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Chuck Norris und die Kunst der leisen Härte

„Cusack – Der Schweigsame“ entstand mitten in der Hochphase von Chuck Norris’ Karriere, aber nicht aus den legendären Cannon-Studios, die mit ihren reaktionären, patriotisch überzuckerten und herrlich überdrehten Action-Bonbons der Reagan-Ära, für Aufsehen sorgten. Nein, „Code of Silence“, wie er im Original heißt, entstand abseits dieses berüchtigten Studios – und genau deshalb fühlt er sich so anders an, bodenständiger, ja fast schon erwachsener. Chuck Norris stand hier plötzlich vor der Kamera in einem Film, der geerdeter, fokussierter und schlichtweg besser war als das meiste, was er je zuvor oder danach ablieferte. Kein Wunder, dass viele Fans und Kritiker „Code of Silence“ bis heute als seinen objektiv besten Film betrachten.

Die Handlung klingt auf den ersten Blick nach klassischem 80er-Jahre-Cop-Kino: Eddie Cusack, ein knallharter, aber ehrlicher Cop in Chicago, gerät mitten in einen Bandenkrieg. Ein Drogendeal läuft schief, italienische Mafiosi und kolumbianische Kartelle liefern sich eine blutige Fehde, und Cusack steht plötzlich im Kreuzfeuer. Dazu kommt, dass ein korrupter Polizeikollege Dreck am Stecken hat, Cusack sich Feinde nicht nur auf der Straße, sondern auch im eigenen Revier macht – und trotzdem das Richtige tun will.

Was das Ganze von der üblichen Cannon-Formel unterscheidet: Das Drehbuch hat Substanz. Figuren werden eingeführt, Konflikte glaubwürdig aufgebaut, Spannungsschrauben langsam angezogen. Natürlich bleibt vieles schablonenhaft – wir reden hier schließlich von einem Chuck-Norris-Film aus den 80ern, aber die Story ist so schnörkellos wie eine gerade gezogene Linie mit dem Lineal. Was nach Standard-Actionkost klingt, entwickelt sich dank Davis’ Regie und einem erstaunlich durchdachten Drehbuch zu einem dichten Cop-Thriller. Regisseur Andrew Davis, damals noch ein unbeschriebenes Blatt, zeigt bereits hier, dass er ein Auge für Stimmung hat. Jener Mann der später mit „Auf der Flucht“ und „Alarmstufe Rot“, zwei absolute Klassiker inszenieren sollte, deutet hier bereits an, wohin die Reise gehen kann: eine dichte, fast schon dreckige Atmosphäre, Chicago als vibrierende, pulsierende Kulisse. Es ist kein Hochglanz-Actionkino, sondern eher ein realistisches Cop-Drama, in das Action hineingewebt wird. Bei der Action langt der Film jedoch ordentlich in die Vollen. Es gibt Faustkämpfe in bester Norris-Manier, Schießereien, eine Verfolgungsjagd, die das Tempo ordentlich hochschraubt. Und dann als Highlight, einen Showdown, der so ausufernd und furios ist, dass er auch heute noch jeden Action-Fan begeistert. Besonders der Einsatz eines kleinen, ferngesteuerten Roboters der Polizei-Einheit im Finale – halb ernst, halb charmant trashig – ist ein Augenzwinkern in Richtung 80er-Jahre-Technikbegeisterung.

Auch inszenatorisch ist der Film top. Davis versteht es, Szenen zu rhythmisieren, Tempo aufzubauen und dennoch immer wieder ruhige Momente einzustreuen, die den Film erden. Dass er später Harrison Ford auf der Flucht vor Tommy Lee Jones dirigieren sollte, verwundert da kaum. „Code of Silence“ war sein Sprungbrett, und Chuck Norris hatte Glück, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Schauspielerisch darf man hier natürlich keine Offenbarung erwarten. Norris bleibt stoisch, schweigsam, immer mit der gleichen Mimik – aber genau das macht ihn zur idealen Verkörperung von Eddie Cusack. Er ist ein Cop, der nicht viele Worte braucht, einer, der durch seine Präsenz wirkt.

Fazit

Im Pantheon des 80er-Jahre-Actionfilms ragt „Cusack – Der Schweigsame“ heraus – gerade weil er sich zurücknimmt. Während Chuck Norris’ Cannon-Produktionen in patriotischem Pathos und überzogenen Heldengesten schwelgten, bietet dieser Film eine wohltuend geerdete, fokussierte Alternative. Die Story überzeugt, das Drehbuch ist überraschend stark, die Action packend – und der Showdown ein echtes Fest. Objektiv betrachtet dürfte dies tatsächlich der beste Film von Chuck Norris sein. Nicht, weil er hier schauspielerisch über sich hinauswächst, sondern weil alles drumherum passt: Drehbuch, Regie, Atmosphäre. Und weil „Code of Silence“ zeigt, dass Actionkino auch ohne Dauerexplosionen, reaktionären Pathos und patriotisches Dauerfeuer funktionieren kann.

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