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Howard Phillips Lovecraft trennt die Spreu vom Weizen. Wer ihn nicht kennt, kennt vermutlich nicht viel in Sachen amerikanischer Belletristik. Der heute zu Recht in den Olymp gelobte Kurzgeschichtenautor der Zwischenkriegszeit lieferte vor nunmehr einem Jahrhundert die Blaupausen für unzählige, immer wieder neu inszenierte Gruselgeschichten, die, oft in abgewandelter Form, seit Jahrzehnten den zeitgenössischen Horrorfilm mitformen. Außerirdische, die sich mit den Bewohnern eines entlegenen Städtchens paaren („Shadow Over Innsmouth"), untergegangene Kulturen am Südpol („At the Mountains of Madness"), ein unheimlicher Musiker, dessen Melodien transzendent sind („The Music of Erich Zann"), vergöttlichte Meeresungeheuer mit Geschmack am Kaputtmachen („The Call of Cthulhu") und dergleichen Alptraumhaftes ersann der zeitlebens unterbezahlte und erst postum gebührend gefeierte Amerikaner. Doch die ihm selbst liebste seiner Kurzgeschichten war wohl die „Farbe aus dem All". Eine Erzählung, der nun eine mit Spannung erwartete Verfilmung an die Seite gestellt wurde.

Nicolas Cage ist ein alternativ bewegter Familienpapa im ländlichen Neuengland, das, wie jeder hier weiß, meist als Kulisse für Lovecrafts Geschichten herhält. Er züchtet Alpakas, die er melkt und so seine Lieben mit Protein und Calcium versorgt. Die jugendliche Tochter reitet gern auf einem Schimmel durch den Hain und legt hier und da Steinpentagramme an Flussufer, um sich die Zukunft günstig zu stimmen. Vielleicht, weil sie zu viel von Papas Kamelmilch getrunken hat - oder als Baby zu wenig bekommen hat. Jedenfalls sind da auch noch zwei Brüder und eine krebskranke Mama (Joely Richardson, „Der Patriot"), die das hübsche Domizil bevölkern. Doch mit der Schönheit ist es nun vorbei, denn eines Nachts öffnet sich der Himmel und ein kleiner Meteor plumpst in den Garten. Anfangs noch nicht als Bedrohung wahrgenommen, breitet sich bald eine Art Lila infektionsartig über den gesamten Familienbesitz aus und beginnt damit, alles Leben zu töten.

Die fiktive Stadt Arkham, die Miskatonic-University, das kafkaeske Fremde, Alchemie, Nachtmahr - Filmemacher Richard Stanley gibt sich redlich Mühe, werkgetreue Zutaten zu verwenden bei seinem Versuch, einer durchaus kritischen Fangemeinde ein Geschenk zu machen. Dass das nicht leicht ist, weiß jeder, der um den elitistischen Hintergrund eines Großteils der Leserschaft von Lovecrafts Prosa weiß. Dazu kommt, dass Stanley zwar schon lange im Geschäft ist, und doch noch nie mit einem seiner Filme Erwähnenswertes geschaffen hätte oder auch nur irgendwann merklich aufgefallen wäre. Die Frage ist also, bekommt es der gebürtige Südafrikaner gebacken, eine der berühmtesten Geschichten des Urvaters modernen Horrors nicht nur in schicke Bilder zu gießen, sondern auch inhaltlich mit Leben zu füllen?

Visuell ist „The Color Out of Space" leidlich ansprechend. Vielleicht lässt sich das, was man da sieht, wie eine Mischung aus „Mandy" (2018) und „Auslöschung" (2018) beschreiben. Jedenfalls fehlt Richard Stanleys Tableau trotz der implizierten Giftigkeit die Finsternis etwa eines „Dagon" (Stuart Gordon, 2001), der sich zwar von der Vorlage Lovecrafts entfernte, jedoch mit individueller Federführung und atmosphärischer Inszenierung sein kleines Budget erfolgreich kaschierte. Und genau da hapert es bei Stanley. Trotz ambitionierter Trickeffekte und spürbarem Interesse am Stoff bleibt die Inszenierung insgesamt fad und trivial. Gerade die Atmosphäre, das zentrale Moment einer jeden Lovecraft-Erzählung, gerät zu wenig überzeugendem Farbspiel und damit zu einem mangelnd selbstsicheren Diskurs mit dem überkritischen Publikum. Das Kernelement der Handlung, die Lovecraftsche Sinneswahrnehmung, verpufft und mutiert nach wenigen Minuten zu sich prosaisch ausbreitendem Magenta. Dazu kommt, dass Nicolas Cage, der völlig zu Unrecht seit seinem „Face/Off" (1997) als großer Mime gehandelt wird, sich hier in einem Overacting ergeht, dass man meint, der Mann nimmt jemanden auf den Arm. Sein Zuviel an Hampelei und Grimassenschneiden wirkt wie der verzweifelte Versuch, ein merkliches Zuwenig an Kunstfertigkeit des gesamten Projekts auszugleichen.

Es mag sein, dass H.P. Lovecraft gerade deshalb so umschwärmt ist, weil er mit der Vorstellung des Lesers spielte. Weil er nie seine beeindruckende Fantasie in plastische, mit dem Auge konsumierbare Bilder umzuwandeln hatte. Und wenn, dann genügte es, eine Art schauriges Stillleben mitzureichen. Eine Filmproduktion muss allerdings mehr bieten als das. Selbst ein quasi nur für seine märchenhaften Kulissen hochgelobter Horror-Streifen wie „Silent Hill" (2006) bedurfte einer, wenn auch etwas oberflächlichen Geschichte. Richard Stanleys „The Color Out of Space" hingegen ist schlichtweg zu still in Sachen Dramatik und zu leblos in punkto Inspiration. Sich allein auf seine Bilder zu verlassen, ist ein Luxus, den sich nur wenige Regisseure leisten können. Der Macher von „DNA - Experiment des Wahnsinns" (1996) und „Dust Devil" (1992), und das stand zu erwarten, gehört fraglos nicht zu diesem illustren Kreis. 

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