Review

Argentinien im Jahre 1976. Das Militär putscht sich erfolgreich an die Macht und verordnet dem zerrütteten Land die nationale Reorganisation, die mit brutaler Härte vorangetrieben wird. Mittendrin ein Zeitungsherausgeber namens Timerman, auf dessen autobiographischen Schilderungen dieser Film beruht.

Um es vorwegzunehmen: es handelt sich um eine TV-Produktion, deren Unterhaltungswert nicht besonders hoch ist. Dennoch weist der Plot ein gewisses Maß an Originalität auf, das sich allerdings, und genau da liegt der Haken, einzig und allein aus der tendenziösen Inszenierung und Klischeereiterei speist. Obendrein schwimmt im Fahrwasser der eigentlichen Geschichte eine aufdringliche Botschaft mit, die dem Zuschauer beständig suggeriert, Timerman (gespielt von Roy Scheider) sei nicht allein wegen seines oppositionellen Verhaltens, sondern auch und gerade aufgrund seiner jüdischen Herkunft in Ungnade bei den neuen Machthabern gefallen.

Was sich auf der Video-Hülle wie ein spannendes Drama liest, ist in Wahrheit ein eher langweiliges Polit-Märchen mit Anleihen an die Wirklichkeit, in dem Gut gegen Böse kämpft. Überfrachtet mit politisch Korrektem, das sich einem über die gesamte Länge des Films in's Unterbewußtsein schleicht und das man aufgrund seiner permanenten Präsenz kaum abzuschütteln in der Lage ist, dient der Film einem einzigen Zweck, nämlich der historischen Gestalt Timerman (mit ihrem offensichtlichen Hintergrund) ein Denkmal zu setzen. Um dieses Ziel zu erreichen, ziehen die Filmemacher gnadenlos Mitleids-Register um Mitleids-Register. Das heroische Gute, das im Alleingang gegen das faschistoide Böse, Willkür und Unterdrückung in's Feld zieht, unschuldig im Gefängnis landet, Folter und Diskriminierungen zu überstehen hat, sich dabei ungeheuerlicher (eher ungeheuerlich übertrieben inszenierter!) Anschuldigungen erwehren muß (Stichwort "jüdisches Weltherrschaftsstreben"), allen Widrigkeiten zum Trotz mutig standhält, um am Ende den moralischen Sieg davonzutragen.

Das sich unterschwellig durch den Film ziehende Thema des sog. "Antisemitismus" findet seinen absurden Höhepunkt in einer durch und durch konstruiert anmutenden Verhörszene, in der sich Timerman einem Psychopathen gegenüber sieht, der dermaßen asozial agiert, dass es schlichtweg an Satire grenzt. Doch damit nicht genug! Man glaubt es kaum (im wahrsten Sinne des Wortes!), doch besagter Oberfiesling war, man lese und staune (Achtung: Spoiler!), bis vor kurzem noch Timermans Freund, dem sich dieser in seiner Not sogar noch anvertraut hat und der ihn nun auf geradezu groteske Weise verrät. (Erinnert stark an Ben Hur.)

Wie bereits erwähnt, basiert der Film auf einem Buch, das besagter Jacobo Timerman, ein in der Ukraine geborener Jude, der seit 1928 in Argentinien lebte und dort ab den 60ern als Zeitungsherausgeber und prominenter Kommentator für Radio und TV tätig war, unter dem Titel "Prisoner without Name, Cell without a number" verfasst hat. Ich möchte das an dieser Stelle ausdrücklich betonen: sowohl die Drehbuchschreiberlinge (Silberman & Drexell) als auch die Regisseurin (Yellen) hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, das autobiographische Material den Schilderungen und historischen Fakten entsprechend so aufzuarbeiten, dass man sich als Zuschauer ein Bild von den damaligen Ereignissen machen kann, OHNE am Ende fast schon ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weil einem die totale Fixierung auf Timermans Person irgendwann auf den Senkel geht und einen obendrein das ungute Gefühl beschleicht, dass in bestimmten Szenen ganz bewußt auf Übertreibungen gesetzt wurde. Filme mit realem Hintergrund sollten sich dadurch auszeichnen, dass sie dem Zuschauer die Möglichkeit einräumen, das Gezeigte immer auch aufgrund eigenen Hintergrundwissens beurteilen und interpretieren zu können. Der vorliegende Film verweigert einem diese Möglichkeit hartnäckig, indem er beständig suggeriert, es gäbe überhaupt nur EINE Möglichkeit, das Gesehene einzuordnen. Selbst wenn dies so wäre, was an dieser Stelle schon aus Platzgründen nicht thematisiert werden kann, müsste man angesichts der Penetranz, mit der die subjektive Sichtweise Timermans hier ausgereizt wird, protestieren. Meines Erachtens gibt es nichts Schlimmeres und Entmündigenderes im Filmgeschäft als moralisierende Filmemacher, die dem Zuschauer durch ihre Schwarz-Weiß-Malerei direkt oder indirekt vorgeben, was er zu denken (resp. von dem Gesehenen zu halten) hat. Eben dieses Vordenkertum ist dem Film inhärent, und zwar permanent, von der ersten bis zur letzten Minute. Das Mittel der Wahl ist dabei die Emotion. An die Stelle der Information tritt eine weinerliche Larmoyanz, eine Art Dauergefühlsduselei, mit deren Hilfe historische Hinter- und Beweggründe einfach ausgeblendet werden. Ein bewährtes Mittel, um Mythen zu erschaffen.

3/10

3 Punkte für Scheiders solide schauspielerische Leistung, sowie die Kunst der Suggestion, die sich der überwiegenden Zuseherschaft aufgrund der auch heute noch üblichen political correctness wohl kaum erschließen wird. Technisch gesehen handelt es sich um einen TV-Film auf eher niedrigem Niveau. Spannung kommt sogut wie nie auf, über weite Strecken herrscht pure Langeweile. Scheider steht von Anfang bis Ende im Mittelpunkt und ist so ziemlich der Einzige, der durch schauspielerisches Können punkten kann. Gar nicht erst thematisiert werden die Hintergründe, die den Putsch ausgelöst haben. Kein Wort über den katastrophalen Zustand, in dem sich das Land bis Mitte der 70er Jahre befand, kein Wort über die Montoneros, die ERP und die Spaltung der Gesellschaft. Auch auf den 'Proceso' wird nicht näher eingegangen. Wichtig scheint den Machern nur gewesen zu sein, dass Timerman für jeden ersichtlich der "guten Seite" angehört und sein Opferstatus zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in Frage steht. Dass sich ein solches Bild sehr viel leichter transportieren lässt, wenn Ursächlichkeiten simplifiziert und die Motive der Gegenseite ausgeblendet werden, versteht sich von selbst..  

Fazit:
Wer diesen Film weiterempfiehlt, wird seine ganz persönlichen Gründe haben. Objektiv gesehen gibt es mehr als einen Grund, einen großen Bogen um diesen "Höllentrip" zu machen!

Timerman siedelte nach seine Freilassung übrigens nach Israel über, während sein Sohn lange Zeit in den Vereinigten Staaten lebte und studierte, bevor er Karriere als argentinischer Botschafter in den USA machte und später gar zum Außenminister von Argentinien unter Christina de Kirchner aufstieg.

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