Review

GODZILLA  No. 2

GODZILLA KEHRT ZURÜCK

(GOJIRA NO GYAKUSHÛ)

Motoyoshi Oda, Japan 1955

Achtung – das folgende Review beinhaltet SPOILER!

Hier ist nun Godzilla No. 2, sprich Godzilla kehrt zurück (Gojira no Gyakushû, 1955) – ein Film, der innerhalb der Reihe doch ein wenig obskur ist und das Bindeglied zwischen ihrem ernsthaften Schwarz-Weiß-Auftakt und den späteren, immer beknackter werdenden Monsterkloppereien darstellt.

Wir befinden uns irgendwo an der Küste von Shikoku, wo die Piloten Shoichi Tsukioka und Kôji Kobayashi als Aufklärungsflieger für ein großes Fischereiunternehmen arbeiten – sie suchen also aus der Luft nach Fisch-Schwärmen. Eines Tages ergibt es sich, dass Kobayashis Motor aussetzt und er auf einer abgelegenen Insel beziehungsweise im Wasser vor der Insel notlanden muss. Kumpel wie Tsukioka ist, begibt er sich sofort auf die Suche und findest seinen Kollegen auch recht bald. Die beiden machen erst einmal ein kleines Lagerfeuer, um die durchnässten Sachen Kobayashis zu trocknen und freuen sich über den glimpflichen Ausgang des Unternehmens. Aber nicht mehr lange: Der Inselboden bebt, es regnet Geröll, markerschütterndes Gebrüll ertönt und die Flieger werden Zeuge, wie sich zwei Riesenmonster prügeln, von denen zumindest eins als Godzilla auszumachen ist (es wird im Folgenden übrigens nie richtig ausformuliert, dass es ein neuer Godzilla ist und wo der nun wieder herkommt – dümmstenfalls könnte man von seiner Sorte bald ein ganzes Rudel am Hals haben). Der Kampf endet remis: Die Urzeitwesen kullern ins Meer und sind dann erst einmal weg.

Zurück in der Heimat schauen sich Tsukioka und Kobayashi die Bilder in der Urzeitechsenkartei an und können das zweite Monster zweifelsfrei identifizieren: Es handelt sich um einen Aguirosaurus, eine Art 50-Meter-Gürteltier mit Stacheln, das besonders aggressiv sein soll. Nun ist natürlich wieder Japans Top-Paläontologe Dr. Yamane an der Reihe, der allerdings noch depressiver als im Vorgängerstreifen wirkt und auf die Frage, wie denn vor allem Godzilla zu besiegen sei, eine ebenso knappe wie unerfreuliche Antwort hat: Gar nicht. Wie Filmaufnahmen des Godzilla-Angriffs auf Tokio zeigen (tatsächlich handelt es sich um Stock Footage aus Ishirô Hondas Godzilla), ist das Monster weder vom Militär noch von Hochspannung aufzuhalten, und Dr. Serizawas rettender Oxygen-Zerstörer war nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Angesichts dessen entscheidet man sich also zunächst einmal für die Defensive und will sich gegebenenfalls verstecken. Gesagt, getan: Als der lichtaffine Godzilla eines Nachts aufkreuzt und auf Osaka zumarschiert, verdunkelt man die gesamte Stadt und feuert in der Gegenrichtung Leuchtraketen ab, die den ungebetenen Gast zurück ins Meer locken sollen (was für ein Glück, dass der nicht tagsüber vorbeischauen wollte). Das klappt sogar richtig gut – bis ... ja, bis es einen dummen Zwischenfall gibt: Ein paar Sträflinge können sich während eines Gefangenentransports befreien und auf ihrer Flucht einen Tanklaster entern, mit dem sie nach kurzer Fahrt in die Erdölraffinerie der Woche krachen (kein Godzilla-Abenteuer ohne brennende Erdölraffinerie, zumindest gefühlt ...) – womit eine Reihe von gewaltigen Explosionen ausgelöst und das Monster zurückgelockt wird, was endlich auch das Militär autorisiert, aus allen Rohren, aber wie gewohnt ohne das erwünschte Ergebnis draufloszuballern. Und da ein Unglück selten allein kommt, taucht nun auch noch das inzwischen freundschaftlich „Angilas“ genannte 50-Meter-Stachel-Gürteltier in Osaka auf und stürzt sich ohne Umschweife auf den Titelhelden, sodass schnell die nächste feine Monsterprügelei im Gange ist. Die mag zwar auf den ersten Blick den Vorteil haben, dass die Ungeheuer mit sich selbst beschäftigt sind, führt aber dennoch dazu, dass mindestens die halbe Stadt in Trümmern liegt, als die Sache mit einem herzhaften Genickbiss zugunsten Godzillas entschieden ist. Den lästigen Aguirosaurus ist man also schon mal los.

Godzilla indes, auch wenn er sich erst einmal zurückzieht, nervt irgendwie noch immer. Als der Winter im Studio, ähm ... in Japan Einzug gehalten hat, wird er erneut gesichtet – auf einer abgelegenen, von verschneiten Bergriesen geschmückten Insel, wo er untätig in der Gegend herumsteht. Und jetzt, ganz unvermittelt und Dr. Yamanes Ausführungen zum Hohn, gehen unsere Helden doch in die Offensive: Der (ehrlich gesagt nicht ganz wasserdichte ...) Plan ist, den Zugang zur Insel (beziehungsweise ihren Ausgang) mit einer Feuerwand abzuriegeln und sodann die Berge unter schweren Raketenbeschuss zu nehmen, auf dass sich Lawinen von ihnen lösen und Godzilla unter sich begraben ...

Na ja. Nehmen wir’s mal so hin – im Rahmen eines Genres, dem Logik, Realitätsbezug und Glaubwürdigkeit schon von vornherein nicht gerade heilig sind, darf das hiesige Finale als moderater, also zumindest für den Kaijū-Eiga-Freund noch locker akzeptabler Blödsinn gelten. Ohnehin stellt sich die Frage, ob hier überhaupt etwas akzeptiert oder nicht akzeptiert werden will, denn der vorliegende, von Motoyoshi Oda in Szene gesetzte Streifen läuft von Anfang an so weit neben dem Zuschauer her, dass einem sein Ende, nun ja, reichlich wurst ist. Die Geschichte, die uns hier erzählt wird, ist ehrlich gesagt kaum als solche erkennbar – zwei Monster tauchen auf und prügeln sich, und diejenigen, die ich gerade als „Helden“ bezeichnet habe, schauen ihrem Treiben über weite Strecken tatenlos zu. Exemplarisch dafür steht die Figur des Fischereifirmenchefs Koehi Yamaji, der wirklich nur herumsteht und irgendetwas, seien es Monster oder verwüstete Straßenzüge, ansieht. Nein – mit dem hier auflaufenden Personal kann man nahezu nichts anfangen. Es ist schon mühsam, überhaupt eine Heldenfigur zu erkennen: Erst gegen Ende kristallisiert sich dank ihres heldenhaften Todes eine solche heraus – die allerdings war bis dahin lediglich für den Humor verantwortlich, der hier in einigen Sequenzen geballt auftritt (und ziemlich irritierend wirkt, da Godzilla kehrt zurück grundsätzlich sehr ernst angelegt ist). Das Tun von Tsukioka und seiner Freundin Hidemi, das man zunächst im Fokus der Handlung zu sehen glaubt, ist indes keine nähere Betrachtung wert. Gerade die Fischereifunkerin Hidemi erweist sich als völlig nutzlos – sie funkt ein wenig, schaut ab und zu betroffen drein und wird im Ernstfall allein vor ihrem Haus abgesetzt, ausgerüstet mit der Empfehlung, sie möge „in die Berge flüchten“, wenn die Riesenechsen kämen. Na fein. Aber gut – dass die Menschen in einem Kaijū Eiga nur die zweite oder wie hier gar keine Geige spielen, ist nichts Neues (und bestenfalls sogar eine Tugend). Wichtiger sind per Definition die Monster, und die tauchen hier bereits zum ersten Mal wirklich als die Monster, also in der Mehrzahl auf. Das kann Godzilla kehrt zurück schon mal auf der Habenseite verbuchen, denn natürlich ist es ein Vergnügen, mit Angilas (international bevorzugt „Anguirus“) den ersten Gaststar der Reihe (und späteren guten Godzilla-Kumpel!) begrüßen zu dürfen. Dumm ist nur, dass eine doppelte Monsteranzahl noch lange keine doppelte Monster-Screentime bedeutet – mit anderen Worten: Der Kaijū-Mensch-Koeffizient fällt auch hier nicht allzu günstig aus. Die große Osaka-Prügelei ist dabei erfreulicherweise sehr ausgiebig geraten, aber darüber hinaus kommt wenig: Das erste Aufeinandertreffen der Ungeheuer auf Kobayashis Notlandungs-Insel bringt es auf kaum eine Minute Realzeit, und im Finale steht Godzilla ein paar Einstellungen lang in der Gegend herum und lässt sich gemütlich von Eisbrocken verschütten – die restlichen fünfundneunzig Prozent dieses Finales gehören Flugzeugen, ihren Piloten und im Schnee einschlagenden Raketen. Letzteres sieht dabei erstaunlich echt aus, aber beim gefühlt zweihundertsten Einschlag wird auch das öde – und bestätigt noch einmal: Mitreißen und herzlich zum Mitfiebern einladen will Godzilla kehrt zurück nicht. Dafür kann der Streifen in seinen besten Momenten eine sehr spezielle und faszinierende Atmosphäre entwickeln – die Verdunklung Osakas und die folgenden Nachtaufnahmen haben beispielsweise definitiv ihren Reiz, und der Moment, in dem Godzilla vor der Stadt aus dem Meer auftaucht, ist schlichtweg grandios.

Damit sind wir im weiteren Sinn auch schon bei der Optik, und mit Blick auf diese hinterlässt Odas Arbeit zumindest in der mir vorliegenden DVD-Fassung von Marketing, die selbstredend auch nicht das Maß aller Dinge sein sollte, einen extrem grottigen Eindruck. Die im alten 1.37:1-Format vorliegenden Bilder wirken schon grundsätzlich nicht gerade frisch und sind teilweise beschädigt oder verschmutzt (völlig verdreckt sieht eine Szene zu Beginn aus, bei der allerdings einfach durch ungeputzte Flugzeugfenster gefilmt wurde), aber sie weisen auch noch weitere, nachgerade dramatische Eigenheiten auf: So wirken die durchs Bild hastenden Personen in den handlungsbedingt sehr zahlreichen Nachtszenen verstörend schattenhaft und fast durchsichtig, und nicht selten wird dies auch noch von massiven Nachzieheffekten begleitet. Wer daran die Schuld trägt, soll dahingestellt sein, aber etwas Derartiges ist mir bislang noch nicht begegnet. Tricktechnisch habe ich hier hingegen mehr Licht als Schatten gesehen. Vor allem in Sachen Pyrotechnik macht Godzilla kehrt zurück keinen schlechten Eindruck – im Gegenteil: Einige Explosionen wirken durchaus glaubwürdig und wuchtig, und auch die hellen Blitze und Rauchwolken, die beim Aufprall der unvermeidlich auf Godzilla abgefeuerten Raketen erzeugt werden, bereiten viel Freude, wobei es den entsprechenden Szenen eindeutig zugute kommt, dass der Film in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Einige Spielzeugpanzer machen ihre Sache ebenfalls recht ordentlich, und die einem traurigen Schicksal geweihten Modellbauten kann man wiederum nur bewundern: Wenn hier Gebäude jedweder Art einstürzen, dann sieht das vielfach noch immer besser aus als in manchem hoch budgetierten und um Jahrzehnte jüngeren Film. Wirklich schwach sind jedoch einige Studiobauten – so kann man den Lagerfeuerplatz zu Beginn des Streifens und auch Godzillas Standort im Finale aus zehn Meilen Entfernung als Pappmaschee-Kulissen ausmachen. Und die Monster selbst? Nun, Godzilla (oder besser gesagt sein Darsteller Haruo Nakajima) hat hier ein neues Gummikostüm bekommen, mit dem er wesentlich schlanker wirkt als im Vorgänger. Für meinen Geschmack steht es ihm gut – nur beim allzu weit aufklappbaren Mund und dem Gebiss mit seinen übertrieben schief stehenden Zähnen scheinen die Designer ein wenig die Kontrolle verloren zu haben. Angilas sieht indes, ähm ... ziemlich lächerlich und schlichtweg unecht aus. Vor allem sein Kopf wirkt bis ins Detail absolut gummihaft – nie und nimmer kann man ihn einem Lebewesen zuordnen. Hinzu kommen die Probleme, die bei der Umsetzung eines Vierbeiners auftauchen. Hier wurden die unvermeidlich viel zu langen Beine des Darstellers Katsumi Tezuka relativ gut verschleiert, aber mitunter sieht man doch, dass da etwas ganz gewaltig nicht stimmt, und dann wird es echt peinlich. Und noch etwas stimmt hier ganz gewaltig nicht: Ein großer Teil der Monsterkloppereien wurde nicht wie üblich im Zeitlupen-, sondern versehentlich im Zeitraffer-Modus aufgenommen – und nicht etwa neu gedreht, sondern einfach belassen, weil es Motoyoshi Oda angeblich so gefiel. Durch dieses Kuriosum wird der Streifen freilich noch ein gutes Stück bizarrer als er ohnehin schon ist und überschreitet so in Tateinheit mit den bereits erwähnten visuellen Auffälligkeiten eine Grenze, hinter der zumindest seine Actionszenen in ihrer ganz eigenen, schattenhaften, psychotischen und surrealen Welt leben. So habe zumindest ich es empfunden – und genossen. Kein Genuss sind indessen die Leistungen der Darsteller, aber wo soll große Kunst hier auch herkommen? Yukio Kasama als Fischrei-Chef oder die ohnehin sehr blasse Setsuko Wakayama als Hidemi haben nur in die Gegend zu schauen, und auch für Hiroshi Koizumi als Shoichi Tsukioka gibt es kaum mehr zu tun. Ein wenig echte schauspielerische Arbeit hat lediglich Minoru Chiaki als Kôji Kobayashi zu verrichten, aber irgendetwas Nennenswertes bekommt man auch von ihm nicht zu sehen. Der Score stammt schließlich von Masaru Satô und ist gar nicht so übel, auch wenn das hiesige Marsch-Thema nicht die Qualität seines ikonischen Akira-Ifukube-Vorbilds aus dem Ur-Godzilla erreicht. Dafür liefert er ein paar angenehm stimmungsvolle und ruhige Passagen, die dem Streifen erstaunlich gut zu Gesicht stehen – gerade im Zusammenhang mit seinen atmosphärischen oder zumindest von mir als atmosphärisch empfundenen Szenen.

Ungeachtet dessen fällt das objektive Fazit natürlich noch immer ziemlich ungünstig aus: Motoyoshi Odas Godzilla kehrt zurück ist, da wollen wir uns nichts vormachen, ein schwacher Kaijū Eiga, der in seinen weniger als achtzig effektiven Minuten nahezu nichts zu erzählen hat und von einem bis zur Unkenntlichkeit blassen menschlichen Personal bevölkert ist – die Aufgabe, ihm Leben einzuhauchen, müssen hier ausschließlich die Urzeit-Ungeheuer übernehmen, und die tun sich damit reichlich schwer. Einen gewissen historischen Wert hat der Streifen aber zumindest insofern, als dass er mit Angilas ein weiteres Monster einführt und damit die Richtung für die zukünftige Entwicklung der Godzilla-Reihe vorgibt (mit Godzilla allein wusste man bei Tōhō also schon im zweiten Anlauf nicht mehr genug anzufangen ...). Ich persönlich hingegen betrachte den Film wie schon angedeutet auch noch aus einer anderen Perspektive und habe ihn dank seiner bizarren und unwirklichen Optik phasenweise als eine Art eigenständiges, nicht mehr mit Genre-Banalitäten verknüpftes Kunstwerk wahrgenommen. Wie viel davon dem Original selbst oder einem miesen Print von Marketing zu verdanken ist, muss freilich fürs Erste unklar bleiben. Ich hoffe, es eines Tages klären zu können, womit auch ausgesprochen sein soll, dass ich irgendwann gern wieder in diesen seltsamen Film hineinschauen werde, der mir ganz subjektiv mindestens ebenso gut gefallen hat wie sein ikonischer Vorgänger.

Und damit ist Godzillas Schwarz-Weiß-Ära auch schon beendet. Im folgenden, erst sieben Jahre später entstandenen Die Rückkehr des King Kong wird’s farbig ... und schön trashig.

PS: Hier ist wirklich alles irgendwie bizarr: Die Marketing-DVD beinhaltet ein „Making of“, das aus über 1500 (!) Fotografien besteht. Schade, dass sie in einem ziemlich kleinen Rahmen dargestellt werden, denn einige von ihnen sind echt göttlich.

8 von 10 Punkten aus subjektiver Sicht, objektiv müssen 5 reichen.

(11/23)




Details
Ähnliche Filme