Welcher Übersetzungskünstler war denn hier am Werk? Aus der „Stadt des Glücksspiels“ (gemeint ist Mailand, wo Trickbetrüger Luca seine Kasse aufpolieren will) wird eine „Hetzjagd ohne Gnade“, von der zu keiner Zeit weit und breit etwas zu sehen ist. Falls da jemand mit einem reißerischen Titel auf mehr Kundschaft aus war, ist der Plan definitiv nicht aufgegangen, denn „Gambling City“ gehört zu den eher unbekannten italienischen Filmen der 70er Jahre. Aufgrund meiner Erfahrung mit dämlichen deutschen Alternativtiteln solcher Werke hab ich auch keinen Actionfilm oder Poliziotto erwartet, sondern (wie es die Inhaltsangabe nahelegt) das Portrait eines Pokerspielers, der sich mit Frauen, deren Freunden und Leuten, die er abgezockt hat, rumschlagen muss.
„Schlagen“ ist ein gutes Stichwort, denn die heißblütigen Italiener halten nichts von langen Diskussionen bei Meinungsverschiedenheiten, sondern prügeln gleich los oder zücken ihre Waffen. Luc Merenda, der von den bekannten Italo-Gesichtern die ideale Besetzung für den gerissenen Luca darstellt, hatte mich mit seinen Grimassen gleich im Sack, und wenn es handfest zur Sache geht, kickt und slapt er die Angreifer meistens lässig weg wie ein Staubkorn vom maßgeschneiderten Anzug. Hin und wieder wird es auch brutal, und nachdem er dem Sohn des Casinochefs die hübsche Freundin ausgespannt hat, muss er sich fragen, ob sein Lebensstil eine Zukunft hat, denn bei Maria tickt schon die biologische Uhr und ein Wanderzirkus von einem Spielplatz zum anderen mit Anhang ist auch nicht jedermanns Sache.
Sergio Martino, von dem ich bisher nur Gialli gesehen habe, kredenzt uns hier einen Mix aus Krimi, Drama und Liebesfilm, der erstaunlich gut funktioniert. Schnörkellos werden innerfamiliäre (auch die der mafiösen Gegenseite) und entwicklungspsychologische Themen in das Grundgerüst eingewoben, sodass die knapp 100 Minuten den Zuschauer stets bei Laune halten. Besonders einfallsreich ist die Story natürlich nicht, aber es muss schließlich nicht immer hochkomplex zugehen, vor allem wenn ein Film das gar nicht sein will. Das mediterrane Flair soll Lust auf Glück im Spiel und in der Liebe machen, wobei nicht vergessen wird, auch auf die Schattenseiten dieser menschlichen Bedürfnisse hinzuweisen. Die flotten Sprüche und zünftigen Keilereien sollen unterhalten und die Darsteller amüsieren. All das schafft „Gambling City“ wenn man eine Affinität zum damaligen Italokino hat – 7/10.