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"I actually don't know where to begin.", mit einer Therapiesitzung fängt man an, der Hauptdarsteller locker im Sessel sitzend und seine Rede haltend, seine Gedanken sprudelnd, er hat sich zu offenbaren jemandem, er hat viel zu erzählen. Es geht um seine Frau, um den Beruf, um die Veränderung der Zeit, mit der er nicht ganz mithält oder nicht ganz mithalten will, was im Grunde auf das Gleiche hinaus kommt, zumindest im Endergebnis, ein Fossil, ein Dinosaurier in der heutigen Welt, ein älterer Mann auch, nicht gänzlich ohne Esprit und Energie. Wallace Shawn spielt den Mann, seine Geschichte ist diese:

Mort Rifkin [ Wallace Shawn ], ein versnobter älterer Filmkritiker aus New York, berichtet seinem Therapeuten von den jüngsten Entwicklungen in seinem Leben. In der Erzählung begleitet er seine viel jüngere Frau Sue [ Gina Gershon ] zu einem Filmfestival in San Sebastián. Sie arbeitet als Presseagentin für Philippe [ Louis Garrel ], einen französischen Regisseur, dessen banaler und abgedroschener Antikriegsfilm zu Morts Verdruss weltweit als Meisterwerk gefeiert wird. Mort wird schnell eifersüchtig auf die Beziehung zwischen Sue und Philippe, die zunehmend in einen offenen Flirt ausartet. Morts innere Gedanken und Ängste verursachen Albträume, die von bekannten Schwarz-Weiß-Kinoklassikern inspiriert sind. Schließlich sucht er wegen Brustschmerzen ärztlichen Rat und lernt Joanna „Jo“ Rojas [ Elena Anaya ] kennen, eine spanische Ärztin, die einige Zeit in New York verbracht hat und nun unglücklich mit einem untreuen, temperamentvollen Künstler verheiratet ist. Joanna hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei Mort.

Eine spanisch-amerikanisch-italienische Co-Produktion, leicht zu erkennen, wer dahinter steckt, in der Besetzung vielleicht eine Nummer kleiner als die Jahre zuvor noch gewohnt, Written and Directed by Woody Allen. Der Mann muss seine Frau begleiten, er muss seine Arbeit stoppen, er war eigentlich an einem Roman dran, die Frau muss aber dahin, zu einem Filmfestival, es wird der rote Teppich ausgerollt, die Crème De La Crème trifft sich hier, die Frau ist jünger als der Mann, das San Sebastián Film Festival steht an, die Presse umhergeisternd und begeistert, Komplimente werden gemacht, nach Zukunftsprojekten gefragt, nach Gerüchten und Klatsch, das geht so den ganzen Tag. Eine kleine Diskussion zwischen dem Paar entsteht, er findet das Werk eines speziellen Regisseurs höchstens "middle-brow", nicht "low-brow", wonach er klingt und was seine Frau empört, sie mag die Filme, ihren politischen Ansatz, den Regisseur, für ihn ist es nur Gewäsch, man einigt sich nicht. In der speziellen Nacht hat der Mann einen Traum, in s/w uns dargereicht, ein Horrorstück erst scheinbar, dann Citizen Kane (1941), auch das Format verändert sich, 4.3, nicht anamorph, eine schöne Szene eigentlich, er muss den Traum seiner Frau erzählen, die hat keine Zeit, sie ist ausgebucht, es ist ihre Arbeit, er ist ein bisschen neidisch, auf das junge Alter der Filmemacher, auf ihre hochtrabenden Reden, auf ihren scheinbaren Intellekt, er streift währenddessen durch die Stadt und durch den Park herum, dort Tagträume, diesmal nicht Welles, sondern in die Richtung Fellini, auch s/w natürlich, eine Selbstverständlichkeit, ein Unding, wenn es nicht so wäre, eine Hommage hier, keine Parodie, das Feiern der Vorbilder, das Hochhalten der Fahne für die Verblichenen, der stille Salut, in einem POV-Shot dargereicht. Ein Streifen durch die Handlung, den Psychoanalytiker brauchend, selbst die Eltern werden getroffen, dann aus dem Haus gerissen, in der Realität wieder ankommend, eine Pause von dem Leben. Neid und Eifersucht taucht wieder auf, der Mann hat Brustschmerzen, er kommt aus New York, seit dem Flug hat er ein schlechtes Gefühl, es wird nicht besser durch die Aussagen anderer, ein Termin wird ausgemacht, beim Kardiologen allerdings.

Die Frau versteht die Sorgen und Probleme des Mannes nicht, seine negativen Gefühle, sie lädt einen dritten Gast zum Abendessen ein, es ist nicht wirklich seine Ideen von einem gemütlichen Abend, er sitzt auch herum wie das fünfte Rad am Wagen, seine Frau redet kaum mit ihm. Er wirft einige Namen und Titel in den Raum, Truffaut, Goddard, keiner antwortet, niemand hört ihm zu, er könnte auch mit sich selber sprechen oder der Wand oder seiner eigenen Hand, er ist ausgebootet, er sitzt am letzten Strang. Der Tisch ist leer, bis auf das Besteck und etwas Geschirr, ein Glas Rotwein hat er bestellt, gut für den Kreislauf und die Gefäße, Worte, die verpuffen im Raum, er redet generell viel, er träumt auch viel, die Träume die große Kunst des Regisseurs, die Liebhaberstücke des Filmemachers, das Unterbewusstsein des Tages mit in den Schlaf genommen. Albträume demnach, er streift am Tage durch die Stadt, er denkt weiter und lange darüber nach, es beschäftigt ihn, er besucht den Kardiologin, das Gespräch wandert schnell über die Herzschmerzen hinweg zu anderen Bereichen, es wird privat, es wird auch untersucht, aber vorher über das Festival gesprochen, über die Frau, über den Roman, über New York und über San Sebastián.

Der Mann ist im Ruhestand, er hat früher Film gelehrt, er wirft wieder mit Namen um sich, er ist nur abends im Bett bei seinen Träumen mit seiner Frau allein, ansonsten immer nur im Anhang, wenn überhaupt, seine Frau muss arbeiten, er strömert durch die Stadt, Gedankenkreisen findet statt. Allen inszeniert das noch ruhiger als sonst, er bleibt bei langen Szenen, seine Besetzung ist kleiner, es wird viel Kunst und Kultur gefeiert, es wird umhergeschweift, den Tagträumen und denen in der Nacht nachgehangen, von Paris mit der Ärztin nachgedacht, zwischendurch wird auch zufällig die eigene Frau getroffen, ein Screening besucht, Breathless im Original, die Gedanken schweifen. Eine richtige Geschichte entsteht dabei noch nicht, manchmal werden Szenen nachgestellt und die Personen bleiben, es werden einige schönere Landschaften, manche Spaziergänge am Strand gezeigt, das stahlblaue Meer, der vieler Sonnenschein, es wird die Liebe angedeutet, ein Flirt versucht, Berührungen gemacht, etwas über die Religion gesprochen, weitere Flirtversuche und Anbandelungen, Anwandelungen, Abmantelungen gemacht, die Leute sind vergeben im Grunde alle eigentlich. Zwischendurch wird es auch lauter, das ist dem Shawn peinlich, er versteht nichts, er hört aber die Aufregung, den Ärger, die Aufgeregtheit der Stimme, die Aufgelöstheit der Frau.

Abgesehen von den filmischen Referenzen und dem Thema der potenziellen Ehebrüche und, und abgesehen von dem Filmfestival, was ein wenig an das Setting von Stardust Memories (1980) erinnert, wirkt Allen hier verkrampft in seinen Texten, es geht nicht wirklich voran, Leute werden belogen, Wahrheiten verschwiegen, es fallen ein paar böse Worte, es wird ein Buch über Bergman verliehen, die Träume werden skurriler als vorher schon, surrealistischer, nicht kurialer, manchmal alte Tugenden wiedergefunden, ansonsten ein seltsam beliebiges Werk, der Blick fällt auch manchmal auf die Uhr; "Since coming to the film festival I have had the strangest thoughts and dreams." - "Well, you know what they say, films are like celluloid dreams.", es werden Ausflüge woandershin, in die Natur gemacht, die Umgebung gezeigt, die Postkartenbilder, die Tourismusbroschüre voll damit, auch Letztes Jahr im Marienbad (1961) wird, zusätzlich zu Referenzen an Klassiker wie Außer Atem (1960), Jules und Jim (1962), Ein Mann und eine Frau (1966), Persona (1966), Wilde Erdbeeren (1957), Der Würgeengel (1962), Das siebente Siegel (1957) und (1963) erwähnt, ein aufregender, aufreibender Nachmittagsausflug entsteht; Lügen und Betrügen in der Theorie, und in der Praxis, "It's been very enlightening experience".






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