Review


RODAN

(SORA NO DAIKAIJÛ RADON)

Ishirô Honda, Japan 1956

Vorsicht – dieses Review enthält SPOILER!


Nachdem Godzilla kehrt zurück, der 1955 erschienene Nachfolger von Ishirô Hondas Ur-Godzilla, weder „künstlerisch“ noch kommerziell der große Wurf war und weithin als Enttäuschung empfunden wurde, hatte der Große Grüne erst einmal sieben Jahre lang Pause, bevor er in Die Rückkehr des King Kong (Kingu Kongu tai Gojira, 1962) wieder auf der Leinwand erscheinen und sich mit einem berühmten Berufskollegen prügeln durfte.

Die Zeit bis dahin ließ man bei der für ihn verantwortlichen Tōhō Kabushiki Kaisha jedoch nicht tatenlos verstreichen und versuchte, die Kinolandschaft für ein paar weitere Riesenmonster zu ebnen. So entstanden, allesamt unter der Regie von Ishirô Honda, die Kaijū Eiga Rodan (Sora no Daikaijû Radon, 1956, bereits mit Jun Fukuda als First Assistant Director), Varan – Das Monster aus der Urzeit (Daikaijû Baran, 1958), Mothra bedroht die Welt (Mosura, 1961) und der artverwandte Sci-Fi-Trash Weltraumbestien (Chikyû Bôeigun, 1957). Das blieb nicht ohne Folgen – zumindest Rodan und Mothra bedroht die Welt darf man gewissermaßen als „Vorab-Spinoffs“ zur Godzilla-Reihe werten, denn es handelt sich bei ihnen um die einführenden Soloabenteuer zukünftiger verdienter und fünfzig Jahre lang treuer Weggefährten des Großen Grünen. (Riesenechse Varan tauchte ebenfalls noch einmal in einem Godzilla-Film auf, jedoch nur ganz kurz als kleine Gummipuppe, und auch der groteske Weltraumbestien-Kampfroboter MOGERA respektive MOGUERA kehrte zurück in die Lichtspielhäuser – Mitte der Neunzigerjahre war er als Hightech-Version in Godzilla vs. Spacegodzilla zu bestaunen.)

Rodan ist nun ein Film, der mich seit Langem besonders interessiert hatte. Leider lag hierzulande bislang nur die schrecklich verstümmelte, sprich um zwanzig Minuten gekürzte und qualitativ minderwertige Fassung von Cine Plus vor. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann liegt sie immer noch vor: Es gibt eine (optisch megadreist an die Kaiju-Classics-Reihe von Anolis angelehnte) Neuveröffentlichung aus dem Hause Marketing, die aber in jeder Beziehung der alten Cine-Plus-Fassung entsprechen soll. Ärgerlich, und eigentlich schon regelrecht kriminell. Dennoch habe ich mir diese Marketing-DVD jetzt angeschafft, weil ich die Warterei auf eine hochwertige Veröffentlichung endgültig satt hatte. Und damit genug der ewig langen Vorrede – betrachten wir Ishirô Hondas Rodan (hierzulande als Rodan – Die fliegenden Monster von Osaka geführt, obwohl in diesem Film weder Rodan noch irgendein anderes Monster über oder durch Osaka fliegt ...).

Ein Bergwerk auf der friedlichen südjapanischen Insel Kyūshū: Hier verunglückt ein Minenarbeiter tödlich. Seine Verletzungen deuten jedoch eher auf eine Straftat hin als auf ein Unglück – verdächtigt wird sein Kollege Goro, mit dem er noch am Morgen eine handgreifliche Auseinandersetzung hatte. Kurz darauf müssen drei weitere Bergleute ihr Leben lassen und werden übel zugerichtet aufgefunden. Ein Massenmörder sollte Goro freilich nicht sein, und als man wiederum kurz darauf auch seine Leiche findet, ist er in dieser Sache endgültig entlastet.

Damit wird es Zeit für unseren Helden, den Ingenieur Shigeru. Der hat nicht nur Goros Schwester Kiyo zur Freundin, sondern ist auch der Erste, der den wahren Mörder oder besser einen der wahren Mörder zu Gesicht bekommt: Eines Abends dringt nämlich eine riesige, etwa vier Meter lange klauenbewehrte Raupe in sein Haus ein und will auch ihn töten. Er kann jedoch entkommen und Hilfe holen, und so schickt sich die örtliche Polizei gemeinsam mit ein paar Soldaten an, dem Untier den Garaus zu machen – was zwar letztlich gelingt, aber weitere Opfer kostet.

Noch schlimmer: In den Stollen und Schächten des Bergwerks, in die inzwischen große Mengen Wasser eingedrungen sind, tauchen bald weitere dieser Riesenraupen auf, die der Biologieprofessor Kashiwagi inzwischen als urzeitliche „Meganulons“ identifiziert hat. In einer Art Verzweiflungs-Heldentat kann Shigeru eins der Monster mit einem Lorenzug überfahren und töten, doch unmittelbar darauf wird der untere Teil der Mine durch ein Erdbeben verschüttet. Shigeru scheint verloren, taucht aber einige Zeit später aus einem Erdrutschloch wieder auf. Spurlos ist das Unglück allerdings nicht an ihm vorübergegangen – er hat einen schweren Schock erlitten und starrt vorerst nur apathisch vor sich hin.

Als seine Erinnerung nach ein paar Tagen zurückkehrt, weiß er zu berichten, dass sich inzwischen jemand anderes um die verbliebenen Meganulons gekümmert hat: Er durfte im Stollen beobachten, wie ein monströses, mit Flügeln ausgestattetes Wesen einem riesigen Ei entschlüpfte und die Raupen als kleinen Willkommens-Snack verzehrt hat. Und ja, bei einer behördlichen Ortsbesichtigung in der besagten Gegend erhebt sich tatsächlich eine gigantische Flugechse aus dem vom Beben aufgerissenen Boden. Es handelt sich, wie uns Professor Kashiwagi bald darauf erklärt, um einen fleischfressenden Verwandten des urzeitlichen Pteranodons, der über 100 Tonnen wiegt, eine Flügelspannweite von 200 Metern (!) aufweist und mit Überschallgeschwindigkeit fliegen kann, was zu taifunartigen Luftverwirbelungen führt.

Das Militär fackelt angesichts dessen nicht lange und greift die Echse, die man auf den Namen Rodan getauft hat (im Original natürlich „Radon“, in Anlehnung an seine Verwandtschaft mit dem Pteranodon), beherzt mit Düsenjägern und Artillerie an, was aber wie im Genre festgeschrieben ohne Erfolg bleibt. Im Gegenteil: Der genervte Flugsaurier macht sich auf den Weg nach Sasebo, wo er mit wütenden Flügelschlägen fast die gesamte Stadt in Trümmer legt, und nimmt sich dann Fukuoka vor. Zu alledem taucht jetzt auch noch ein zweiter Rodan auf, der seinem Kumpel tatkräftig beim Zerstören unter die Flügel greift (die Geschlechterfrage ist allerdings nicht geklärt, vermutlich ist eins der Monster eine Rodanin). Nachdem Sasebo und Fukuoka in Schutt und Asche liegen und der Dauerbeschuss durch das Militär weitgehend für die Katz war, verziehen sich die Urzeit-Flatterer in eine im Zentrum von Kyūshū gelegene Höhle, um ganz nach Reptilienart ein wenig Mittagsruhe zu halten. Die dauert derweil ein paar Tage an, was unseren Helden beziehungsweise den Menschen Zeit gibt, einen Plan zur Vernichtung der Monster zu schmieden. Gesagt, geschmiedet: Man will den nahe der Unterkunft der Rodans (oder Rodane – ich glaube aber, man spricht von Rodans), man will also den nahe der Unterkunft der Rodans gelegenen Vulkan Mount Aso beschießen und damit zum Ausbruch bringen, sodass die Tiere auf ewig verschüttet werden (mit der Atombombe kommen uns die Japaner in dieser Sache natürlich nicht). Und so beginnt man fleißig mit Raketen auf den schlummernden Vulkan loszuballern ...

Ich muss zugeben, dass ich ziemlich beeindruckt von diesem Film und damit selbst von seiner vorliegenden, zweifelsfrei verstümmelten beziehungsweise sogar entstellten Fassung bin. Rodan hat zumindest grundsätzlich nichts mit dem infantilen Trash zu tun, in den die Godzilla-Reihe und ein Großteil aller peripheren Kaijū Eiga bald verfallen sollten (und der sich in Form von Angilas bereits ein Jahr zuvor in Godzilla kehrt zurück angedeutet hatte) – wir haben hier vielmehr einen bitterernsten und sogar traurigen Streifen vor uns. Am Ende (Spoiler!) fliegen die beiden Monster „wie Motten“ in Richtung Feuer und werden durch Hitze, austretende Gase und Dauerbeschuss bezwungen, und als einer der Rodans in die glühende Lava stürzt, unternimmt der andere nichts, um sich zu retten. Shigeru, der hier gelegentlich als Off-Sprecher fungiert, teilt uns dazu mit: „Sie mussten gemeinsam sterben, weil keiner allein weiterleben wollte. [...] Als die Feuerglut die Rodans verzehrte, hallten ihre letzten Schmerzensschreie traurig über die Berge.“ Kein Pathos, kein ausgelassener Jubel: Rodan verabschiedet sich melancholisch und nachdenklich. (Spoiler Ende)

Ein solcher Eindruck entsteht freilich nur, wenn man bereit ist, sich ein Stück weit auf diesen Streifen einzulassen – was einem jedoch vergleichsweise leicht gemacht wird. So ist die erste Filmhälfte (die Rede ist immer von der vorliegenden Fassung!), in der sich das Geschehen um die Meganulons dreht, durchaus spannend in Szene gesetzt – mitunter, und da lehne ich mich gern weit dem Fenster, weht hier sogar ein Hauch von Formicula durch die japanische Provinz. Mit anderen Worten: Man muss zwar sehr lange auf die Titelmonster warten, aber das fällt weniger schwer, als in so einem Fall befürchtet werden muss.

Den Rodans selbst gehören nur die letzten zwanzig Minuten (und von denen auch nicht alle, weil der Vulkanbeschuss schier nicht enden will, bevor er etwas Nennenswertes, sprich den Ausbruch auslöst), aber die haben es dann auch wirklich in sich – es kracht ohne Unterlass, und manche Bilder sind wirklich denkwürdig. An Schwung verliert der Film lediglich in einer Reihe von „Luftkämpfen“ – sprich in den entschieden zu häufigen Einstellungen, die nur das Gesicht eines Piloten (eine üble Unsitte!) oder drei am Himmel herumfliegende Düsenjäger zeigen.

Durch individuelle Probleme der mitwirkenden Menschen wird man indes nicht abgelenkt: Nicht einmal Shigeru kann man als richtigen Helden bezeichnen – ungeachtet seiner Funktion als Gelegenheits-Off-Sprecher bleibt selbst er nur eine Randfigur, und die Beziehung zu seiner Freundin Kiyo ist dem Skript nicht mehr wert als zwei ganz kurze Szenen. Professor Kashiwagi darf dann und wann mit unglaublicher Humor- und Emotionslosigkeit seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Besten geben und alle anderen, wie die Vertreter der Polizei und des Militärs, bleiben vollkommen im Hintergrund. Das ist hier allerdings kein substanzielles Problem – der Kaijū Eiga hat seine eigenen Gesetze, und prominent einbezogene Human Relations fügen ihm in der Regel eher Schaden zu, weil sie schlichtweg von den eigentlichen Attraktionen des Genres ablenken. Es darf vermutet werden, dass die immerhin zwanzig Minuten längere japanische Originalfassung den Fokus etwas öfter auf die menschlichen Mitwirkenden legt – ich persönlich habe dies allerdings nicht vermisst.

Visuell ist Rodan nicht ganz die Katastrophe, die ich angesichts der vorliegenden Marketing-Cine-Plus-Billig-Scheibe erwartet hatte. Der Streifen liegt im originalen 1.33:1-Format vor und sieht im Wesentlichen auch tatsächlich so alt aus, wie er ist, aber die Bilder sind immerhin recht scharf und an dunklen Schauplätzen gut ausgeleuchtet. Man kann sich das durchaus ansehen. Von entscheidendem Interesse sind derweil die Trickeffekte. Wie bei Tōhō-Produktionen üblich haben wir es auch hier vornehmlich mit Man-in-Suit-Monstern zu tun, die sich in Modellbauten tummeln und von Spielzeugpanzern beschossen werden (gelegentlich werden kleinere Modelle eingesetzt). Die Rodans gehören dabei, nun ja, nicht gerade zu den Glanzlichtern der Tōhō’schen Spezialeffekthistorie – vor allem die Köpfe wirken extrem unfertig und wie mal eben auf die Schnelle dahingeknetet. Die Flügel hat man derweil ganz gut hinbekommen, sodass einige Flug- und Flatterszenen tatsächlich recht glaubwürdig daherkommen – was wiederum nicht heißen soll, dass es nicht auch ausnehmend schlechte respektive lächerliche gibt. Diese Neigung zur Lächerlichkeit haftet den Rodans (und selbstredend auch den Meganulons) ohnehin durchgehend an, aber einen gewissen bizarren Reiz kann man ihnen keineswegs absprechen. 

Die Städtezerstörungen wurden auf gutem Niveau umgesetzt – ja, natürlich sieht man in neunzig Prozent aller Fälle, dass es sich bei den einstürzenden, zertrampelten oder weggepusteten Gebäuden um Modellbauten handelt, aber erstens gibt es schon einmal die zehn Prozent, bei denen man es nicht sieht (was dann auch extrem beeindruckend ist und regelrecht genial wird, wenn Autos und Busse vom Luftzug durch die Gegend gewirbelt werden), und zweitens sind einstürzende Modellbauten immer noch um Welten besser als seelenlose und zumeist genauso durchschaubare CGI-Effekte. Wie schon oft gesagt: Bei den Modellen stürzt ja tatsächlich etwas Materielles ein – auch wenn’s nur klein ist. Sehr ambivalent zeigt sich die reichlich eingesetzte Pyrotechnik: Mitunter sehen Granateneinschläge oder kleinere Explosionen nicht schlecht aus und auch ein paar schöne echte Flammen gibt es, aber überwiegend riecht’s hier doch mächtig nach Silvesterfeuerwerk (wie beim finalen Ausbruch des genannten Vulkans). Alles in allem unterliegt die Qualität der Tricktechnik einem beständigen Auf und Ab, und mitunter gibt es in einer einzigen Einstellung gute und missratene Spezialeffekte nebeneinander – hier sei noch einmal die finale Szene genannt, in der es den silvestermäßig ausbrechenden Vulkan und ein paar wirklich schwache Modell-Lavaströme zu sehen gibt, während das Zentrum mit den im Flammenmeer vergehenden Rodans vergleichsweise hervorragend umgesetzt wurde. 

Weit weniger, nämlich gar nicht hervorragend ist Rodan derweil in Sachen Schauspiel – aber das war zu erwarten und lässt sich verschmerzen. Wirklich schauspielern muss hier niemand, was schon für den angenehmen, obgleich etwas ausstrahlungsarmen Kenji Sahara als Shigeru und die unscheinbare Yumi Shirakawa als dessen Freundin respektive angehende Ehefrau Kiyo gilt, und erst recht für den geradezu automatenhaft steif agierenden Akihiko Hirata als Professor Kashiwagi und die weiteren in kleinen Rollen auftretenden Darsteller. Kenji Sahara und Akihiko Hirata sollten allerdings später noch viele Gelegenheiten haben, sich im Kaijū Eiga auszuzeichnen – Akihiko Hirata, der ohnehin schon als Dr. Serizawa im Ur-Godzilla zu sehen war, wirkte bis in die Siebzigerjahre in zahlreichen Godzilla-Streifen und artverwandten Tōhō-Parallelproduktionen mit (zuletzt im Shōwa-Abschlussfilm Die Brut des Teufels, 1975), während Kenji Sahara selbst beim fünfzigjährigen Leinwandjubiläum des Großen Grünen (Godzilla: Final Wars, 2004) noch mit von der Partie sein durfte.

Der Score von Akira Ifukube ist in der vorliegenden Fassung zunächst eins: leise abgemischt. Soweit man das wahrnehmen kann, handelt es sich um konventionelle und recht eingängige Musik, die gegen Ende auch ein paar emotionale Momente hat. Akira Ifukube habe ich bei alledem jedoch nicht erkannt. Da ich nicht weiß, durch wie viele Hände die vorliegende Fassung gegangen ist, würde es mich nicht wundern, wenn hier ein paar amerikanische Surrogatklänge im Spiel sind. Andererseits ... aber gut, im Moment ist das nicht zu klären.

Was bleibt, ist ein schöner und durchaus beachtlicher Streifen aus den Kindertagen respektive Pionierzeiten des Kaijū Eiga, der sich seiner Sache weitgehend unaufgeregt und mit viel Ernst annimmt und daher am ehesten mit dem zwei Jahre zuvor erschienenen Ur-Godzilla auf einer Wellenlänge liegt (ohne freilich dessen Wucht und Bedeutung zu erreichen). Natürlich mag auch er seine ausgesprochen billig wirkenden und unfreiwillig komischen Momente haben, aber zumindest ich möchte ihn nicht bedenkenlos als Trash bezeichnen: Wie schon angemerkt bringt Rodan in meinen Augen eher einen Hauch von Melancholie und sogar etwas Anrührendes mit. Die Frage, ob und inwieweit etwas Derartiges tatsächlich Ishirô Hondas Intention war, bleibt derweil unbeantwortet, da die japanische Ursprungsversion des Films weiterhin nicht in Griffweite ist. Bis sich daran etwas ändert, kann ich die vorliegende Fassung jedoch mit Fassung tragen, denn selbst in beschädigter Form ist Rodan noch immer ein sehenswerter und kostbarer Vertreter seines Genres.

(12/23)

8 von 10 Punkten aus der Sicht des Kaijū-Eiga-Liebhabers, objektiv sind’s zwei, drei weniger.





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