Review

Schneeröschen

Nachdem die Adams Regiefamily (nur echt mit einem D!) mich mit ihren zwei neueren Werken „Hellbender“ und „Hell Hole“ überzeugen konnte - der Erste in seiner persönlich-künstlerischen Art, der Zweite als spaßig-quirligerer Splatterteig - wollte ich nicht lange warten und deren Durchbruch nachholen. „The Deeper You Dig“ von 2019 erzählt von einer Mutter in der verschneiten Pampas auf der Suche nach ihrer angefahrenen und verschleppten Tochter…

Fass ohne Boden

Die Trademarks der Adams' sind auch hier schon überdeutlich am Start - authentische Figuren und Dialoge, eindringliche Bildsprache (hier fast näher am Film Noir als am Horror), persönliche Themen, kalte Atmosphäre, familiäre Nähe und blinde Punkte, ambivalente „Bösewichte“, spirituelle Einflüsse. In all diesen Komponenten kann auch „The Deeper You Dig“ wortwörtlich deutlich tiefer graben als übliche Genreware. Er fühlt sich intimer und kleiner, ehrlicher und ungeschönter an. Nie fake oder zu artsy. Dabei geht’s gegen Ende doch recht weird, wunderbar und stylisch ab. Gerade der blau-eisige Farbfilter erlebt hier einen dritten Frühling nach dem nächsten. Ein Wintergrusler per excellence. Ohne allzu viel Grusel, dafür mit umso mehr Gefühlen. Aus extrem niedrigem Budget wird eine Menge gemacht. Alles andere als aufgebläht oder eingebildet. Seine eigene kleine Welt. Wie Benson & Moorhead mit Herz. Wie ein Alptraum in blütenrein. Spooky Stuff. Aber auch herzzerreißend. Starke Blicke, einnehmende Performances, echtes Zusammengehörigkeitsgefühl. Zwischen „The Lovely Bones“, „The Frighteners“ und „The Changeling“. Nie berechenbar. Ein langsames und unaufhaltsames Abgleiten in den Wahnsinn. Oder zurück zur Normalität. Eine Beziehung zwischen Mörder und Opfer, wie ich sie noch nie gesehen habe. Begabt vom Drehbuch bis zur Umsetzung. Kein Wunder, dass die Adams' spätestens danach schon auf vielen Radaren der Horrorkritiker waren. Ökonomisch und effizient. Rache wurde selten kälter serviert. Und wärmer zugleich. Echo des Todes, Widerhall der Schuld, Verbindung von Tochter und Mutter. Und Mörder. Vergebung und Reue. Eine ganz starke Visitenkarte! 

Verlorene Signale

Fazit: wirklich eindringlicher und sich emotional zerreißender Ghostthriller in der verschneiten Einöde. Family Affair. Ein Paradebeispiel, was für einen guten Film man mit wenig Geld und dafür umso mehr Leidenschaft hinbekommen kann. „The Deeper You Dig“ hat sich bei mir nachhaltig unter die Haut gegraben und er versucht sich seitdem wieder herauszukratzen. Oder vielleicht tue ich das. Leichenschändung reich gemacht.

Details
Ähnliche Filme