Ein junger Mann erwacht nach einer rauschenden Party in einem Raum, der ihm die Türen zur Wahrheit und zur Lüge weist. In letztere Richtung führt ihn ein anderer Mann in ein düsteres Labyrinth einer Scheinwelt voll fauliger Schicksale, Menschen, die sich mittels Drogen zugrunde richten. Die Wahrheit allerdings, so bekommt Frank auf seiner Geisterbahnfahrt vor seinem Tod zu Bedenken, ist mitnichten angenehmer, mitunter sogar noch schmerzhafter... So oder ähnlich scheinen die Schweizer Freaks von den Nuckledustern sich von der Lüge einer vorgegaukelten Realität fernab nüchternen Lebens loszulösen, was man ihnen zumindest als eher authentisch, denn aufgesetzt bescheinigen kann. Hier wird wenig beschönigt, wenn die menschlichen Wracks im spärlich ausgeleuchteten Gang zwischen Wahnsinn und Rausch reichlich kaputt wirken, fast schon wie das böse Erwachen nach der Tripnacht, an die sich Frank gerade noch so erinnert. Tiefergehende psychologische Studien vermittelt dieser Film kaum, sondern begnügt sich mit einer alltagsphilosophischen Betrachtung dessen, subjektiv und surreal. Der Titel kündigt schon an, dass es mehr die Lust daran ist, schaurig schräge Bilder wie ein Elektro Butho in einer stillgelegten Fabrik zu inszenieren, aus denen man gleich noch als Pool für heimische Gothic-Musikclips zehren kann. Oswald Henke in der Hauptrolle ist einigen sicher eher bekannt von den Bands "Goethes Erben" und "Erblast", der Soundtrack ist dementsprechend gruftlastig. Unter den an Marilyn Mansons Videoinszenierungen erinnernden Figuren in dem Schauerkabinett, das die beiden Protagonisten durchqueren, befindet sich übrigens auch der Künstler H.R. Giger, selbst bekanntlich auch kein Kostverächter in Sachen Bewusstseinserweiterung mittels körperfremden Substanzen. Wer sonst die offen humoristischen Kurzfilme der Independentfilmer aus der Schweiz kennt, wird sich hier wundern, denn ihre schrägen Witzchen geben sie bestenfalls im Making Of zum Besten, auch auf Splattereinlagen hat man verzichtet. Einen mitunter morbiden Charme mit einigen Ekeleffekten (wie ein von Maden zerfressener Lebensmittelbrei) kann man "Debilitas" dennoch zusprechen. Was zu einem wirklich verstörenden Eindruck fehlt, ist die Verbindung der schmutzigen Umgebung zum weitgehend unangetastet dort hindurch schreitenden Darsteller, wie in einem von außen betrachteten Albtraum. So wirkt die Synchronisation (in sauberem Hochdeutsch!) etwas steril, ansonsten kann man sich kaum beschweren, denn dieser Kurzfilm ist ein ungewöhnlicher Beitrag aus dem gehobenen Amateurlager, wie er nicht alle Tage vom Himmel fällt. Wer sich nicht auf halbwüchsige Spläddergurken mit Ketchup-FX versteift, sondern die Reife für Inhalte und visuelle Spielereien an der ästhetischen Grenze von Musikclip und Nachwuchs-Arthouse, gepaart mit Horrorelementen mag, sollte hier mal reinschauen. Der Komplettierung halber sei noch erwähnt, dass man sich technisch mal wieder auf semiprofessionellem Niveau befindet, also netterweise ohne Augen- und Ohrenschmerzen für den Zuschauer einen gothiclastigen Existentialismus-Shorty produzierte.
Fazit: Die Nuckleduster machen sich anscheinend ernsthaft Gedanken über Schein und Wirklichkeit sowie das Erwachen nach dem psychoaktiven Nebel. Wer hätte das gedacht. 6/10 Punkten