Gesamtbesprechung
Zeitlich ziemlich unpassend veröffentlicht (manch einer mag hier von mangelnder Pietät sprechen) aber zum Zeitpunkt des Drehs war Covid-19 nun noch nicht in ihrem heutigen (April 2021) Ausmaß in Sicht, ist Josh Boones optisch aufgehübschte Mini-Serie nach dem nach wie vor als Referenz geltenden Stephen King-Mammut-Werk zum Thema "Seuchen" leider nicht die grandiose Neuverfilmung geworden, die man sich erhoffen konnte.
Obwohl der Cast aufhorchen liess, Kings Sohn Owen als Executive und Autor beteiligt war und der Meister selbst einen neuen Epilog als Drehbuch für Folge 9 beisteuerte, kann die CBS-Serie leider nicht den Charme des Mehrteilers von 1994 erreichen.
Die Gründe dafür sind nicht so ganz eindeutig zu benennen aber insgesamt krankt das Projekt aus meiner Sicht daran, dass Serien-Schöpfer Josh Boone & Benjamin Clavell zwar den Umfang und die Komplexität der Vorlage stets im Blick haben und auch von der Laufzeit her mehr Zeit in die Entwicklung der Charaktere und Entwicklungen investieren konnten, es aber schlichtweg nicht getan haben!
Der Vergleich mit Mick Garris' Version drängt sich auf und daher ziehe ich diesen natürlich auch in meinem Review:
Bei all der knuddeligen Optik dieser Version, den - aus heutiger Sicht - alles andere als gut gealterten optischen Effekten, den mehrheitlich ziemlich gegen den Strich gecasteten Darstellern und der ab der Hälfte etwas gemächlich inszenierten Handlung hatte diese ihre Existenzberechtigung bis heute durch ihren Charme einer TV-Großproduktion, inszeniert von einem King-Kenner nach einem Drehbuch von King selbst und ihrem leicht seifenopernhaften Stil.
Dass man nicht unbedingt den Horror-Anteil bei einer Neuverfilmung einer bereits existierenden Film-Variante eines King-Werkes erhöhen muss, um mehr den Geist der Vorlage zu atmen, hat Regisseur Andy Muschietti bei seinen beiden "ES"-Kinofilmen bewiesen, die zwar reichlich effekthascherisch den übernatürlichen Teil der Roman-Vorlage hervorarbeiteten aber deshalb noch lange nicht die bessere Adaption ablieferten.
"Das Schicksal ist ein mieser Verräter" war das bisherige Highlight in Boones Filmschaffen, warmherzig, nachvollziehbar und stets menschlich mit gut gezeichneten Figuren und Darstellern, die wirklich gut zu ihren Rollen gepasst haben.
Nun mag Josh Boone ein Stephen King-Fan erster Stunde sein und sich das Projekt "The Stand" lange gewünscht haben aber nach "The New Mutants" und vorliegender Mini-Serie finde ich, dass er das Konzept von horrormässigem Erzählen leider so gar nicht in filmischer Hinsicht herüberbringt.
"The Stand" ist hervorragend bebildert (alleine die Abspann-Montagen sind grandios gestaltet), der Soundtrack, bzw. die Songauswahl der Serie passt wie die Faust aufs Auge, die Art des Erzählens (in Rückblenden und dadurch antizyklisch) orientiert sich an den besten Folgen von "The Walking Dead", die Effekte sind auf sehr hohem Niveau und die Darsteller - zumindest optisch - passend ausgesucht. Grippe-Opfer und Splatter-Effekte sind schön eklig designt und ausgeführt.
Soweit die handwerklichen Vorteile, die meine Wertung der Serie um 2 Punkte anheben.
Leider sind die Darsteller zum allergrössten Teil zu ihren Rollen unpassend ausgewählt und die Art, durch die Schilderung ihrer Einzelschicksale Sympathien zu erwecken bzw. den Zuschauer mit ihnen mitfiebern zu lassen, geht auch vollends daneben.
Zu keiner Zeit hatte ich einen nenneswerten Sympathieträger in einer der 9 Folgen ausgemacht (mit Abstrichen vielleicht die Neben-Charaktere Tom Cullen, Teddy Weizak und den Hund Kojak) noch ist die Art der Auseinandersetzung der Darsteller mit ihren von King durchaus differenziert erdachten Figuren befriedigend.
James Marsden spielt, so wie er aussieht: den All-American-Hero. Dermassen routiniert und politisch stets korrekt und unaufgeregt stelle ich mir einen Mann aus Texas, den man entführt hat, ohne Angabe von Erklärungen gefangen hält und zu keinem Zeitpunkt weiss, was er zu erwarten hat, nicht vor.
Amber Heard als Lehrerin mit erzwungender Mutterrolle ist zu keinem Zeitpunkt glaubhaft und wirkt eher wie in Trance - ihre Wandlung im Laufe der Handlung ist offensichtlich als nuanciertes Spiel der leisen Töne angelegt aber funktioniert ebenfalls für mich nicht.
Owen Teague gelingt es immerhin, den enttäuschten Aussenseiter mit jokerhaftem Grimassieren halbwegs authentisch rüberzubringen, während Whoopie Goldberg alleine durch ihre Präsenz einen darstellerischen Anker darstellt. Ihre Figur bleibt eindimensional und als Heilsbringerin und Sprachrohr der Guten ist sie absolut verschenkt.
Selbst die Figur des schwarzen Mannes Randall Flagg ist in ihrer Konsequenz nicht bis zum Ende gedacht und eher als eine Schiessbudenfigur im Cowboy-Outfit angelegt, die zu keinem Zeitpunkt bedrohlich wirkt. Sein Vorgänger in "Der dunkle Turm",
Matthew McConaughey, hat Alexander Skarsgard bereits zeigen können, was mit diesem Charakter möglich ist aber gegen eine dermassen eindimensional geschriebene Figur kann der Darsteller leider nichts ausrichten.
Dass sich "The Stand" bei all der mannigfaltigen Figurenschwemme, die Clavell und Boone aus der Vorlage herübergerettet haben, nur auf ein paar Einzel-Charaktere verstärkt konzentrieren muss, ist natürlich klar, dass man aber diese wie am Reissbrett entworfene Knallchargen agieren lässt, kann ich als Fan von Vorlage und Erstverfilmung nur übel nehmen.
Immerhin gelingt es wenigstens Jovan Adepo, den im Roman eindeutig als Arschloch charakterisierten Larry Underwood zum grössten Sympathieträger in der Serie zu machen - wenn das Absicht sein sollte, gelingt es sehr gut.
Odessa Young ist aber für mich die eklatanteste Fehlbesetzung der Serie, denn sie wirkt zu jung, gibt sich in ihrer Rolle zu unerfahren, ihre Figur Frannie (immerhin eine der moralischen Säulen der Vorlage) bleibt profillos und zickig und macht auch optisch zu keinem Zeitpunkt eine glaubhafte Wandlung durch - selbst als geschwitzte "Leichennäherin" versucht Young noch, sexy auszusehen.
Man darf nicht vergessen, dass selbst Teen-Ikone Molly Ringwald anno 1994 an dieser Stelle die Messlatte höher angelegt hatte und diese ist und war zu keinem Zeitpunkt ihrer Karriere eine sonderlich grandiose Charakterdarstellerin.
Nach knapp 8 Stunden wunderschönen Bildern von verlassenen Grossstädten, weiten Land-Panoramen, verlassenen Kleinstädten und ekligen Leichen (ich schrieb es weiter oben schon, dass die Optik der Serie für mich nahezu perfekt funktioniert) landen wir dann nach einem sparsam inszenierten Showdown beim 55-minütigen Epilog, den Stephen King mit verquatser christlicher Symbolik versucht hat, aufzuwerten und der eher ein Familien-Roadmovie ist als ein gewinnendes und versöhnliches Ende einer modernisierten Filmfassung seines epochalen Roman-Meisterwerkes. Konzentriert man sich halt wieder auf die Ur-Werte der amerikanischen Kleinfamilie in all ihrem Kitsch und Pathos (die letzte Einstellung sieht eher nach einem Bild aus einer Nicholas Sparks-Verfilmung aus).
Mein Fazit endet mit keinem guten Gefühl und Gesamt-Eindruck: Handwerklich hohes Niveau und eine grosse Ambition trifft ein Darsteller-Ensemble, das weit unter seinen Möglichkeiten agiert, eine Drehbuch-Staffage, die zu keinem Zeitpunkt Dramatik erzeugt und für die 9 Stunden alleine durch ihre Inszenierung punktet, denn Produktionsdesign, Effekt-Department, Musik und Kamera stehlen allem anderen die Schau.
Positiv für mich ist anzumerken, dass eine Schauspielerin wie Fiona Dourif, ihres Zeichens Chuckys neuer Puppenkörper, nach Sichtung von "The Stand" als einzige gute Darstellerin hervorgeht und man hoffen kann, dass ihre Art des gewissenlosen Overactings sie für weitere Dinge empfiehlt.
Ein Qualitäts-Merkmal ist das zwar nicht für den Rest des Cast aber immerhin ist Josh Boones grosser Traum von CBS finanziert und damit wahr geworden!
Aus meiner Sicht ist Mick Garris' Version von "The Stand" von 1994 trotz ihres trashigen Charmes der klare und eindeutige Gewinner der beiden Verfilmungen und ich freue mich erneut darüber, dass die Blu-Ray dazu CBS eine digitale Restauration wert war und sie dadurch auch für die Generation, die mit Josh Boones Version aufwächst, weiter verfügbar bleiben kann.