es kein Entkommen, die hier gesuchte Zuflucht ist nichts als ein Sprung über die Klippe einer monochromen Kulisse, in der Vergangenheit und Gegenwart zu einer grauen Obszönität verschmelzen. Einer Verwerflichkeit, die keinen Gedanken mehr an Zukünftiges zulässt.

Robert Eggers, der mit „The Witch" (2015) ein Referenzwerk in Sachen künstlerischer Suggestion und Arthouse-Horror schuf, geht den vom ihm eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Erneut zieht sein Kammerspiel seinen Schrecken aus deprimierender Isolation und sich verdunkelnder Perspektive, und wieder fallen die in ihrem Schicksal gefangenen, bemitleidenswerten Protagonisten zunehmend dem Wahnsinn anheim. Das Duo, das hier im Nebel, nächtens oder umnachtet, seinem Ende entgegentaumelt, könnte unterschiedlicher nicht sein: Ein wettergegerbter Seebär (Willem Dafoe) und ein knapp dem Jugendalter entwachsener Schönling mit Schwermut (Robert Pattinson) teilen sich die Insel und das kleine Häuschen, das dem titelgebenden Leuchtturm zu Füßen liegt. Zu wenig Platz jedenfalls, um als Refugium tauglich zu sein und zu unwirtlich, um Seelenfrieden finden zu können. So kommt, was kommen muss. Das Kasernenhofgebaren des Dienstvorgesetzten, sein Schinden des Jüngeren und die daran geknüpfte offenbar selbstzweckhafte Gängelei bewirken die Akzeleration einer allerdings unvermeidbaren Katastrophe. Dabei ist dem Geschehen zu keinem Zeitpunkt zu entnehmen, wann sich der Wahnsinn in die Geschichte oder sich eine Geschichte in den Wahnsinn schleicht.

„The Lighthouse" tut so, als würde er eine Sinnfrage stellen. Als wäre das wellengepeitschte Meer, das die beiden auf der Insel gefangen setzt, ein Element, das elementare Antworten böte. Doch gleicht die immer heftiger tosende See mehr einer kosmischen Suppe, einem amorphen Dunkel, das sich dem Verlangen fragilen Lebens nach sinnstiftender Interpretation entzieht. Greifbarer Inhalt und formulierbare Bedeutung werden auf Nimmerwiedersehen davongespült und bieten so Spekulation und Interpretation reichlich Spielplatz. Dreht es sich hier um Dominanzverhalten Ranghöherer und in Frage gestellte Hierarchien? Geht es um das Psychogramm eines innerlich kochenden Psychopathen, der seine liebe Mühe hat, die ihn quälende Schizophrenie unter dem schon klappernden Deckel zu halten? Oder ist dieses unheilvolle neunzigminütige Lichtspiel vielleicht eine Hommage an den klassischen Gruselfilm? In jedem Fall ist „The Lighthouse" ein Alptraum, und zwar einer, aus dem es kein erlösendes Erwachen gibt, ein Werk, das Rausch und Kater zugleich ist.

Robert Eggers' Film hat Suspense. Egal, wie man zum Gezeigten steht, das muss man ihm lassen. Der antiquierte Seemanns-Soziolekt, in dem sich die beiden Männer austauschen, das rotierende Licht des Leuchtturms, das doch kein Licht ins Dunkel bringt, die nebulöse Beziehung der beiden Hauptfiguren zueinander, die zwischen offener Aversion und sich anbahnender Freundschaft hin und her kippt, das Schicksalhafte, das Konfuse, das Menschelnde der Erzählung - Robert Eggers' Insel bleibt in undurchdringlichen Nebel gehüllt und verschließt sich zufriedenstellender Synthese. „The Lighthouse" ist Spartenprogramm und keine Feierabendunterhaltung. „Wenn du zu lange in den Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein", meinte Friedrich Wilhelm Nietzsche. Vielleicht vermittelt dieses nützliche Aperçu wenigstens einen Eindruck von dem, was hier auf die Bühne gebracht wird: eine Visualisierung der Ästhetik des Abgrunds. 

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