Review
von Leimbacher-Mario
Niagaramordfälle
„Disappearence at Clifton Hill“ ist ein entschleunigtes, atmosphärisches Krimi-Alptraumchen, das mich mit seinen Details gewinnt, in seinem Gesamtbild allerdings nicht nachhaltig begeistert. Erzählt wird von einer jungen Frau, die als Kind sieht, wie ein einäugiger Junge entführt und wahrscheinlich ermordet wird. Richtig erklären konnte sie sich diese erstaunlich traumatische Begegnung allerdings nie und geglaubt hat ihr selbst ihre Schwester nicht. Nun, Jahrzehnte nach diesem entscheidenden Nachmittag Mitte der 90er, macht sie sich auf zum Schauplatz des Geschehens und in ihre Heimat, nach Niagara Falls, um den verzwickten „Fall“ des verschwundenen Jungen zu lösen...
„Clifton Hill“ bzw. sein Regisseur Albert Shin haben was drauf. Die kanadischen Kleinigkeiten finde ich hier sogar ziemlich geil. Cronenberg als Borderline-Verschwörungstheoretiker, die tröpfelnde, düstere, untergründige Stimmung, der Geist der mächtigen Wasserfälle über allem, die Hommagen an Lynch und Co., der experimentelle und sensible Score, die intensive Hauptdarstellerin. All das sind schonmal Pluspunkte und interessante Spitzen. Doch ganz kommen die netten Puzzleteile bei mir aber nicht zu einem Ganzen zusammen. Ein wenig einschläfernd, mit einer eher generischen Krimistory als Aufhänger, nie endgültig zündend und ganz klar eher Ambiente- und Gefühl-Stück als storydriven. Definitiv auch zu arm an Höhepunkten für mich. Weder allzu gruselig noch schockierend. Auch nicht anders genug, um wirklich lang im Gedächtnis zu bleiben. Immer nur untergründig exzellent, alles darüber hadert mit den eigenen Möglichkeiten. Oder dem Budget. Außerdem ist die Hauptdarstellerin zwar klasse, ihre Figur aber problematisch, oft unsympathisch und von diesem „prägenden Tag“ ärgerlich und nervig verstört. Für die Bewerbungsmappe des Regisseurs, aber irgendwie noch zu halbgar und blass.
Fazit: leider ein wenig plätschernd wie die Wahrzeichen seines Schauplatzes. Dennoch: für Mysteryfans mit Geduld und Gourmetgaumen eventuell ein dezenter Daumen hoch. Cronenberg und sein Podcast, das ungewöhnliche Setting und das schleichende Retro-Feeling haben Flair. Insgesamt leider aber näher an einer Schlaftablette als am Geniestreich. Warm-Up-Krimi-Rätsel. Verträumt und verschachtelt, düster und dicht, langsam und leicht.