Wer „Tränen der Sonne“ gesehen hat, wird verstehen, weshalb das Bewertungsspektrum hier sehr breit gefächert ist. Die einen können bei einem Actionfilm die falsche Darstellung der politischen Hintergründe verschmerzen und sich ganz auf das Ballern konzentrieren, die anderen können es nicht. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt in diesem Willis-Comeback auf dem harten Action-Sektor gehörte ich zur ersten Kategorie, nur um am Ende doch mit dem nachhaltigen Eindruck kämpfen zu müssen.
Aber zunächst sah ich einen, mich sehr beeindruckenden, straighten Actionthriller aus dem afrikanischen Urwald. Die Anweisung ist kurz und knackig, wie es sich für so einen Film gehört: Willis mit Spezialeinheit rein nach Nigeria, mit Ärztin Dr. Kendricks (Monica Bellucci) raus aus Nigeria. Für die atmosphärisch gewaltige erste halbe Stunde vergesse ich dann sogar einen der schlimmsten Logik-Fauxpässe der jüngeren Kinogeschichte (12 km Marsch durchs Dickicht, nur damit dann der Hubschrauber das Dorf wieder überfliegt – wieso nicht gleich ein paar Stunden früher dort einsteigen?), denn was Antoine Fuqua da abliefert, ist Actionkino der allerfeinsten Sorte. So bedrohlich und schweißtreibend wurde der Dschungel wohl zum letzten Mal beim legendären „Predator“ dargestellt, und das will schon was heißen! Bezeichnend aber, dass im Nachhinein diese Anfangsphase mich auch von der menschlichen Seite am meisten berührte, obwohl gerade da am wenigsten auf Betroffenheit inszeniert wurde.
Erste Zweifel am Unternehmen kommen dann auf, als Willis sich entscheidet, umzukehren und ein Himmelfahrtskommando in Angriff zu nehmen, um die restlichen Dorfbewohner zu retten. Vorher ein Vollprofi, jetzt ein herzensweicher Mensch. Sicher, das ausgerottete Dorf aus der Luft hinterlässt seine Spuren, rechtfertigt aber nicht, dass er seine Mission gefährdet. So weit, so gut, die Reise geht also ins benachbarte Kamerun, die einheimischen Rebellen nehmen aber gleich die Fährte auf. Es folgt eine abermals spannende Mittelphase, die aber immer wieder ins Betroffenheitskino abgleitet und uns vor Augen hält, wie schlimm es in Afrika ist und wie viel die Amerikaner dafür tun, diese Scharte auszuwetzen. Das geht dann leider so weit, dass alle NAVY-Seals hier ihr Leben aufs Spiel setzen, um der Bevölkerung etwas Gutes zu tun und uns eine grässlich mit Pathos getränkte Texttafel zum Schluss erklärt, sämtliche Auslandseinsätze der USA seien eine zutiefst mutige, gute Entscheidung gewesen.
Überhaupt der Schluss: Fuqua ist technisch weiterhin voll auf der Höhe, aber was plötzlich in die Figuren fährt, muss mir schon mal einer erklären. Völlig hirnrissige Entscheidungen, wohin man blickt, man kommt nur zu der Erkenntnis, dass hier alle ihr eigenes Todesurteil unterschreiben, wenn sich die Special Forces aus 30 Metern Entfernung einer Übermacht von gut hundert Guerillas stellen. Willis tut natürlich alles, um seine Truppe da raus zu hauen, überlebt selbstverständlich selbst und sagt uns: Mann, die Amis, das sind mal wackere Kerle! Komischerweise kratzt es einen aber herzlich wenig, wenn einer aus seiner Spezialeinheit ins Gras beißt, weil Fuqua es versäumte, auch nur einem von ihnen ein denkwürdiges Profil zu verpassen. Bei „Predator“ habe ich bis heute keines der markanten Söldner-Gesichter vergessen, das nur zur Info.
Es ist offensichtlich, was „Tränen der Sonne“ fehlt, damit die Leute noch in 20 Jahren darüber reden. Es ist mit Sicherheit nicht die Technik, nein, denn inszenatorisch kann man Fuqua überhaupt keinen Vorwurf machen. Es ist vielmehr die mangelnde Fähigkeit, eine simple Geschichte so umzusetzen, dass uns die Unzulänglichkeiten nicht auffallen, dass wir bis zum Schluss gebannt dran bleiben und uns die Intelligenz des Ganzen am Allerwertesten vorbei geht. Ich will in diesem Fall keinen menschelnden Bruce Willis, ich will verdammt noch mal einen geradlinigen Actionkracher, der politisch nicht Stellung bezieht (vor allem dann nicht, wenn die Aussage derart bedenklich ist wie hier) und bei dem ich nicht mit dem Holzhammer darauf hingewiesen werden muss, wer Gut und Böse ist. Arnie hat nie gemenschelt, sondern gemetzelt (soll jetzt aber keine pauschale Beweihräucherung von Hirnlos-Action sein) und hätten sich die Macher auf ihre Stärken besonnen, so wie in der Anfangsphase, hätte ich schon der alten Zeiten willen ein Fass aufgemacht. So bleibt ein ideologisch fragwürdiger, stark moralisierender Actionkracher, bei dem man seine Gedanken, was die Realität betrifft, vollkommen vergessen muss, um ihn bedenkenlos genießen zu können. Wer das kann, wird aber in der jüngeren Filmgeschichte auf diesem Sektor wenig Besseres finden. Leider.