Glen Morgan und James Wong, die beiden Autoren-Wunderkinder von AKTE X, hatten sich nach ihrem Ausstieg bei den X-Akten durch eine Anzahl verschiedenster Projekte gewuselt. Chris Carters Zweitkind MILLENNIUM wurde ebenso von ihnen betreut wie ihre eigene Serie, der Science-Fiction-Krieg SPACE: ABOVE AND BEYOND. Dann ging es ab ins Kino, wo die beiden mit FINAL DESTINATION gleich mal einen kleinen Reisser hinlegten. Flugs noch den leicht trashig angehauchten Jet-Li-Prügler THE ONE hinterhergeschoben, der ebenfalls sein Publikum fand. Alles in Butter. Doch dann entschlossen sich die beiden, eigene Stoffe mal hinten an zu stellen, es mal mit einem Remake zu probieren. Der weitestgehend unbekannte 70er-Jahre-Horror WILLARD sollte es sein, der aufgepeppt wurde. Eine unglückliche Wahl, wie sich herausstellen sollte.
Die Grundidee ist natürlich ganz nett: Ein Mann, der von seiner Umgebung verachtet wird, schlägt zurück. Tyrannisiert vom Chef, belächelt von den Kollegen, gegängelt von der eigenen Mutter, hat Willard es nicht leicht. Seine Rückgratlosigkeit macht ihn für jeden zum ultimativen Opfer, und seinen Job hat er sowieso nur aufgrund seiner familiären Anbindung an die Firma seines verstorbenen Vaters. Und was macht ein Ausgegrenzter, der ganz allein ist? Andere Ausgegrenzte suchen. In Willards Fall, tja, sind das nun die Ratten im Keller seines Hauses. Und sie scheinen ihn nicht nur zu mögen, nein, sie gehorchen ihm auch noch! Was für Möglichkeiten sich da auftun: Die Verstossenen schlagen zurück...
Und wenn es nach Morgan und Wong gegangen wäre, dann hätten sie dies auch auf höchst blutige Art und Weise getan. Die Ratten hätten nur so drauflos gesplattert, aber irgendwie war das den Verantwortlichen bei New Line zu heftig. Seltsam, bei einem sonst nicht gerade zimperlichen Studio. Man wollte das Projekt eher in die Nähe "Schwarze Komödie" gerückt haben. Kein Problem, dachten Morgan/Wong, und damit begann ein endloses Umschneiden des Materials und ein nicht enden wollender Spießrutenlauf des Films durch diverse Testvorführungen, die immer wieder unterschiedliche Ergebnisse hervorbrachten. Man war reichlich verwirrt, schnitt eine die-gefällt-vielleicht-allen-Fassung zusammen, schickte sie in die Kinos, und floppte kolossal. In Deutschland kam der Film dann gleich als DVD-Premiere heraus, Klappe zu, Ratte tot.
Was ich mit dieser etwas länglichen Produktionsgeschichte sagen möchte, ist, dass man WILLARD dieses Hin und Her seiner Entstehung leider ansieht. Unentschlossen schwankt der Film zwischen bizarrem Humor, blutigen Eskapaden und dem Versuch eines Charakterdramas herum und findet kein wirkliches Zentrum. Er dehnt sich in alle Richtungen, kommt aber nirgendwo an. Für Splatterfans fließt zu wenig Blut, und für Fans schwarzer Komödien ist der Film zu trocken geraten. Da geht es ja in MÄUSEJAGD bisweilen biestiger zu. Die Figur des Willard, seine Lebensumstände, hätten da noch einiges mehr hergegeben. Ich will sinnlosem Gemetzel jetzt nicht das Wort reden, aber wenn man so einen Film sieht, dann will man doch auch erleben, wie der Charakter auf breiter Basis Rache nimmt. Morgan und Wong wären gut beraten gewesen, sich auf eine Zielgruppe zu beschränken, statt es allen recht machen zu wollen. Schade, denn die beiden haben doch mit FINAL DESTINATION und ihren Werken bei AKTE X (ich sage nur "Blutschande") bewiesen, dass sie auf den Massengeschmack ungern Rücksicht nehmen und gerade damit Erfolge landen.
Sei es, wie es sei, ein schlechter Film ist WILLARD keineswegs. Kamera und Regie erzeugen ein angenehm nostalgisches Flair vergangener Horrorfilme, einige Szenen zeigen deutlich, was der Film hätte sein können (Kater auf dem Schrank) und auch die Schauspieler passen perfekt in ihre Rollen. Der leider viel zu selten zu sehende Crispin Glover gibt hier mal wieder den Irren vom Dienst und schillert in allen Facetten zwischen "Kleiner Wurm im Alltag" und "Dunkler Rattenkönig". Eine geradezu klassische Performance. Und R. Lee Ermey ist als fieser Sack natürlich auch ein sicherer Kandidat. Kann er überhaupt mal nett sein? Keineswegs zu vergessen ist hier natürlich Ben, die Riesenratte, die hier so manche Szene stiehlt. Was der mit seinen Blicken alles ausdrückt... diese Ratte war auf einer Schauspielschule oder kommt vom Theater, ganz klar.
Die schauspielerischen Leistungen halten einen dann auch bei der Stange, wenn der Film dramaturgisch mal wieder absinkt.
Es hätte also wesentlich mehr bei diesem Film herum kommen können, wenn man eine etwas härtere Gangart gewählt hätte, was sowohl Horror- als auch Humorgehalt betrifft. Vielleicht sollten sich Morgan und Wong doch wieder auf eigene Ideen verlassen. Dann spielt auch das Publikum wieder mit.
Es gehört eigentlich nicht hierher, aber ich möchte an dieser Stelle dennoch die deutsche DVD des Films empfehlen, die in einem sehr ausschweifenden Making of namens "Year of the Rat" die Produktionsgeschichte von WILLARD durchleuchtet. Ein sehr angenehmer Blick hinter die Kulissen, der nicht nur viel über die Mechanismen Hollywoods mit all ihren Marktanalysen aufdeckt, sondern die Beteiligten sich auch gnadenlos ehrlich zum Misserfolg des Films äussern lässt. Mustergültig.