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Blueberry stellt den Versuch dar, Westernelemente mit indianischem Schamanentum zu kreuzen und basiert lose auf den Comics von Moebius (die ich nicht gelesen habe). Dabei ist ein eigenartiger Mischmasch herausgekommen, den man vielleicht als Fantasy-Western oder mystischen Western umschreiben kann. Regie hat Jan Kounen geführt, der dem einen oder anderen durch seinen letzten Film Dobermann bekannt sein dürfte. Dobermann habe ich zwar vor einigen Jahren gesehen, aber ich kann mich kaum noch daran erinnern - was bedeutet, dass der Film damals wohl keinen zu großen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Kounens neues Werk kann mit einer hochkarätigen Besetzung aufwarten: neben Vincent Cassel, Juliette Lewis und Michael Madsen wurde sogar Hollywood-Legende Ernest Borgnine wieder belebt. Mit 37 Mio. Euro Produktionskosten gehört der in Mexiko gedrehte französische Film budgetmäßig in die Größenordnung von Produktionen wie Der Pakt der Wölfe (ebenfalls mit Vincent Cassel).

In seiner Jugend ist Mike Blueberry (Cassel) ein Draufgänger, den man ständig in Bordellen antreffen kann. Irgendwann kommt es zu einer tödlichen Auseinandersetzung zwischen Blueberry und dem Gangster Wally Blount (Madsen), bei der es um eine Prostituierte geht. Die Dame überlebt den Streit nicht, das Zimmer geht in Flammen auf, Blueberry kann verletzt fliehen und wird unterwegs bewusstlos. Als er wieder aufwacht, findet er sich bei Indianern wieder, die ihn gefunden haben und seine Wunden versorgen. Bei ihnen bleibt er dann und lernt den Lebensweg eines Schamanen kennen, sprich: er pfeift sich dauernd Drogen rein und halluziniert in der Gegend herum. Jahre später ist er Marshall in einer kleinen Stadt und versucht - so gut es geht - die Interessen der weißen Siedler und der Indianer miteinander zu vereinen. Eines Tages taucht jedoch Blount wieder auf, und er hat Übles im Sinn. Er will nämlich den Schamanen einen heiligen Schatz klauen. Er will nämlich den Schamanen einen heiligen Schatz klauen, was Blueberry natürlich verhindern muss. Unterstützung erhält Blueberry von seinem Indianerkumpel Runi und der Sängerin Maria (Lewis). Nebenbei muss er sich auch seiner eigenen nicht bewältigten Vergangenheit stellen...

Das hört sich ja alles ganz nett an, aber leider weiß der Film nicht, was er will. Blueberry ist keinesfalls ein richtiger Versuch, das Westerngenre wieder zu beleben. Vereinzelt gibt es zwar ein paar Verfolgungsjagden und Schießereien, aber eine richtige Westernatmosphäre kommt nur selten auf. Der Plot an sich scheint für Kounen nur Nebensache zu sein, denn hauptsächlich hat er es auf die Visualisierung diverser Drogentrips und indianisches Esoterik-Gefasel abgesehen. Die CGI-gestützte Umsetzung der Drogentrips ist durchaus gelungen; daran zeigt sich, dass Kounen selbst reichliche Erfahrungen mit halluzinogenen Drogen gesammelt haben muss. Vielleicht waren es auch einige Trips zu viel, die sich der gute Mann gegönnt hat, das würde zumindest das schwache Drehbuch (an dem er mitgeschrieben hat) erklären. Der Film wirkt viel zu uneben, und neben dem ständigen Schamanen-Geblubber (das zumindest mir mit der Zeit etwas auf die Nerven ging) hat Blueberry nicht allzu viel anzubieten. Die einzelnen Elemente (halbherziger Western und Esoterik) passen einfach nicht richtig zusammen. Im Showdown, der bezeichnenderweise nicht einmal in der realen Welt, sondern nur in der schamanischen „Geisteswelt“ spielt, findet ein derartiger Effekte-Overkill statt, dass man irgendwann einfach mental abschaltet. Die Darsteller, obwohl allesamt gestandene Schauspieler, deren Talent nicht in Frage steht, können auch nur bedingt überzeugen. Vincent Cassel, so sehr ich ihn sonst schätze, nimmt man den esoterischen Clint-Eastwood-Verschnitt einfach nicht richtig ab; Michael Madsen spult sein übliches Fiesling-Programm routiniert, aber lustlos herunter, und Juliette Lewis hat man auch schon wesentlich besser gesehen. Lediglich die kurzen Auftritte von Ernest Borgnine als alternden Sheriff im Rollstuhl können wirklich überzeugen.

So schlecht, wie das klingen mag, fand ich den Film trotzdem nicht. Das liegt unter anderem an den unglaublich imposanten, wunderschön gefilmten Landschaftsaufnahmen, die sich fast auf „Herr der Ringe“-Niveau befinden. Und lässt man sich erst einmal auf das langsame, elegische Tempo des Films ein, dann wird man trotz aller Schwachpunkte ganz gemütlich unterhalten (abgesehen vom Schluss). Ich vermute mal, dass ein Großteil der Zuschauer mit Blueberry trotzdem nur wenig anfangen können wird. Dazu ist der Film zu unkommerziell, psychedelisch und für den normalen Kinogänger einfach zu langweilig. Wahrscheinlich wird Blueberry trotzdem eine gewisse Anzahl an Fans finden, die den Film vergöttern, und mit der Zeit einen kleinen Kultstatus erlangen.

Fazit: Jan Kounens zweistündiger Drogentrip ist nur bedingt weiterzuempfehlen. Zu holprig ist die Verbindung von Western- und schamanischen Elementen geworden, und zu langsam ist das Erzähltempo. Action gibt es so gut wie gar nicht, und Spannung kommt auch nur selten auf. Wer sich allerdings an dem starken esoterischen Touch nicht stört und wer gerne einfach schöne Bilder genießt, für den könnte Blueberry trotzdem eine lohnenswerte Erfahrung sein. Ich bin auch davon überzeugt, dass Blueberry, wenn man ihn im Kino unter dem Einfluss halluzinogener Drogen anschauen würde, eine wirklich starke Wirkung entfalten könnte. Für mich überwiegen aber die Schwächen, und deshalb ist eine Bewertung im überdurchschnittlichen Bereich nicht möglich. 5,5/10

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