Review

„La coda dello scorpione"


Ernesto Gastaldi (Drehbuch), Lucio (Produktion) und Sergio (Regie) Martino, Bruno Nicolai (Musik), George Hilton und Anita Strindberg (Hauptrollen) - bei einer solchen Anhäufung illustrer Namen des italienischen Kinos läuft dem Liebhaber des Giallos schon während des Vorspanns das Wasser im Mund zusammen. Und wenn dann die erste Sexszene mit JB aus Longdrinkgläsern als Vorspiel (Das war damals wohl die Trinkgefäßmode...) im Schnittwechsel mit einem offensichtlichen Flugzeugmodell verquickt wird und eben dieses Flugzeug mit einem Silvesterknall in Rauch und Funken aufgeht, dann hat sich die Anschaffung des Films schon gelohnt.


Im Anschluss folgen wir einer Geschichte um eine große Versicherungssumme und Lug und Trug, wobei natürlich einige der Figuren das Zeitliche segnen. Natürlich wartet der Plot mit einigen Wendungen auf, so dass „Der Schwanz des Skorpions" ebenso spannend und unvorhersehbar abläuft wie in Martinos „Der Killer von Wien", den ich bisher für einen der gelungensten Vertreter des Subgenres halte. Ernesto Gastaldi achtete dabei aber mehr als andere Autoren auf die Kohärenz seiner Geschichten und fühlte sich grundsätzlich dem klassischen Krimi verpflichtet, was ihn immer wieder abfällige Bemerkungen über die Filme Argentos machen ließ, deren Narration er stets als Verarschung des Publikums sah. Ich gebe ihm dabei recht, denn Filme, die den Zuschauer zum Miträtseln auffordern, müssen dem Zuschauer dann auch eine Möglichkeit dazu bieten. Das tat Argento nie und er holte zum Schluss ja dann die Überraschung aus der Wundertüte, wenngleich ihm dies angesichts der optischen Opulenz kaum jemand übelnahm. Gastaldi schöpfte seine Wendungen aber immer aus einem falschen Spiel mindestens einer seiner Figuren, was dann aber letztlich genauso wenig vorhersehbar war wie Argentos weiße Kaninchen. Aber der Weg dahin kam dafür ganz ohne die großen Logikkrater aus und seine Figuren verhalten sich vergleichsweise nachvollziehbar.

Neben der recht sorgfältig erzählten Geschichte hat aber auch Martino optische Leckerbissen parat. Emilio Foriscot hinter der Kamera fängt beispielsweise die Spannungsszenen ganz hervorragend ein und Martinos Faible für surreale Überästhetisierungen findet sich auch hier, wenn beispielsweise eine Verfolgung über eine Wendeltreppe abgelichtet wird oder bei einem Verhör die Kamera über Kopf von einer Person zur anderen wandert und Teile des Dialogs in einem 90-Grad-Winkel verharrt. Was mir besonders gefällt, ist die bleibende Konzentration auf das Was in solchen Momenten. Trotz der häufigen Handkamera verfängt sich der Film nie in seinen Spielereien und sie bringen lediglich eine etwas fiebrige Atmosphäre ein, wenngleich die Alptraumhaftigkeit eines „Die Farben der Nacht" hier allenfalls im Ansatz zu erkennen ist.

Der Gewaltgrad ist mitunter beachtlich, wenn beispielsweise eine kaputte Flasche in ein Auge gerammt wird, aber alle Gewaltszenen ordnen sich passend ein und eine reine Selbstzweckhaftigkeit ist nicht zu erkennen. Dies gilt auch für die Sexszenen, die hier weniger Raum einnehmen als in anderen Martino-Giallos, was womöglich an der Abwesenheit Edwige Fenechs liegt. Anita Strindberg macht aber auch im Bikini eine gute Figur und auch diese Szenen unterstreichen vielmehr die sommerliche Freiheit auf dem Boot, als nur ein reiner Schauwert für die Trenchcoatträger im Bahnhofskino zu sein.
Die Reisefreudigkeit Martinos führt uns diesmal von London nach Athen, was dem Zuschauer teils wunderschöne Außenaufnahmen (neben Strindberg im Bikini) beschert. Die Tauchszenen bilden dann nochmal ein Sahnehäubchen für einen Film, der bis dahin eigentlich schon sehr viel richtig gemacht hatte und verleihen „Der Schwanz des Skorpions" noch das gewisse Etwas.

George Hilton braviert hier als Versicherungsdetektiv auf Abwegen und wirkt deutlich weniger schleimig als in „Der Killer von Wien", wenngleich ein Powersatz wie „Im Schlafzimmer bist du besser als in der Küche" natürlich schon eine ziemliche Ansage ist, die aber ganz dem Zeitgeist des Entstehungsjahres geschuldet ist.

Die Musik von Bruno Nicolai ist ein Oberkracher und sowohl das Hauptthema als auch die Untermalung der verschiedenen Szenen gehören zum Besten, was das europäische Kino je hervorgebracht hat. Dabei muss man beachten, dass Martino gerade in Spannungsszenen auch auf Musik verzichtet und vorkommende Geräusche so verstärkt werden, dass viele der Mord- oder Spannungsszenen kleine Meisterwerke für sich sind.



Fazit

„La coda dello scorpione" ist ein überaus gelungener und spannender Giallo, der sich frei von allem Schmuddel seiner Geschichte widmet und die Erzählung mit großartigen Bildern und einem genialen Soundtrack anreichert. Dabei werden Genrefreunde mit ein ein wenig nackter Haut, teils recht blutigen Morden und ordentlichem Schauspiel zufriedengestellt. Sergio Martino geht hier wieder einen ganz anderen Weg als in seinen anderen Gialli wie „Der Killer von Wien", „Torso" oder „Die Farben der Nacht". Jeder dieser Filme ist sehenswert und hat seine ganz eigenen Highlights, wobei ich diesem hier zugestehen würde, von allen genannten Filmen am ausgewogensten zu sein. Großes italienisches Genrekino!    

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