Schlamm, Blut und Mythos
Matteo Roveres Historien-Epos ist kein seichter Historienunterricht in der Sandalenklasse, sondern ein wuchtiges, atmosphärisches Kinoerlebnis, das von der ersten Minute an mit seiner Intensität überzeugt. Kein buntes Spektakel, kein kitschiges Historiengemälde, sondern eine schmutzige, archaische, geradezu hypnotische Reise zu den Ursprüngen Roms – roh, brutal, und gleichzeitig von erstaunlicher Schönheit. Ein Film der tief atmet, nach Erde riecht, nach Blut schmeckt und nach Schweiß glänzt. Keine leichte Kost, kein Popcorn-Kino für zwischendurch – sondern eine Rückkehr zu einem Genre, das man aus Italien fast schon verloren geglaubt hatte.
Die Geschichte von Romulus und Remus ist so alt wie die römische Mythologie selbst: zwei Brüder, aufgewachsen in widrigen Umständen, eng verbunden und doch zum Konflikt verdammt. Rovere erzählt diesen Mythos nicht als pathetische Legende, sondern als düstere Überlebensgeschichte. Keine ironische Brechung, kein Augenzwinkern – hier wird geackert, geblutet, gelitten. Im Mittelpunkt stehen zwei Männer, die durch Schicksal, Gewalt und Ambition geformt werden. Der Film nimmt sich Zeit, die Brüder nicht nur als mythische Figuren, sondern als Menschen zu zeichnen. Sie schwitzen, sie leiden, sie kämpfen, sie zweifeln. Dabei entfaltet sich ein Sog, der einen tief in ihre Welt hineinzieht. Man spürt förmlich den Schlamm unter den Füßen, das Blut auf der Haut und den Atem der Pferde im Nacken.
Das Drehbuch ist kein Dialog-Feuerwerk, sondern bewusst reduziert. Sprache gibt es hier sparsam, und das ist genau richtig so. Die Figuren sprechen in einer rekonstruierten Frühform des Lateinischen, was den Film noch authentischer wirken lässt. Stattdessen wird viel über Blicke, Gesten, die Körper der Schauspieler und das rohe Setting erzählt. Die Atmosphäre ist von Beginn an so dicht, dass man sie schneiden könnte. Ein Film, der nicht mit Reden erklärt, sondern mit Bildern erzählt – und das passt perfekt zu diesem archaischen Stoff.
Archaismus als Kunstform
Matteo Rovere versteht es, seine Geschichte mit Wucht auf die Leinwand zu bringen. Er verzichtet auf moderne Verklärungen und zeigt eine Welt, die hart und unbarmherzig ist. Nichts ist hier sauber, nichts glänzt – und genau das macht die Inszenierung so stark. Das ist keine geschönte Antike, sondern ein wuchtiges, dreckiges Überlebensdrama. Die Gewalt, wenn sie kommt, ist hart und kompromisslos. Kein CGI-Blutnebel, sondern physisch spürbare Wucht. Wer hier überleben will, muss kämpfen – mit Zähnen, Klauen und Schwertern. Die Brutalität ist nie Selbstzweck, sie passt zur Erzählung, sie gehört zur Härte dieser Welt.
Die Kameraarbeit ist schlicht grandios. Die Bilder sind roh, archaisch und gleichzeitig unglaublich ästhetisch. Roveres Kameramann, Daniele Ciprì, malt mit Schlamm, Feuer und Schatten. Alles wirkt geerdet, dreckig, echt. Die Kamera geht nah ran, scheut keine Wunden, kein Blut, keinen Schmutz. Das Sounddesign selbst ist genauso kompromisslos. Wenn ein Schwert trifft, hört man keinen Hollywood-Klangteppich, sondern blankes Metall, das auf Fleisch und Knochen trifft. Ein weiterer Pluspunkt ist die Ausstattung. Keine glitzernden Kostüme, keine makellosen Rüstungen, sondern Felle, Leder, Dreck. Alles wirkt glaubwürdig, abgenutzt, funktional. Die Kleider sind zerschlissen, die Waffen grob, die Behausungen primitiv – so, wie man sich das frühe, mythische Italien vorstellen könnte. Hier glänzt nichts, hier ist alles durchzogen von Schweiß und Blut.
Auch die Schauspieler liefern ab. Die beiden Hauptdarsteller, Alessandro Borghi als Remus und Alessio Lapice als Romulus, tragen den Film mit einer intensiven, körperlichen Präsenz. Man kauft ihnen jede Schramme, jede Wunde, jede Entscheidung ab. Die Figuren bleiben zwar manchmal etwas archetypisch statt vielschichtig, aber genau das passt auch zu einem Film, der sich nicht als Charakterdrama, sondern als Ursprungsmythos versteht.
Fazit
The First King – Romulus & Remus ist roh, erdig, kompromisslos. Seine größte Stärke liegt in der Wucht der Bilder und der dichten Atmosphäre, die einen unweigerlich in den Bann zieht. Ein intensives, visuell starkes Werk, das beweist, dass das italienische Kino noch immer in der Lage ist, Donner, Dreck und Magie zu vereinen.