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Dieser Film beleuchtet ein kaum bekanntes Kapitel jüngerer Sozialgeschichte. Schwabenkinder nannte man arme Bergbauernkinder aus Tirol, Vorarlberg und der Schweiz, die jährlich im Frühjahr ins Schwäbische zogen, um dort als billige Arbeitskräfte an Bauern verkauft zu werden.
Erzählt wird die Odyssee des kleinen Kaspar (Thomas Unterkircher), der von seinem Vater (Vadim Glowna) aus der Not heraus nach Ravensburg geschickt wird, wo damals der größte Kindermarkt lag und die Bauern um die Mädchen und Jungen feilschten wie um Vieh. Kaspar endet bei Steinhauser (Jürgen Tarrach), einem "Saubauern", der den Jungen tyrannisiert...
Ein optisch brilliant gemachter Film: Faszinierende Landschaftsbilder, die perfekt die trügerische Schönheit zeigen, welche sich im anderen Augenblick in eine weiße Hölle verwandeln kann und allgemein sehr beeindruckende Szenenbilder, die einem das urbayerische der damaligen Zeit nahe bringen. Im Zusammenspiel mit den durch die Reihe weg herausragenden Akteuren, wird das bittere Schicksal des kleinen Kaspar lebendig.
Entscheidenden Anteil an dieser eindrucksvollen Dramatik hat der (Kinder)Hauptdarsteller Thomas Untersteiger, der authentisch und überzeugend die Rolle des verlassenen Jungen spielt. Aber auch Vadim Glowna brilliert - wie immer - in der Rolle des reuigen, treusorgenden alten Mannes, der auf dem Sterbebett die Geschichte von seinem Sohn erzählt bekommt, der nach Jahrzehnten in seine Heimat zurückkehrt.
Zuweilen ist der Film schon etwas zu rührselig geraten, beispielsweise bei der Überquerung der Alpenpässe, während dieser die Kinder sich die Füße blutig laufen und allen Widrigkeiten der Natur trotzen. Hier hat Tobias Moretti seinen Auftritt, der als mitleidiger, schuldbewußter "Kooperator" gezeigt wird.
Aus heutiger Sicht mutet es wie ein böses Märchen an, daß bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges mitten in Europa fünf- bis sechstausend Kinder im Alter von sieben bis vierzehn Jahren wie Sklaven verkauft wurden. Erst als die amerikanische Presse darüber berichtete, wurde das "Schwabengehen" aufgedeckt und 1921 ganz eingestellt.
Der Film ist wirklich sehenswert allein wegen der großartigen Schauspieler und der urwüchsigen Bilder, auch wenn der Dialekt ein wenig störend ist und die sentimentale Dramaturgie etwas überfrachtet wirkt: 7 Punkte.

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