Review

Auf dem Cover wird "Blueberry und der Fluch der Dämonen" vollmundig als Fantasy-Western angekündigt. Die Frage ist: Was soll sich der mögliche Betrachter darunter vorzustellen? Mir persönlich fiel spontan Marshall Bravestarr ein. Jeder, der Anfang der 90er ein eifriger Bim Bam Bino-Gucker war, wird sich an diesen futuristischen Sheriff erinnern, der zusammen mit seinem Techno-Pferd ganz Neu-Texas auf Vordermann gebracht hat und uns Halbstarken nebenbei noch moralische Werte vermitteln wollte. Diesen Knalltütencartoon vor Augen, konnte Blueberry in meiner Imagination vorab nur zwei Erwartungen erfüllen: Enterweder der Streifen entpuppt sich als rasanter Ballerspaß mit Kultpotenzial oder aber als Mega-Trash-Gurke, Starbesetzung hin oder her.

Doch es kam noch schlimmer: Blueberry und seine Dämonen, die ihn seit dem Verlust seiner großen Liebe verfolgen, waren mir gegen Ende hin völlig egal. Wenn ein Film, der nach dem ersten Durchgang aus bloßer Gleichgültigkeit heraus mit  Nichtbeachtung (wenn man mal von der Tatsache, dass ich gerade diese Zeilen verfasse, absieht) gestraft wird, ist das die Höchststrafe meinerseits.

Damit wir uns nicht missverstehen: "Blueberry" ist kein schlechter Film. Technisch gesehen ist der Streifen sogar eine Augenweide. Malerische Wüstenlandschaften, spektakuläre Luftaufnahmen und eindrucksvole, durch Indianerdrogen verursachte, Visionen des Protagonisten - die Visualisierung könnte glatt einem Lehrbuch für moderne Kinoästhetik entsprungen sein. Dazu ein perfekt abgestimmter Score, der die Bilderflut grandios untermalt.  Was will der Filmfreund mehr?

Diese Frage soll allerdings gleich mit einer Gegenfrage beantwortet werden: Was nützt der beste optische Genuss, wenn er nicht in einem ebenso ansprechenden Kontext eingebettet ist? Der Plot ist jedenfalls nur spärlich bekleidet, auch wenn er sich ebenso anspruchsvoll geben will, wie die audiovisuelle Gestaltung:

Nach einer tragischen Begegnung mit Alphatierchen Michael Madsen, muss Blueberry alias Vincent Cassel den Tod seiner ersten großen Lieben verarbeiten. Ein klassischer Western würde an dieser Stelle auf eine altbewährte Rachegeschichte setzen. Und auch "Der Fluch der Dämonen" scheint zunächst diese Richtung einzuschlagen. Doch letzten Endes verfolgt Blueberry nur ein Ziel: Absolution. Die sucht unser mittlerweile zum Revolverhelden aufgestiegene Protagonist mit Hilfe von indianischen Halluzinogenen - eine Message, die jeden Drogenbeauftragten ( und erst recht Marshall Braverstarr...) übel aufstoßen ließe. Aber der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel: Blueberry wird irgendwann irgendwie erlöst - und der Zuschauer bekommt nach einer xten und besonders elendlangen Vision die Quittung für's ewig Durchhalten: Die Auflösung, die schon in der ersten Sequenz offentsichtlich war. Und das nach einem Mittelteil, der so lange uninspiriert dahin plätscherte.

Fazit: Optisch eine Wucht, lässt "Blueberry" die inhaltliche Tiefgründigkeit vermissen, was dazu führt, dass der Zuschauer keinerlei Bindung zu den Akteuren entwickeln kann. Potenzial wäre vorhanden gewesen, aber nicht jede Innovation hat zwangsläufig einen Nährwert. Brotlose Kunst ist der passende Ausdruck für dieses Machwerk. (4/10)

Details
Ähnliche Filme