GAMERA No. 06
GAMERA GEGEN JIGGAR – FRANKENSTEINS DÄMON BEDROHT DIE WELT
(GAMERA TAI DAIMAJU JAIGA)
Noriaki Yuasa, Japan 1970
Vorsicht – dieses Review enthält SPOILER!
Weiter geht es mit der Daiei-Riesenschildkröte Gamera, die in Gamera gegen Jiggar – Frankensteins Dämon bedroht die Welt ihren sechsten Leinwandauftritt feiern durfte (im Original heißt es Gamera tai Daimaju Jaiga, also in etwa „Gamera gegen die große Dämonenbestie Jaiga“, im Folgenden ohne den bekloppten Frankenstein-Titelanhang nur Gamera gegen Jiggar). Dieser Streifen hat es 1972 tatsächlich auch in die deutschen Lichtspielhäuser geschafft, in einer Fassung, die Anfang des neuen Jahrtausends leider als verschollen galt – sodass für die vorliegende Veröffentlichung von Cult Movies Entertainment (die ich gerade wie durch ein Wunder für einen zivilisierten Preis erwerben konnte) auch eine neue Synchronisation erstellt werden musste – leider, wie sich herausstellen wird. Ansonsten, ähm ... Film ab!
Der Vorspann beschert uns allerlei Stock Footage aus den vergangenen Gamera-Abenteuern und das herrlich infantile alte Gamera-Lied (genauer gesagt den „Gamera March“ von Kenjiro Hirose, gesungen vom Daiei Childrens Chorus – „Gammellah, Gammellah ...“).
Dann geht’s nach Osaka. Dort lernen wir sogleich unseren minderjährigen Protagonisten Hiroshi kennen – sein Vater bastelt gerade an einem Mini-U-Boot für die anstehende Weltausstellung, die schon erwachsene Schwester Miwako nörgelt ein wenig herum und er selbst wartet auf einen gewissen Keisuke, wer immer das auch sein mag (sein Bruder ist’s nicht, denn Miwako benimmt sich, als sei sie in ihn verliebt). Irgendwann kreuzt Keisuke auch endlich auf – ein junger Mann, der offenbar eine wichtige Funktion bei der Organisation der Weltausstellung hat, mit Hiroshi zum Gelände derselben fährt und ihm allerlei über sie erzählt. Weit kommt er aber nicht mit seinen Erklärungen, denn er wird ins Büro gerufen, wo sich gerade der Kulturminister eines kleinen pazifischen Staates lautstark darüber aufregt, dass man irgendeine Statue vom Grund und Boden seines Landes entfernen und auf der Expo ausstellen will. Sie sei mit einem Fluch belegt und man solle die Finger von ihr lassen, kann man seinen zornigen Worten entnehmen. „Jiggar! Jiggar!“, brüllt er zudem. Keisuke kann damit allerdings nichts anfangen und zeigt auch sonst kein Interesse an dieser Sache.
Das Skript schon eher, denn wir schalten prompt zu irgendeiner Insel um (sie gehört, ganz nebenbei kann man’s später aufschnappen, zu den „Westlichen Inseln“), wo ein gewisser Dr. Williams die besagte Statue sichergestellt hat und dabei ist, ihre Verladung auf das Schiff „Nankai Maru“ zu koordinieren – die dreißig Meter hohe Steinskulptur wird an langen Seilen hängend von drei Großraumhubschraubern befördert. Da aber kommt ... Gamera angedüst! Die anwesenden Kinder, Williams‘ etwa zehnjähriger Sohn Tommy und dessen kleine Schwester Susan, sind hellauf begeistert, während sich die Erwachsenen deutlich weniger euphorisch zeigen, zumal Gamera jetzt beginnt, ziemlich aggressiv die Seile zu umkreisen, an denen die Statue hängt. Man könnte meinen, sie hat etwas gegen den Abtransport des designierten Ausstellungsstücks. Williams und seine Leute haben wiederum etwas dagegen, dass Gamera etwas gegen den Abtransport hat, und reagieren ziemlich empfindlich: Sie greifen zu ihren Gewehren und eröffnen das Feuer auf die Schildkröte. Die zieht sich daher lieber zurück und die Statue kann verladen werden.
Etwas später sind wir wieder in Osaka, wo sich herausstellt, dass Hiroshi sehr gut mit den beiden amerikanischen Williams-Kindern befreundet ist (in erster Linie natürlich mit Tommy, aber Susan springt nun mal immer bei ihnen herum). Man wechselt ein paar mächtig nach Schulbuch klingende Sätze, und dann geht es für uns auch schon wieder an einen anderen Schauplatz – es ist eine einsam im Studiomeer liegende geheimnisvolle Pappmaché-Felseninsel. Dort geschieht im wahrsten Wortsinn Ungeheuerliches: Ein Riesenmonster gräbt sich aus dem felsigen Boden! Wir nehmen einmal an (und werden damit recht haben), dass es der zweite Titelheld Jiggar ist und registrieren, dass es sich bei ihm um eine konzeptionell vergleichsweise gewöhnliche, in Rotbraun gehaltene und stupide den Unterkiefer nach oben und unten klappende Mischung aus Waran und Nashorn handelt, allerdings mit einigen anatomischen Zugaben (wie vier kleinere horizontale Hörner) – und eben achtzig Meter lang (davon allein der Kopf fast vierzig).
Kaum ist Jiggar ans Tageslicht gelangt, bekommt er auch schon Besuch ... von Gamera, die keine Willkommensgrüße bringen will, sondern sich sofort auf ihn stürzt. Die beiden Monster liefern sich nun einen bizarren Zweikampf, in dessen Verlauf Jiggar erste Kostproben von seinen Sonderbegabungen liefert – so kann er wie weiland auch Barugon oder zuletzt Guiron gewaltige Sprünge vollführen, bei denen er durch irgendwelche Düsen am Hinterkopf zusätzlich beschleunigt wird und stocksteif durch die Luft segelt (das muss man sehen – zum Brüllen!), aber auch telekinetische Kräfte in den Füßen entwickeln und damit Gegenstände anziehen oder mit seinen Horizontalhörnern Pfeile verschießen. Solche Pfeile feuert er schließlich nach einer längeren Klopperei und Springerei auf Gamera ab, und zwar genau vier Stück, die allesamt haargenau ihr Ziel treffen, sprich die vier Beine der Schildkröte durchbohren und darin stecken bleiben. Gamera fällt auf den Rücken und zappelt herum. Jetzt hat sie ein ernstes Problem: Durch die in ihnen steckenden Pfeile kann sie ihre Glieder nicht mehr einziehen, wodurch der bewährte Düsenstrahlantrieb unmöglich ist. Jiggar scheint derweil erst einmal zufrieden zu sein und stürzt sich entschlossen ins Meer – als hätte er ein ganz konkretes Ziel ...
Die Nankai Maru ist inzwischen in Osaka angelangt, wo die mitgeführte Statue entladen werden soll. Es ist nur keiner da, der sich am Entladen beteiligen kann, denn alle Besatzungsmitglieder sind schwer erkrankt und zeigen Symptome, die nicht einmal der hinzugezogene Arzt kennt (dessen Kompetenz man allerdings infrage stellen darf, denn er nimmt in einem unbeobachteten Augenblick erst einmal einen Schluck aus der Schnapsflasche). Im Hafen müssen daher zunächst ein paar Arbeiter zum Entladen zusammengetrommelt werden.
Unterdessen ereignet sich auf hoher See ein schrecklicher Zwischenfall: Auf der Brücke eines Frachters sichtet man ein großes unbekanntes Objekt, das sich „mit einer Geschwindigkeit von 190 Seemeilen pro Stunde“ auf das Schiff zubewegt ... Wie sich schnell herausstellt, ist das jedoch eher ein Subjekt – genauer gesagt der augenscheinlich gute Schwimmer Jiggar, der mit Volldampf mitten durch den Frachter donnert und ihn in zwei Hälften zerlegt, bevor er explodiert (also der Frachter, nicht Jiggar ...).
Als dies bekannt wird, weiß Hiroshi, der eingangs vom pazifischen Kulturminister den Namen Jiggar gehört hatte, natürlich sofort Bescheid: Das Monster wolle nur seine Statue zurück, meint er. Damit könnte er richtig liegen, denn dieses Monster naht bereits ... und donnert nun auch mit Volldampf durch die Nankai Maru! Nachdem diese ebenfalls explodiert ist, fliegt Jiggar (stocksteif ...) zur Innenstadt von Osaka – und beginnt sie zu zertrümmern. Wer fliehen kann, der flieht. Hiroshis Schwester berichtet gerade, dass sie in der Nachbarschaft Explosionen gehört hat, aber ihr Vater ist die Ruhe selbst: „Und wenn schon“, antwortet er und bastelt weiter an seinem Mini-U-Boot herum, während Hiroshi, offenbar mit einer Legende des mythischen Kontinents „Mu“ vertraut, nach wie vor weiter als andere denkt und mutmaßt, dass die Statue eine Art Talisman für Jiggar ist. Miwako interessiert das gerade wenig – sie drängt zum sofortigen Verlassen der Stadt.
Auf der Felseninsel liegt derweil Gamera noch immer auf dem Rücken und zappelt herum. Die durch die Pfeile verursachten Wunden bluten, Trauermusik erklingt. Gamera zappelt und zappelt, aber das führt zu nichts.
Zurück nach Osaka: Dort greift nun das Militär ein und nimmt Jiggar unter Beschuss – mit beschämend geringem Erfolg. Der Beschossene steht inmitten eines dicht bebauten Stadtgebiets, und während im gesamten Umkreis seines Standorts die Häuser durch gewaltige Granatenexplosionen abgeräumt werden, bleibt er weitgehend unbeschadet und schießt so manchen Kampfjet mit seinen teuflischen Pfeilen vom Himmel. Nicht nur das: Er kann auch große orangegelbe Lichtglocken erzeugen, innerhalb derer nach Sekunden nur noch Schutt und Asche verbleiben (wobei das Zielgebiet der Glockenbodenfläche durch jeweils vier seiner Pfeile abgesteckt wird).
Auf der Felseninsel liegt derweil Gamera noch immer auf dem Rücken und zappelt herum. Nun aber gelingt es ihr endlich, sich mit etwas Geschick von den Pfeilen in den Hinterbeinen zu befreien – die in den Armen kann sie mühelos herausziehen (warum sie das bisher noch nicht getan hat, wissen die Götter). Damit sind die Düsenstrahlaustrittswege wieder frei und die Schildkröte kreiselt los. Der Daiei Childrens Chorus trällert dazu den infantilen „Gamera March“ ...
In Osaka bricht der Abend herein, und Jiggar ist immer noch am Wüten. Ein Nachrichtensprecher redet von „Schäden, die jegliches Vorstellungsvermögen übersteigen“, beklagt zahlreiche Todesopfer und bezeichnet die orangegelben Lichtglocken des Monsters als „tödliche Strahlenwellen, die jegliche Molekularstruktur vernichten“. Wir werden auch gleich noch einmal Zeugen ihres Einsatzes: Eine Gruppe von Soldaten gerät mit Ausnahme eines geflüchteten Kameraden („Ich evakuiere mich!“) unter die Lichtglocke, und einen Augenblick später sind von den Männern nur noch die Skelette übrig (ähm ... sind Knochen keine Molekularstrukturen?). Aber nun: Gamera kommt angekreiselt und stellt sich dem Lichtglockenerzeuger zum nächsten Kampf. Der schießt sofort wieder mit seinen fiesen Pfeilen los, aber Gamera schnappt sich einen Fabrikschornstein und wehrt sie damit ab. Dann treibt sie Jiggar mit ihrem Flammenstrahl in eine Chemiefabrik (als Vertreterin der im Kaijū Eiga unentbehrlichen Ölraffinerie), die bei so viel Hitze natürlich spektakulär in die Luft fliegt. Auch Jiggar fliegt erst einmal in die Luft, aber er explodiert nicht etwa, sondern macht nur wieder einen seiner stocksteifen Sprünge. Dann geht’s im Sturzflug zurück. Unten will sich Gamera mit einem herausgerissenen Strommast verteidigen, macht das aber so ungeschickt, dass sie selbst in ein Gebäude geschleudert wird. Bei alledem haben die Monster ein Rudel begeisterter Zuschauer, unter denen sich auch Hiroshi, Tommy und Susan befinden und Gamera unentwegt lautstark anfeuern ...
Das nutzt jedoch alles nichts. Jiggar kann Gamera schnappen, mit seinen telekinetisch einsetzbaren Fußsohlen festhalten und seine nächste Spezialwaffe hervorzaubern: Aus seiner Schwanzspitze wächst ein langer weißer Stachel, mit dem er der Schildkröte irgendetwas in die Schulter injiziert – vermutlich Gift, möchte man meinen, denn Gamera geht es hernach nicht gut. Nachdem Jiggar sie losgelassen hat, torkelt sie (ganz ungeniert auf den beiden Hinterbeinen) zu erneuter Trauermusik durch ein verlassenes Industriegebiet ans Ufer eines Flusses, um etwas Wasser zu trinken ... und bleibt dann reglos liegen, obwohl die hinterhergeeilten Kinder inzwischen gefühlt siebentausend Mal „Gamera!“ oder „Gamera, was ist los?“ oder „Gamera, steh auf!“ oder Ähnliches gebrüllt haben. Noch schlimmer: Gameras linkes Bein beginnt sich weiß zu färben, und danach auch noch der Kopf. Kurz darauf werden die Kids von Miwako abgeholt. Außer ihnen ist übrigens weit und breit kein einziger Mensch mehr zu sehen – aber gut, es ist auch nichts Besonderes, wenn eine Siebzig-Meter-Schildkröte schwer krank durch die Gegend taumelt. Nicht in Japan ...
Angesichts der angespannten Lage entschließt man sich tags darauf, die Weltausstellung ausfallen zu lassen. Wissenschaftler, Politiker und Militärs beraten und versichern sich gegenseitig, dass sie keine Ahnung haben, was nun zu tun sei. Allerdings kreuzt genau jetzt Dr. Williams auf und teilt neue Forschungsergebnisse mit: Man hat festgestellt, dass die Statue Geräusche erzeugt, die Menschen in den Wahnsinn treiben können (daher ging es auch der Besatzung der Nankai Maru auf ihrem Weg nach Osaka so mies). Wie gut, dass sich die Kinder unterdessen in den Besprechungsraum geschlichen haben, denn so kann Hiroshi den Anwesenden gleich einmal auf die Sprünge helfen (ich kenne da etwas, was Zuschauer in den Wahnsinn treiben kann ...). In der Staue stecke ein Gift, meint er, und dieses Gift würde auch gegen Jiggar wirken – weshalb man es gegen ihn einsetzen solle. Daraus wird allerdings nichts, denn schon kommt Jiggar angerauscht, lässt die Statue, die man auf einem unbewohnten Hügel aufbewahrt hatte, telekinetisch in seine Hand schweben und schleudert sie über viele Kilometer hinweg ... ins Meer! Weg ist sie. Aber Hiroshi, jetzt richtig warm geworden, hat schon den nächsten guten Rat: Gamera muss wiederbelebt werden!
Na dann: Ruck, zuck wird per Hubschrauber ein Röntgenbild von ihr gemacht, das der Veterinärmediziner Dr. Matsui auswertet. In der Nähe von Gameras Lunge ist ein schwarzer Fleck zu erkennen, der mit der „Impfung“ durch Jiggar zusammenhängen könnte. In den Tropen wäre ihm etwas Ähnliches begegnet, berichtet Dr. Matsui – dort sei ein Elefant mit Mückenlarven „geimpft“ worden. Es folgen megaeklige Filmaufnahmen von einem derartigen Larvenbefall. Gamera könnte also Jiggar-Larven in sich tragen, nur: Wie soll man die Riesenschildkröte untersuchen und notfalls gar operieren? Hiroshi, wen wundert’s, hat derweil schon die nächste, diesmal jedoch zunächst heimliche Idee: Er und Tommy klauen das Mini-U-Boot seines Vaters und tauchen damit ab. Hiroshi kann das Ding natürlich problemlos bedienen und steuert es geradewegs ... in Gameras Maul (!!), das unter Wasser weit geöffnet ist.
Als die beiden Grundschüler schon ein wenig im Inneren der Schildkröte herumgetaucht sind, nehmen sie endlich Kontakt mit der Außenwelt auf (wozu ein albernes Wechselsprechgerät in Form eines Riesentelefonhörers benutzt wird). Dort können die Erwachsenen im Beratungssaal dank reflektierter Funkwellen nachverfolgen, wo sich das U-Boot befindet und Hiroshi gerade noch davon abhalten, in den Magen Gameras zu tauchen, wo es eine Menge Ärger mit der Magensäure des Ungeheuers gegeben hätte (nanu – wie konnte das Skript zulassen, dass Superschlaumeier Hiroshi so etwas passiert?). Man lenkt die Kinder nun fernmündlich zur Lunge Gameras, in der es so trocken ist, dass Hiroshi und Tommy aussteigen können. Die beiden sehen sich um, aber wo lauern die Larven? Nun, sie müssen nicht lange suchen, denn schon kommt ihnen jemand entgegen – zwar keine Larve, aber ein kleiner Jiggar! Er ist ungefähr so groß wie ein Schwein, also schon groß genug, um zwei Acht- bis Zehnjährigen ernsthaft gefährlich werden zu können, und so ergreifen die Jungs auch richtig die Flucht. Der Mini-Jiggar spuckt ihnen allerdings ein, zwei Liter eines weißen Breis hinterher, in dem Hiroshi mit dem Fuß kleben bleibt. Und der Stress geht weiter: Nachdem Tommy seinen Kumpel aus der Spucke ziehen konnte (seine erste registrierungswürdige Handlung), dauert es ein wenig, bis das U-Boot wieder startklar ist. „Hilfe! Hilfe!“, ruft Hiroshi (nanu ...?) und wirft in seiner Not den ebenfalls mit Monsterspeichel bekleckerten Riesentelefonhörer nach dem heranrückenden Jiggar-Nachwuchs. Der Hörer bleibt am Kopf des Mini-Monstrums kleben ... und plötzlich beginnt es sich verzweifelt auf der Erde herumzuwälzen, um schließlich an den Geräuschen, die aus dem Hörer dringen, zu sterben (!). Für die Kinder gibt es daher in der Schildkröte nichts mehr zu tun – sie reisen zurück und sind bald darauf wieder glücklich an Land.
Die Wissenschaftler haben inzwischen tatsächlich herausgefunden, dass Jiggar von den hohen Frequenzen, mit denen die Menschen ihre Telekommunikation verwirklichen, gelähmt wird. Dr. Williams meint nun auch zu wissen, dass die Ureinwohner der Westlichen Inseln das Monster einst mit der Statue beerdigt haben, die so in den Fels gebaut wurde, dass sie durch den Wind ein Geräusch machen und Jiggar ruhig halten konnte. Damit scheint eine geeignete Waffe gegen ihn gefunden zu sein, aber vielleicht etwas zu spät: Schon schickt sich Jiggar an, die originellen und kunstvollen Pavillons auf dem Expo-Gelände zu zertrümmern. Superhirn Hiroshi lässt sich jedoch nicht lumpen und packt schon wieder eine neue Idee aus, wobei, ähm ... eigentlich ist es keine neue Idee, denn er fordert nur ein weiteres Mal, dass Gamera wieder zum Leben erweckt wird. Nur, wie? Ausnahmsweise hat nun auch einmal einer der Erwachsenen einen Vorschlag (das Skript beginnt zu schwächeln ...): Dr. Matsui meint, man könne Gamera mit Elektroschocks erwecken – etwas Starkstrom sollte ihr Herz wieder zum Laufen bringen. Es bliebe nur zu überlegen, wie man den Starkstrom am besten zum Herz bekommt.
Jetzt aber ... nächster Auftritt Hiroshi: „Wir können noch mal in ihn reingehen!“, bietet er an (Gamera wird hier generell mit „er“ angeredet). Na klar – so soll’s geschehen, und so geschieht’s auch. Mir nichts, dir nichts sind Hiroshi und Tommy wieder im Inneren der Schildkröte und bringen ein Bündel Starkstromkabel an ihrem Herz an, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Parallel dazu dürfen die Erwachsenen draußen auch etwas tun – sie starten die „Operation Beschallung“ (!), das heißt sie installieren Dutzende oder gar Hunderte von Sendemasten mit großen Lautsprechern rings um den gerade ein wenig schlafenden Jiggar herum und bereiten Tonbänder mit hässlichen Geräuschen vor. Nachdem die Kinder wohlbehalten aus der Schildkröte zurückgekehrt sind, wird die Operation Beschallung gestartet, und auch im Kraftwerk, das sich, wie’s der Zufall will, unmittelbar neben Gamera befindet, ist man bereit. Als Dr. Matsui gefragt wird, wie viel Strom denn nötig sei, um Gameras Herz wieder zum Schlagen zu bringen, rechnet er kurz vor: „Gamera ist 70 Meter lang und wiegt 80 Tonnen. Wir benötigen also mindestens sieben Millionen Kilowatt.“ Nun denn: Der Strom fließt und die Lautsprecher dröhnen hässlich ... bis die hoffnungslos überlasteten Leitungen der Beschallungsanlage durchbrennen.
Jiggar, nun „frei“, wacht auf und bewegt sich. Aber auch Gamera wacht auf und bewegt sich! Zudem verschwindet die weiße Färbung ihres Arms und ihres Kopfes – man darf also davon ausgehen, dass sie gesund ist. Angriffslustig ist sie auf jeden Fall, denn sie stürzt sich sofort auf Jiggar. Der kontert jedoch mit seiner gelben Strahlenwellenlichtglocke, fängt Gamera darin ein und sorgt in ihrem Inneren offensichtlich ebenfalls für hässliche Töne, denn Gamera fasst sich verzweifelt an die Ohren ... und braucht mal wieder Ratschläge von außen. Als man ihr zuruft, dass ihre Trommelfelle zu zerreißen drohen und dringend geschützt werden müssen, rupft sie schnell zwei Telegrafenmasten aus der Straße und steckt sie sich in einer ikonischen Szene tief in die Ohren (das sieht echt gefährlich aus, und es fließt auch türkisgrünes Blut). Dergestalt vor zerstörerischem Lärm geschützt kann sie sich aus der Glocke befreien und (wie gewohnt unter den unablässigen Anfeuerungsrufen der Kinder) weiterkämpfen.
Nun beweist sie auch erneut ihre Lernfähigkeit: Auf die fiesen Pfeile Jiggars ist sie vorbereitet und kann ihnen geschickt ausweichen. Auch vor dem gemeinen Nachwuchsinjektionsstachel nimmt sie sich (auf Anraten der Kinder) in Acht und holt ihn betreffend zum Gegenschlag aus – beziehungsweise zu vielen Gegenschlägen, denn sie drischt mit einer herausgerissenen Straßenlaterne so lange auf Jiggars Schwanz herum, bis die entsprechende Stelle (rot!) zu bluten beginnt, Jiggar markerschütternd schreit (!) und der Stachel aus dem Schwanz herauskullert. Danach schnappt Gamera ihren angeschlagenen Kontrahenten und fliegt ... natürlich wieder einmal hoch mit ihm in die Luft, um ihn dann in die Tiefe stürzen zu lassen (mit welchem Gegner macht sie das eigentlich nicht?). Anschließend düst sie in Richtung Meer weiter. Während ihr Publikum rätselt, warum sie das wohl tut, kann sich Jiggar, der nach seinem Sturz aus gefühlt dreitausend Meter Höhe kopfüber, aber kerngesund im Erdboden stecken geblieben ist, befreien und erhebt sich in die Lüfte ... nein – er springt in die Lüfte und fliegt stocksteif Gamera entgegen, die inzwischen auf dem Rückweg vom Meer ist ... und die Jiggar-Beruhigungs-Statue, die sie aus der Tiefe gefischt hat, mit sich führt. Wegen der war die Schildkröte also kurz unterwegs, und kurz ist auch der Prozess, den sie jetzt mit Jiggar macht: Sie donnert ihm nämlich die Statue noch in der Luft mit so viel Wucht und so tief in den Schädel, dass sogar die Kinder kurz entsetzt sind – und Jiggar mit blutendem Kopf ein weiteres Mal in die Tiefe stürzt. Diesmal sollte er jedoch endgültig dahingeschieden sein. Gamera packt seinen leblosen respektive wie gewohnt stocksteifen Körper (Blitz-Totenstarre ...?) und fliegt mit ihm in die Ferne – diesmal ohne Jubelposen, sondern wie eine Riesenschildkröte, die getan hat, was eben getan werden musste.
Reden wir also nicht lange um den heißen Brei herum: Auch Gamera gegen Jiggar ist ein Kinderfilm. Mag sein, dass Noriaki Yuasas fünfter Gamera-Regiearbeit wie gewohnt ein paar weniger kinderfreundliche Elemente innewohnen, aber die sind schwächer ausgeprägt als im Vorgänger Gamera gegen Guiron, und schon die sehr jungen Protagonisten definieren die Zielgruppe des Streifens unumstößlich. Hiroshi und Tommy mögen wieder um die zehn sein, Susan wie ihr Pendant Tomoko in Gamera gegen Guiron vielleicht sechs. Auch sonst spiegeln die drei ihre unmittelbaren Reihenvorgänger: Das Mädchen ist eher eine Randfigur und darf zwar fleißig an den Dialogen, nicht jedoch an den wirklichen Abenteuern der Jungs teilhaben, und der Amerikaner latscht auch hier lediglich neben seinem japanischen Kumpel her, um gelegentlich ein Stichwort zu geben – eine aktive Handlung sehen wir von Tommy während der gesamten Laufzeit nicht. Chef im Protagonistenring und Superschlaumeier vom Dienst ist Hiroshi, der somit auch fast im Alleingang das Nerv-Level bestimmt, auf dem die Kinder hier unterwegs sind – und das ist hoch. Sehr hoch. Ich schätze es auf mehr als acht, aber noch nicht ganz neun von zehn auf der nach oben nicht offenen Nerv-Skala ein, womit der Spitzenplatz nur knapp verfehlt wird. Dabei ist Hiroshi nicht ganz so unerträglich superschlau wie Masao in Gamera gegen Viras und nicht ganz so unsympathisch wie Toshio im Ur-Gamera, aber er bringt eben von beidem viel mit und schleppt noch ein weiteres großes Problem an, für das er respektive seine Schöpfer allerdings nicht verantwortlich sind, weil es nur die neue deutsche Synchronfassung aus dem Jahr 2013 betrifft (die aber hier nun einmal vorliegt): Wie schon seine beiden Vorgänger Masao und Akio hat Hiroshi eine viel zu tiefe Stimme, die nie und nimmer zu einem Kind seines Alters passt. Das habe ich bislang geschluckt, aber im vorliegenden Fall ist es mir endgültig extrem auf den Zeiger gegangen. Wenn die (wenigen!) in dieser Sache verfügbaren Informationen stimmen, dann wurden tatsächlich alle drei Jungs von Finlay Kühn gesprochen, der bei der Bearbeitung von Gamera gegen Jiggar bereits fünfzehn war und noch älter klingt (Gamera gegen Guiron wurde ebenfalls 2013 synchronisiert, Gamera gegen Viras bereits 2012). Finlay Kühn trifft natürlich keine Schuld, aber die für seinen Einsatz Verantwortlichen hätten eigentlich ihren Hut nehmen müssen (ich verwende den Konjunktiv, weil ich denke, dass hier niemand den Hut oder auch nur die Mütze genommen hat). Im japanischen Original hat Hiroshi eine ganz normale kindliche Stimme, und schon wirkt er ganz anders, sprich sympathischer und harmloser – womit er zumindest mir bei Weitem nicht so auf den Wecker gegangen ist wie seine deutschsprachige Ausgabe. Auffallend ist überdies, dass es bei Hiroshi wie weiland schon bei Toshio im Ur-Gamera und Eiichi in Gamera gegen Gaos keine Mutter im Haushalt gibt. Auch er lebt bei seinem Vater und hat mit Miwako eine bereits erwachsene Schwester. Wie mir scheint, war Akio im Vorgängerfilm der einzige (nicht amerikanische) jugendliche Protagonist, der eine irgendwie bemerkbare Mutter hatte, denn auch für Masao in Gamera gegen Viras war letztlich die große Schwester verantwortlich. Sehr seltsam, das. Wer weiß, was sich Noriaki Yuasa und der für alle Shōwa-Gamera-Drehbücher verantwortliche Niisan Takahashi dabei gedacht haben (falls in dieser Sache überhaupt etwas gedacht wurde). Dafür betritt Gamera gegen Jiggar auf einem anderen Gebiet Neuland: Zum ersten Mal ist kein dicker oder wenigstens pummeliger Junge dabei.
Die Story ist ... nun ja, wir haben hier einen Kaijū Eiga für den Nachwuchs – da darf man keine Wunderdinge erwarten. Allerdings ist die Geschichte, die uns hier erzählt wird, im Kern gar nicht auf den Nachwuchs ausgerichtet, sondern bedient die üblichen Genrestandards: Irgendwoher kreuzt ein neues Riesenmonster auf (in der Regel, wie bei Jiggar, aus dem Inneren der Erde oder gern auch aus dem Weltall), wird erfolglos vom Militär bekämpft, haut irgendeine Großstadt zu Klump und muss sich mehr oder weniger oft mit dem Helden-Riesenmonster auseinandersetzen, um im Finale gegen dieses zu unterliegen. Das geschieht auch hier, einschließlich einiger Härten, die zumindest für sehr kleine Zuschauer eher ungeeignet sind – wie das Blut, das in einigen Kampfszenen fließt (auch wenn’s „nur“ Monsterblut ist) oder die beiden Schiffe, die Jiggar in der Startphase einschließlich ihrer Besatzungen vernichtet. Es sterben also auch Menschen, und das ohnehin nicht zu knapp (wie schon erwähnt nimmt hier ein Nachrichtensprecher sogar einmal das Wort „Todesopfer“ in den Mund, was in den Filmen der Shōwa-Epoche sehr selten geschah – wobei das allerdings auch eine Freiheit der deutschen Synchro sein kann). Hinzu kommt, dass gerade Gamera hier viel einstecken muss und sich über weite Strecken in der Defensive befindet (sprich ewig mit Pfeilen in den Gliedern auf dem Rücken herumzappelt oder sogar schon klinisch tot und mit Jiggar-Nachwuchs infiziert im Wasser eines Flusses liegt). Zum Kinderfilm wird Gamera gegen Jiggar wie angesprochen tatsächlich nur durch das Alter seiner Helden und die Penetranz, mit der an jeder geeigneten oder auch weniger geeigneten Stelle versichert wird, dass Gamera ein Freund (respektive eine Freundin) der Kinder ist.
Als großen Clou präsentiert uns der Film schließlich die Besuche, die Hiroshi und Tommy dem Inneren der bewusstlosen Schildkröte abstatten – das aber, Herrgott, ist natürlich auch keine kreative Ausnahmeleistung, sondern wurde schlichtweg dem Geschehen im vier Jahre zuvor erschienenen und seinerzeit für einiges Aufsehen verantwortlichen Richard-Fleischer-Streifen Fantastic Voyage (hierzulande Die phantastische Reise) nachempfunden. Der Einfachheit halber wird freilich auch gleich noch Bewährtes aus der eigenen Reihenhistorie nachempfunden, wie beispielsweise die fröhliche Mini-U-Boot-Fahrt der Kinder in Gamera gegen Viras. Mit eigenen Ideen können Noriaki Yuasa und Niisan Takahashi also nur selten dienen, und bei den Monsterkämpfen setzt sich dieser Mangel an Inspiration fort: Jiggar verfügt zwar über zahlreiche gefährliche Gadgets und sorgt mit seinem stocksteifen Umhergespringe für so manche Lachträne, aber Gamera ist träge geblieben, bremst jede sich in den Kämpfen abzeichnende Dynamik mit ihrem aus dem Stand eingesetzten Feuerstrahl aus und gewinnt im Finale wieder einmal dadurch die Oberhand, dass sie ihren Gegner packt, mit ihm ein paar Kilometer hoch in die Luft fliegt und ihn dann fallen lässt. Leute, das ist langweilig. Wenn überhaupt, dann funktionieren diese Kämpfe über ihre Bizarrerie (eine Riesenschildkröte und ein absurdes anderes Riesenmonster kloppen sich) und den von ihnen erzeugten unfreiwilligen Humor, wie eben bei Jiggars Sprüngen. Aber auch die sind nur für unfreiwilligen Humor zu gebrauchen, also dann, wenn man davon ausgeht, dass sie weitgehend ernst gemeint sind. Würde man hingegen davon ausgehen oder wüsste man sogar, dass sie spaßig sein sollen, dann wären sie nur noch doof. Ganz ohne intendierten Humor kommt ein Film wie Gamera gegen Jiggar freilich schon mit Blick auf seine Zielgruppe nicht aus, aber dabei bleibt er angenehm under the top – debile Kaspereien wie im Vorgängerfilm gibt es hier nicht. Was es dankenswerterweise ebenfalls nicht gibt, ist Stock Footage. Dafür, dass bis auf die außer Wertung laufende Opening-Credit-Sequenz vollkommen auf ihren Einsatz verzichtet wurde (und das zu tiefsten Shōwa-Zeiten!), verdient Gamera gegen Jiggar einen ganz dicken Pluspunkt. Das gilt zumindest für erkennbares Archivmaterial – wenn uns gelegentlich ein kurzes altes Close-up von Gamera untergejubelt wurde, ist das nicht schlimm.
Optisch hält sich Gamera gegen Jiggar wie alle deutschen Erst- oder Neuveröffentlichungen von Cult Movies Entertainment ganz ausgezeichnet. Die mehr als fünfzig Jahre alten Breitwandbilder des Films sehen sauber und gepflegt aus, weshalb es auch kein Problem ist, dass die Farben bisweilen etwas „altmodisch“ anmuten. Bei der Tricktechnik verließen sie ihn aber ... wenngleich nicht völlig: Die Explosionen in den Modellkulissen sehen beispielsweise ganz wundervoll und wirklich echt aus (was sie freilich, obgleich im Kleinen, auch sind – wir reden also nicht von Silvesterfeuerwerk), und eine Rückprojektion, bei der eingangs im Zuge der Statuenbergung Schildkröte und Menschen gemeinsam im Bild sind, ist auch ein Volltreffer. Ansonsten geht gerade bei den Rückprojektionen der Ärger schon richtig los, denn deren Qualität schwankt zwischen miserabel (Autofahrten, ein paar U-Boot-Szenen) und indiskutabel (Jiggar mit diversen Personen im Vordergrund). Grausig sind auch Jiggars orangefarbenen „Strahlenwellen“-Glocken (ein allzu prägnantes Äquivalent zu den „Super-Fangglocken“ in Gamera gegen Viras) und einige Studiobauten wie Jiggars Pappmaché-Heimatinsel, die aber gerade wegen ihrer todsicher erkennbaren Künstlichkeit und einer hübsch fremdartigen Gestaltung schon wieder etwas Faszinierendes an sich hat – mit ihren schlanken Felsgebilden könnte sie auch die Oberfläche eines fremden Planeten darstellen. Häuser und Teile der Infrastruktur von Osaka geben sich hingegen angemessen irdisch. Dass sie wie gewohnt etwas detailärmer als ihre Tōhō-Vorbilder angefertigt wurden, ist kein Problem – ihren Zweck erfüllen sie ohne Weiteres, zumal die Gebäude in der Regel schon zertrümmert oder explodiert sind, bevor man sie sich überhaupt etwas genauer anschauen kann. Das gelbe Mini-U-Boot, so viel noch zur Ausstattung, ist übrigens ein Neubau (ich hatte schon vermutet, dass noch einmal das Erstmodell aus Gamera gegen Viras zum Einsatz kam), und Gameras selbstredend ebenfalls mit Pappmaché verwirklichte „Innenausstattung“ muss man nehmen, wie sie ist – sie sieht so aus, wie das Innere von Riesenschildkröten vor mehr als fünfzig Jahren im preiswert produzierten Kinder-Kaijū-Eiga nun einmal aussah.
Auch Gamera, damit zu den Monstern, sieht so aus, wie sie nun einmal aussah und tut weiterhin, was sie immer getan hat – sie fliegt und kreiselt mit ihren bläulichen Düsenantriebsflammen durch die Gegend, schämt sich nicht, auf den Hinterbeinen zu laufen, verliert regelmäßig türkisgrünes Blut und hat ein etwas zu gut gepflegtes Gebiss. Zu Albernheiten wie einer Reck-Übung lässt sie sich hier allerdings nicht herab, zumal sie von Jiggar hinreichend beschäftigt wird. Dieser Jiggar ist ein etwas weniger eindrückliches Monster als seine drei Vorgänger Gaos, Viras und Guiron, weil er schlichtweg zu „natürlich“ aussieht, sprich als grundsätzlich normal gebauter Vierbeiner daherkommt. Da helfen auch zahlreiche sehr spezielle Details und „Geheimwaffen“ nicht entscheidend weiter – Jiggar kann seinen Bewegungen mit seitlich hinter dem Kopf angebrachten Antriebsdüsen zusätzlichen Schwung verleihen, nicht zuletzt deshalb kilometerhoch in die Luft springen, über vier „Abschusshörner“ fiese Pfeile abfeuern, mit „Strahlenwellen“-Glocken ganze Landstriche auf einen Schlag pulverisieren, mit klebrigem Speichel herumspucken, dank telekinetischer Superkräfte auch schwere Gegenstände wie Felsbrocken oder Riesenschildkröten aus beachtlicher Entfernung zu sich heranziehen, mit seinem Fortpflanzungsstachel parasitäre Nachkommen in geeignete Wirte injizieren und vermutlich noch viel mehr ... und trotzdem nimmt man ihn eben doch nur als schlichten Vierbeiner wahr. Da sind die genannten Vorgänger doch eigenständiger, skurriler oder wenigstens bekloppter – und damit unverwechselbar (Guiron ist auch ein Vierbeiner, aber was für einer!). Die vergisst niemand, der ihren Auftritten beiwohnen durfte (und wollte ...), während man im Fall von Jiggar irgendwann, in ein paar Jahren vielleicht, über Erinnerungslücken stolpern könnte. Aber ich will kein ausgedehntes Jiggar-Bashing betreiben – wir haben alle unsere Fehler ... Überdies verfügt er auch noch über eine weitere maßgebliche Fähigkeit: Er kann sich steif machen! Okay, das war ein Joke. In der Tat aber sehen wir Jiggar beziehungsweise sein unbewegliches Modell öfter als all seine Berufskollegen (und damit sind nicht nur die gemeint, die ihr Geld oder Futter bei Daiei verdient haben) stocksteif durch die Luft segeln – ich hab’s schon mehrfach angesprochen, kann’s aber einfach nicht lassen: Das sieht zum Brüllen bescheuert aus. Fast ebensolche Lacher sind ferner die völlig absurden Flugbahnen der Monster, wenn sie vom jeweiligen Gegner in irgendein Gebäude oder auch nur zwischen ein paar Felsen geschleudert werden. Man könnte sich angesichts dessen natürlich fragen, warum es die Verantwortlichen nicht noch einmal versucht haben, aber viel eher sollte man es einfach genießen (zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die verwendeten Szenen schon der zweite oder dritte Versuch waren ...).
Kommen wir zu den Darstellern, an deren Spitze (oder in deren Mitte, wie man’s nimmt) natürlich die mitwirkenden Kinder stehen, und zwar mit frappierender Eindeutigkeit. Als Hiroshi ist Tsutomu Takakuwa zu sehen, der sein Ding halbwegs ordentlich macht und wie schon gesagt mit Originalstimme wesentlich besser zu ertragen ist als in der deutschen Neusynchronisation, während Tommy von einem nett aussehenden dünnen Jungen namens Kelly Varis verkörpert wird, der wie schon sein US-Landsmann (respektive US-Landskind) Christopher Murphy im Vorgängerfilm null, wirklich null Schauspiel liefert und selbst vom bloßen Herumstehen und gelegentlichen „Gamera!“-Rufen heillos überfordert zu sein scheint. Auch hier macht’s wie im Vorgänger das kleine Mädchen deutlich besser: Die leicht pummelige und putzige Katherine Murphy ist als Susan Williams konzentriert und mit lebhafter Mimik bei der Sache – das macht Spaß. Möglicherweise, eine gewisse Ähnlichkeit lässt sich sehr wohl erkennen, ist sie die kleine Schwester jenes gerade genannten Gamera gegen Guiron-Kinderdarstellers Christopher Murphy. Für alle drei mitwirkenden Kinder war Gamera gegen Jiggar der erste und letzte Einsatz vor einer Filmkamera – das ist okay, zumindest bei Katherine Murphy hätte es mich aber nicht überrascht, wenn es anders gekommen wäre. Neben den drei Kiddies gibt es nur noch Nebendarsteller in wirklich kleinen Rollen. Am ehesten fällt der sympathische Kon Ômura auf, der sich im Vorgängerfilm als Wachtmeister Kondo zum Affen gemacht hat und auch hier als Hiroshis Vater eine eher humorvoll angelegte und von der Maske fast identisch zurechtgemachte Figur verkörpert – allerdings um Größenordnungen gemäßigter als bei der vorhergehenden Kondo-Kasperei. Gameras treuester Arbeitskollege darf natürlich auch wieder begrüßt werden: Shô Natsuki ist in seinem inzwischen fünften Gamera-Streifen zu sehen und spielt mit einem peinlich angeklebt wirkenden Bart den Direktor des „Nationalen Wissenschaftsinstituts“ Dr. Suzuki. Darüber hinaus ist der blasse Ryô Hayami als Keisuke (dessen Beziehung zu Hiroshis Familie übrigens immer diffus bleibt) zu sehen, Dr. Willliams wird vom Amerikaner Franz Gruber verkörpert und Junko Yashiro spielt Hiroshis große Schwester Miwako. Sie hat mir eher weniger gefallen – irgendjemand muss ihr eingeredet haben, dass es niedlich aussieht, wenn sie eingeschnappt dreinschaut, und viel mehr tut sie dann auch nicht. Sie hatte in den Jahren zuvor ein paar kleine Filmauftritte (darunter auch in Gamera gegen Viras), beendete aber 1970 ihre Karriere, die nie eine echte Karriere war. Auch Ryô Hayami und Franz Gruber kamen nicht über ein paar Nebenrollen hinaus – Ryô Hayami vorwiegend in diversen Kamen Raidâ-Heulern und Franz Gruber immerhin in Der Untergang Japans, vor allem aber, und das ist fürwahr bemerkenswert, in Katsui Nihonmatsus ikonischer Trash-Granate Uchû daikaijû Girara, sprich Guila – Frankensteins Teufelsei aka The X From Outer Space – dem einzigen von Shochiku produzierten Kaijū Eiga mit einem in puncto Lächerlichkeit unerreichten Titelmonster. Gruber war als Korrespondent der New York Times nach Japan gekommen, kehrte 1974 in die Vereinigten Staaten zurück, arbeitete dort als Lehrer an einem College und stand nie mehr vor einer Kamera. Wer als Dr. Matsui zu sehen ist, lässt sich schließlich nicht herausbekommen – wer weiß, was hinter seiner Abwesenheit in den Credits und diversen anderen Quellen steckt. Dafür wurde aber noch überliefert, wer im Schildkröten-Suit steckt und dort zuverlässig seine Arbeit macht: Es ist wie schon im Vorgängerstreifen Umenosuke Izumi. Der Score stammt schließlich ebenfalls wie im Vorgängerstreifen von Shunsuke Kikuchi, dem übrigens auch die Musik zum taiwanesischen Mega-Trash Frankensteins Kung-Fu-Monster zugeschrieben wird. Leider ist das, was Kikuchi hier abliefert, keinen Deut besser als seine ohnehin schon schwachen Kompositionen für Gamera gegen Guiron und mit dem Begriff „primitiv“ ziemlich treffend beschrieben. Seine wieder mehrmals ausgiebig genutzte „Trauermusik“ klingt genau wie das, was ich als Schulkind einmal nach meinen drei oder vier ersten Stunden Akkordeonunterricht „komponiert“ habe, und die Begleitung der Passage, in der Gamera mit Strom zurück ins Monsterleben geholt wird, ist noch peinlicher. Am besten lässt sich dieser Score hören, wenn er einfach nur lahm ist.
Wo Gamera draufsteht, sind also auch hier wieder Kinder drin ... Aber das sollte man eigentlich schon wissen, bevor man sich Gamera gegen Jiggar anschaut – dieser Film läuft einem schließlich nicht zufällig über den Weg und die Gefahr, dass sich Subgenre-„Neulinge“ in ihn verirren, ist relativ gering. Und wenn, dann dürften sie am wenigsten über die Kinder stolpern, sondern vielmehr über den Rest der Veranstaltung, in deren Zentrum zwei absurde Riesenmonster stehen. Das gilt es auch als Kaijū-Eiga-Freund nicht aus den Augen zu verlieren, so sehr gerade Hiroshi (beziehungsweise eigentlich nur Hiroshi – Tommy macht ja nichts und Susan ist nicht handlungsrelevant) für Unmut sorgen mag. Zugegebenermaßen hat er unter Mittäterschaft seines deutschen Synchronsprechers tatsächlich Unmut bei mir ausgelöst, und zwar so viel, dass ich gelegentlich zum ersten Mal wirklich von einem Gamera-Film genervt war. Aber der Groll war nicht von Dauer, und bei einem zweiten Hineinschauen in diesen Streifen (unter Nutzung des Originaltons) war die Kaijū-Eiga- und Trash-Welt für mich wieder in bester Ordnung. Himmel, was können nervende Kinder einem Film, in dem eine lächerliche Riesenmonsterattrappe nicht müde wird, wie eine lächerliche Riesenmonsterattrappe durch die Luft zu „springen“, schon anhaben? Eben. Und so hatte ich unter dem Strich auch mit Gamera gegen Jiggar eine Menge Spaß – der Streifen mag etwas weniger memorabel sein als seine fünf Reihenvorgänger und nicht die famosen Abgedrehtheitswerte von Gamera gegen Guiron erreichen, ist aber allemal wohltuend charmanter alter Kaijū-Blödsinn, dem fernzubleiben zumindest für aufrechte Freunde des Subgenres ein Fehler wäre – Kinder hin, Kinder her.
PS: Ich wollte eigentlich die Finger von allzu vielen Details lassen, aber einen kleinen und gewissermaßen symbolischen „Mitschnitt“ des Skripts von Niisan Takahashi kann ich mir im Nachhinein doch nicht verkneifen – er steht stellvertretend für alle Sequenzen, in denen Gamera mit Jiggar kämpft.
Gamera und Jiggar prügeln sich.
HIROSHI (brüllt): Gamera, du darfst nicht verlieren!
TOMMY (brüllt): Gamera, hab keine Angst!
HIROSHI (brüllt): Du bist der Größte, du schaffst ihn!
SUSAN (brüllt): Gleich hast du ihn, Gamera!
TOMMY (brüllt): Zeig ihm, was du draufhast!
HIROSHI (brüllt): Gamera!
TOMMY (brüllt): Gamera!
HIROSHI (brüllt): Gamera, lass dich nicht unterkriegen!“
SUSAN (brüllt): Gamera!
HIROSHI (brüllt): Gut so, Gamera!
TOMMY (brüllt): Lass nicht locker!
SUSAN (brüllt): Jiggar-Barbecue!
HIROSHI (brüllt): Sei vorsichtig, Gamera!
TOMMY (brüllt): Der Stachel!
HIROSHI (brüllt): Greif ihn dir und flieg!
TOMMY (brüllt): Gamera!
SUSAN (brüllt): Gamera, Jiggar ist ein ganz Böser!
HIROSHI (brüllt): Gamera!
Gamera schnappt Jiggar, fliegt mit ihm hoch und lässt ihn fallen.
HIROSHI (brüllt): Gute Aktion!
TOMMY (brüllt): Er ist angeschlagen!
SUSAN (brüllt): Gamera ist der Größte!
HIROSHI (zustimmend): Das stimmt genau!
Gamera fliegt zum Meer ...
Bliebe die Frage, wie man so etwas ertragen kann ... nun, eben weil zu diesen Worten gerade eine herrlich bizarre und bekloppte Monsterprügelei im Gange ist.
PPS: Der noch verfügbare Trailer aus den frühen Siebzigern vermittelt übrigens einen guten Eindruck von der alten deutschen Synchronisation dieses Films, und sie hört sich in der Tat sehr viel besser an als die 2013 neu erstellte, der es einfach an der wünschenswerten Authentizität mangelt. Früher war auch noch etwas mehr Schwung im Spiel – es ist schon ein Fest, wenn der Off-Sprecher mit fast marktschreierischer Stimme verkündet, dass Gamera gegen Jiggar „das bisher Sensationellste aus der unheimlichen Welt Frankensteins“ sei. Wenn das Mary Shelley wüsste ...
(06/25)
7 von 10 Punkten aus Liebhabersicht, objektiv haarscharf 5 von 10.