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Die Sache mit dem Kult

Es gibt Filme, die wollen gar nicht erst subtil sein. Sie brüllen dich an, reißen dir die Augen auf, packen dich am Kragen und schreien: „Schau mich an, ich bin der nächste Kultfilm!“ Guns Akimbo ist so ein Film. Irgendwo zwischen greller Comic-Ästhetik, „wir wollen unbedingt Tarantino sein“-Attitüde und einer Hauptfigur, die Daniel Radcliffe permanent schwitzend und jammernd durch die Szenerie trägt, versucht dieser Film, sich in die Hall of Fame der Kultstreifen zu schießen. Denn während Radcliffe in Harry Potter noch zauberte, stolpert er hier mit zwei an die Hände geschraubten Pistolen durch ein hysterisches Videospiel aus Fleisch und CGI-Blut. Klingt abgefahren? Ist es auch. Aber leider in erster Linie im Sinne von: „Abgefahren von der Strecke“, denn Guns Akimbo wirkt wie ein Dauerfeuer aus der Brechstange.

Die Grundidee klingt wie eine Mischung aus Internet-Meme und nächtlichem Brainstorming nach zu viel Energy Drink: Ein Loser-Nerd wird gezwungen, in einer Art Gladiatoren-Livestream ums Überleben zu kämpfen, während die ganze Welt dabei zuschaut. Radcliffe spielt Miles, der eines Tages aufwacht und feststellt, dass man ihm buchstäblich zwei Pistolen an die Hände geschraubt hat. Praktisch für die nächste Gaming-Session ist das eher nicht, aber für die Schießbuden-Show namens „Skizm“ schon.

Klingt nach einem schrägen, wilden Ritt, oder? Das Problem: Es fühlt sich nie nach einem echten Ritt an. Eher nach einer holprigen Kutschfahrt, bei der die Räder bei jeder zweiten Szene abspringen. Aus dieser Ausgangslage könnte man Satire basteln, medienkritische Anmerkungen einflechten oder zumindest eine knallharte Action-Komödie liefern. Guns Akimbo entscheidet sich aber dafür alles gleichzeitig zu liefern, nur leider ohne Balance. Die Story wirkt von Beginn an wie eine Aneinanderreihung völlig überdrehter Episoden, die nie einen echten Erzählfluss finden. Der Film hüpft von Szene zu Szene, als hätte jemand die Handlung mit einer Nerf-Gun zusammengeschossen.

Man hat das Gefühl, die Drehbuchautoren hätten sich eine Wand voller Post-its genommen, auf jedes „COOL!!“ geschrieben, und dann wahllos Szenen drumherum gebastelt. Die Dialoge sind mal schräg-witzig, mal einfach nur peinlich. Zwischendurch werden Phrasen über Freiheit, Gewalt und die Abgründe der Gesellschaft eingestreut – doch diese „Sozialkritik“ bleibt so oberflächlich, dass man sie mit einem feuchten Bierdeckel wegwischen könnte. Die angebliche Gesellschaftskritik verkommt zur oberflächlichen Ballersymphonie, bei der man schon nach zehn Minuten weiß: Das führt zu nichts. Statt Tiefe gibt es Dauerfeuer. Statt kluger Pointen nur grelles Dauerblinken. Es ist ein Film, der unentwegt schreit: „Schau, wie abgefahren wir sind!“ – und dabei vergisst, dass wirkliche Kultfilme genau dadurch entstehen, dass sie gar nicht erst versuchen, cool zu sein.

Style over Substance

Visuell will der Film punkten: Neonfarben, überdrehte Kamera, ein Dauerflash aus grellen Bildern. Das Setting ist knallig, bunt, überzeichnet. Die Atmosphäre schwankt zwischen Comic-Exzess und YouTube-Ästhetik. Klar, das kann mal Spaß machen, aber als Gesamtpaket wirkt es anstrengend forciert. Die größte Enttäuschung liegt wohl in den Actionszenen, denn diese hätten der große Spaßfaktor werden können. Stattdessen pendeln sie zwischen „ganz nett“ und „völlig daneben“. Anstatt Adrenalin zu pumpen, pumpen sie vor allem CGI-Blut. Manche Szenen sind durchaus unterhaltsam, einige Schießereien haben Tempo und Wucht. Doch allzu oft kippt es ins Alberne, ins Überdrehte, ins schlicht Lächerliche. Wenn jede zweite Szene nur aus Explosionen, schreienden Bösewichten und schrägen Kamerafahrten besteht, verliert selbst das größte Spektakel irgendwann an Wirkung. Guns Akimbo fühlt sich tatsächlich so an wie die überzogene Parodie einer Parodie.

Man merkt, dass Regisseur Jason Lei Howden unbedingt einen Kultfilm basteln wollte. Überall schreit es „wir sind edgy!“, „wir sind cool!“, „wir sind der neue Fight Club!“. Das Problem: Kultfilme werden nie geplant, sie passieren. The Big Lebowski, Pulp Fiction, Rambo 2 – alles Streifen, die mit eigenem Charme und Substanz nachwirkten, ohne krampfhaft die Hand auszustrecken: „Bitte, nennt uns Kult!“ Guns Akimbo wirkt dagegen wie ein schlecht gelaunter Straßenkünstler, der einem die Gitarre ins Gesicht drückt und schreit: „Find mich bitte verrückt und genial!“ Spoiler: tut man nicht. Selbst die kleinen Popkultur-Referenzen – etwa das Rambo 2 Poster in Miles’ Apartment oder das Harte Ziele-Tape im Fernsehen – wirken nicht wie smarte Easter Eggs, sondern wie aufdringliche Schilder: „Hey, schaut mal, wir kennen echte Kultfilme!“ Blöd nur, dass man sich damit unfreiwillig in den Schatten von Filmen stellt, die tatsächlich Kult sind.

Die Kameraarbeit ist wild, hektisch, flatterhaft. Viel Bewegung, viel Jump Cut, viel Unruhe. Das mag in kurzen Dosen energisch wirken, doch über die volle Laufzeit hinweg ermüdet es. Statt ein Gefühl von „Adrenalin pur“ zu vermitteln, stellt sich eher eine Art sensorische Überforderung ein. Wenn alles ständig auf Anschlag gedreht ist, verliert man das Gefühl für Rhythmus. Es gibt keine Pausen, keine Ruhepunkte, kein Atmen. Ein Dauerfeuer an Reizen, das schnell ermüdet.

Zwei Lichtblicke im Chaos

Hier kommt der vielleicht einzige Bereich, in dem Guns Akimbo punktet: die beiden Hauptdarsteller. Daniel Radcliffe überzeugt tatsächlich als nerdiger Tollpatsch, der mehr in Panik gerät, als dass er Heldentaten vollbringt. Er verkauft das „Hilfe, was mache ich hier?“-Gefühl glaubhaft. Anfangs ist es sogar recht amüsant, ihm beim planlosen Herumstolpern mit Schraubenpistolenhänden zuzusehen. Nur irgendwann nervt es. Aber immerhin wirft sich Daniel Radcliffe mit vollem Einsatz in den Wahnsinn. Samara Weaving als durchgeknallte Killerin Nix ist der wahre Lichtblick: eine Mischung aus Harley Quinn, Rockröhre und Todesengel. Sie bringt eine rohe Energie und einen anarchischen Spaß auf die Leinwand, die dem Film immer wieder ein paar dringend benötigte Highlights bescheren. Der Bösewicht Riktor hingegen bleibt eine Karikatur: psychopathisch, überzeichnet, eindimensional – ein Schurke von der Stange, der in Erinnerung bleibt wie ein halbgares TikTok-Video.

Fazit

Guns Akimbo will verzweifelt Kult sein, schreit „cool“, „stylisch“ und „überdreht“ in jeder Szene – und verfehlt doch genau das, was echte Kultfilme ausmacht: Authentizität, Charme, Timing. Stattdessen bekommt man lose Episoden voller CGI-Blut, flache Charaktere und eine erzwungene Coolness, die einfach nicht zündet. Daniel Radcliffe spielt seinen Loser mit Inbrunst, Samara Weaving rockt als Killerin Nix – doch das reicht nicht, um die bleierne Durchschnittlichkeit des Films zu retten. Wer Lust auf schrille Action ohne Tiefgang hat, mag kurzzeitig unterhalten sein. Wer hofft, hier einen neuen Crank oder Scott Pilgrim zu entdecken, wird enttäuscht.

Am Ende bleibt Guns Akimbo das, was er nie sein wollte: ein durchschnittlicher, überdrehter Actionfilm, den man schneller vergisst, als Radcliffe seine Pistolenhände heben kann. Kult? Eher nicht.

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