Lügen für einen guten Grund
In einer recht großen, wohlhabenden, über die Welt verteilten, chinesisch-amerikanischen Familie bekommt die geliebte Großmutter eine unbehandelbare Krebserkrankung mit der sie nicht mehr allzu lange zu leben hat. Doch die Oma weiß davon selbst nichts und so versucht die Familie diesen traurigen Umstand mit Lügen und Fake-Events zu verschleiern, nochmal ein paar schöne Erinnerungen mit der alten Dame zu erschaffen. Vor alleem ihre Enkelin reist extra aus den Staaten an und verhält sich (verständlicherweise) etwas seltsam, betrübt, zwischen den Kulturen gefangen...
Omi & Me
"The Farewell" ist ein Film in nahezu perfekter Balance. Yin und Yang sind hier am tanzen wie selten. Langsamer Foxtrott. Gerade im Verhalten der Oma hat "The Farewell" enorm kostbar-lustige Stellen und Eigenarten, die jeder (auch ohne chinesische Ursprünge) wiedererkennen sollte. Doch es wirkt nie erzwungen, nichtmal wirklich geschrieben. Das Drehbuch ist enorm feinfühlig und sensibel. Alles sehr natürlich und nachvollziehbar. Obwohl man natürlich einiges über die chinesische Kultur und vor allem ihren Umgang, ihre Einstellung zu Familie, Erfolg, Liebe und den Tod lernt. Doch vieles ist natürlich auch universell. Schrulliges Omaverhalten gehört definitiv dazu. Egal ob diese todkrank sind oder nicht, ob diese aus New York oder China kommen. Dazu fällt hier sogar Awkwafina nicht schlimm auf, ganz im Gegenteil. Sie hält sich wunderbar zurück, ist unser Anker und Anlaufpunkt. Alles ist im Flow und dennoch sehr laidback. Mal lacht man, mal ist man nah am Weinen. Keines davon im Überfluss. Und dennoch stimmt eben die Balance, die Laufzeit, der Pathos und der Kitschfaktor, der nahezu nicht vorhanden ist. Denn immer ist in der dargestellten Tragik und dem langen Abschiednehmen auch mehr als nur ein Funke Humor, Hoffnung und Witz versteckt. Den zu entdecken und aufrichtig zu spüren ist eine Wohltat. Garniert von ein paar klasse Altstars Chinas und einem ebenfalls überraschenden, runden, wahrscheinlich perfekten Ende. Was will man mehr.
Fazit: herzliche und durch den asiatischen Ansatz für uns recht exotische (aber auch vollkommen nachvollziehbare!) Dramödie über Omas, Familie und die Zeit, die man mit ihnen hat... oder auch nicht mehr hat. Nicht ansatzweise so rührselig wie man meinen könnte. Echt schön.