Aye, so macht man das. DER LEUCHTTURM ist ein hervorragendes Exempel dafür, daß ein Film genau dann besonders gut ist, wenn er das Potential hat, einen signifikanten Teil des Publikums abzustoßen. Robert Eggers bemüht für sein Kammerspiel, nach deren verschrobenen Figuren sich Qualitätsschauspieler in der heutigen Kinolandschaft die Finger lecken, nicht einfach eine Erzählung, welche man sich stilistisch wunderbar im Portfolio des eklektischen GRUSELKABINETTS des Hörspielverlags TITANIA vorstellen könnte.
Entscheidender Teil der Inszenierung ist ein stark kontrastiertes Schwarz/Weiß-Bild im nahezu quadratischen Bildformat 1,19:1, welches die beiden Figuren von der ersten Szene in eine klaustrophobische Enge versetzt. Für Freunde vom Expressionismus und frühem Tonfilm zumeist der Weimarer Republik vertraute Bildkomposition wird zur Antithese im Breitbild herumflatternder Saubersupermänner im kaum charakterisierbaren Dutzend. Hier sind es lediglich zwei schroffe Haudegen, welche man vom ersten Furz an auf den Abgrund zusteuern sieht, was sie eindringlich im Detail zum Ausdruck bringen.
Maritime Romantik, durchzogen von Inspirationen aus Leuchtturmwärter-Logbüchern, Ideen von Herman Melville, im Geiste an des Wahnsinnsspitzen eines H.P. Lovercraft angelehnt, belebt die zu Höchstleistungen aufspielenden Willem Dafoe und Robert Pattinson, die in psychologisch dankbaren Motiven wie der Wendeltreppe und einzelnen Ebenen des phallisch gen Himmel ragenden Signalpostens zunehmend aneinander geraten. Im Originalton kaum zu übertreffender Seemannsjargon durchzieht das vom Suff aufgeweichte Machtgefüge, dessen zärtliche Entgleisung sofort vom Spiel der Fäuste durchbrochen und auf engem Raum zu etwas wie einer Überkreuzung von Coleridges RIME OF THE ANCIENT MARINER und Kings THE SHINING kulminiert.
Würde DER LEUCHTTURM zum Hollywood Blockbuster, die Produktionsfirma würde wohl auf eigene Faust ein entmystifizierendes Prequel nachschieben, um den Zuschauer ja nicht in die Verlegenheit einer eigenen Phantasie zu bringen, die ihm Eggers so löblich überlässt. Mit den Figuren im klaren Fokus bleibt dem Publikum nichts anderes, als sich der Logik dieses albtraumhaften Organismus eines Films hinzugeben und abstrakt wirkende Handlungen oder phantastische Elemente auf sich wirken und für sich zusammen setzen zu lassen.
Obschon DER LEUCHTTURM nicht so radikal vorgeht, wie Beispiele des Mitternachtskinos vom Kaliber BEGOTTEN, ERASERHEAD, TETSUO oder VASE DE NOCES, die ich für sich schätze und in deren Ausdrucksstärke sich Robert Eggers für meinen Geschmack noch weiter hätte freischwimmen dürfen, setzt er doch ein ansprechendes Orientierungsbeispiel, mit wieviel Hingabe man Kino auch in der Gegenwart noch zelebrieren kann. Die postmoderne Collage von Stilmitteln der Vergangenheit ist auf diese Art dabei gar nicht störend. Obschon Eggers nicht in Zitatorgien wie Quentin Tarantino verfällt, gelingt es ihm doch, für ihn taugliche Elemente zum Vorteil seines eigenen Gesamtwerks zu verknüpfen. Und wenn er damit schafft, mir fast zwei Stunden lang den Konflikt zweier Männer in der durch die stürmische See klar von der Restwelt getrennten Einsamkeit spannend zu gestalten, kann ich nur anerkennend an meinen Elbsegler tippen.