Agenten sterben einsam...!
Der französische Regisseur Jean Rollin gilt unter Insidern als einer der wichtigsten Regisseure des surrealistischen Filmes. Seine vor Symbolen nur so strotzenden und äußerst verträumten doppeldeutigen Vampirfilme sind wahrlich eine Klasse für sich und haben bei jedem Experimental-Horrorfan Kultstatus erlangt. Wie kaum ein anderer Regisseur hat er dem Horrorgenre, vor allem in den 70er-Jahren, eine ganz bestimmte, ja gar "kunstvolle" Note gegeben.
Mit "Killstreet" geht Rollin nun neue Wege, weg vom Surrealismus, weg von seinen teilweise unklaren Geschichten mit ihrer Doppeldeutigkeit. Rollin legt einen Agententhriller vor, mit dem er sich schon ein Stück weit von seinen anderen Filmen abgrenzt. Jedoch weißt auch dieser Film die ach so typischen Rollin-Merkmale auf, was leider zu einem kleinen Problem führt.
Ein Agententhriller, auch wenn er eher trashig angelegt ist, besticht durch seine Spannung, den Drehungen und Wendungen der Geschichte und vor allem durch gute Action. Rollin ist überhaupt kein Actionregisseur. In den meisten seiner Filmen bleibt der Action nur eine Neben- oder sogar eher Kurzrolle beschieden. Was aber immer wieder prima funktioniert hat. Von einem Rollin-Film erwarte ich keine grandiosen Actionszenen. Und diese bekommt man hier auch nicht geboten. Klar gibt es Actionszenen. Für ein Werk Rollins kann man "Killstreet" sogar zaghaft einen "Action-Overkill" nennen. Dieser ist dann aber leider etwas dilettantisch inszeniert; vermutlich dem ungenannten, garantiert unheimlich überschaubarem, Budget geschuldet. Das merkt man dem Film in jeder Faser, in jeder Minute an. In manchen Szenen meint man, Laien proben eine bestimmte Kampfchoreographie. Das wirkt dann auch manchmal unfreiwillig komisch. Vor allem dann, wenn weibliche "Top-Model-Agentinnen" mit ihren Maschinengewehren Mitglieder des französischen Geheimdienstes "niedermähen", natürlich unblutig versteht sich. Diese Leute vom Geheimdienst sehen dann auch aus wie der Bankangestellte Ihres Vertrauens, eher wie der Biologielehrer, der seinen Job und generell alle Jugendlichen verabscheut. Das Gute daran ist aber, dass die Männer hier, wie so oft bei Rollin, von den weiblichen Hauptcharakteren eher in den Hintergrund gedrängt werden.
Bleiben wir gleich bei diesen weiblichen Hauptcharakteren. Die Person, auf die die ominöse Jagd eröffnet wird, die Thailänderin Eva, wird unheimlich süß von Yoko verkörpert. Gerade wenn man(n) einen Faible für Asiatinnen hat, so wie ich, verfällt man dem unschuldigen Blick, und dem wohlproportioniertem Körper Yokos. Ganz klar, schauspielerisch legt sie einen absolut dürftigen Auftritt hin. Das wird dann auch der Grund sein, warum sie nach dem Film kaum noch in Erscheinung getreten ist. Aber sie hat einen gewissen Charme, der sie für den Zuschauer sympathisch und natürlich reizvoll erscheinen lässt. Man "ertappt" sich sogar gelegentlich dabei, dass man mitfiebert und hofft, dass sie den Agenten entkommen kann.
Ein richtiger "Besetzungscoup" ist Rollin mit der Verpflichtung von Françoise Blanchard gelungen. Die Horrorfans unter uns kennen sie vor allem als Catherine Valmont aus Rollins genialem "The Living Dead Girl". Hier spielt sie die Agentin Claudine, die auf Eva angesetzt wird. Als eine der wenigen Darsteller in "Killstreet" liefert Françoise eine relativ gute Leistung ab. Sie sorgt auch für die wenigen Überraschungsmomente des Filmes.
Die restlichen Damen bilden hauptsächlich das hübsche Beiwerk; werden von Rollin aber wirklich erotisch und mit viel Respekt, was man von ihm gewohnt ist, in Szene gesetzt.
Die männlichen Darsteller bleiben nahezu alle ziemlich blass, zu amateurhaft wirken sie in den meisten Szenen. Höchstens Jean-Paul Bride als Bordellbesitzer Tong, bricht da ein wenig aus der blassen Männerriege hervor. Nicht durch darstellerische Brillanz, sondern eher durch seinen Charakter, der aussieht wie die "Low-Budget"-Variante eines Dr. Fu Man Chu. Das erhöht erheblich den Trashfaktor. Ich jedenfalls musste bei vielen Szenen mit ihm häufig grinsen.
Dennoch bei aller Kritik hat mir der Film eigentlich ganz gut gefallen. Er hat diesen gewissen Charme, den ich jetzt hier nicht wirklich beschreiben kann, aber während dem Anschauen permanent gespürt habe. Vor allem die Szenen in Bangkok und im Bordell sind sehr stimmig und sogar erotisch eingefangen worden. Leider bietet der Film nicht diese tolle Farbgestaltung und spezielle Kameraführung, die vor allem Rollins Vampirfilme ausgezeichnet haben. Auch die Musik wirkt an manchen Stellen etwas nervig, hat man doch eher auf seltsame Synthie-Klänge wert gelegt, als auf die expressionistischen Klangwelten der früheren Filme des Regisseurs. Jedoch die Titelmelodie klingt wie die guten alten "Grindhouse"-Kracher und stimmt einen wirklich gut auf den Film ein. Das muss man zugeben.
"Killstreet" bietet aber auch die für Jean Rollin so typischen Merkmale. Wie die "ruhige" Inszenierung mancher Szenen, was bei einem Agenten-Thriller allerdings etwas fehl am Platze wirkt. Auch hier sind die Männer meist nur Staffage und die Frauen geben den Ton an. Die Frau wird als unschuldiges Wesen (in Form des Charakters von Eva) aber auch als gefährliches, unberechenbares Wesen (die weiblichen Agentinnen) dargestellt. Diese Mehrdeutigkeit der Weiblichkeit; Schönheit, Anmut, Sinnlichkeit, Naivität (Wecken des Beschützerinstinkts beim "Helden"), Gefährlichkeit, Verderben, Blendung, findet oftmals Verwendung in den Charakteren Rollins, so auch hier. In seinen Vampirfilmen geht die "Bedrohung" aber auch die "Faszination" meist von den weiblichen Vampiren aus, in "Killstreet" sind es vor allem die Agentinnen. Ein weiteres Merkmal ist die Tragik der Hauptfiguren, die in den Filmen Rollins sehr häufig zum Tragen kommt, auch in seinem Ausflug ins "Agenten-Thriller-Genre". Weiter darauf eingehen möchte ich jetzt nicht, sonst würde ich zuviel vorweg nehmen.
Rollin hat ein ziemlich trashiges, an manchen Stellen auch leicht amateurhaftes Stück Film geschaffen, dass einen gewissen Charme nicht verleugnen kann. Die offensichtlichen Schwächen des Streifens trüben aber nicht unbedingt die Stimmung. Allein das erste Drittel des Filmes, in Bangkok, ist unheimlich gut geworden. Hinzu kommen mit Yoko und Françoise Blanchard zwei hinreissende Hauptdarstellerinnen, die nicht nur die Optik aufpolieren. Trashfans können auf ihre Kosten kommen und Fans des Regisseurs sollten sich diesen Film auch unbedingt anschauen, bietet er doch einen netten Kontrast zu seinen surrealen Werken. Denen er aber, bei aller Liebe für Trash o. ä., bei weitem nicht das Wasser reichen kann.