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Sieben Jahre sind vergangen seit Regisseur Jan Kounen und Darsteller Vincent Cassel gemeinsam den durchgeknallten Gewalttrip "Dobermann" auf die Leinwand brachten und damit für gewaltig aufsehen sorgten. Nun sieben Jahre danach haben sich die beiden wieder zusammen gefunden und präsentieren einen der wohl ungewöhnlichsten Western aller Zeiten, der sein Publikum spalten wird wie schon lange kein Film mehr.

Lose (sehr lose) basierend auf der gleichnamigen französischen Comic Vorlage erzählt der Film die Geschichte von Mike Blueberry (Vincent Cassel). Wenn man den Inhalt zusammenfasst kann durchaus der Eindruck entstehen man hat es mit einem normalen Western zu tun, doch das dem bei weitem nicht so ist, wird schnell klar. Doch zunächst der Inhalt in groben Zügen.
Blueberry liegt erinnert sich an seine Ankunft als Teenager in einer kleinen Stadt irgendwo im Wilden Westen. Er verliebt sich in eine junge Hure, die aber bei einem verhängnisvollen Zusammentreffen mit dem unheimlichen Wally Blount (Michael Madsen , gut wie lange nicht mehr) stirbt. Blueberry flieht daraufhin aus der Stadt und kommt bei Indianern unter, lernt ihre Sprache und wird ihr Freund. - Zeitsprung - Blueberry ist inzwischen Marshall in dem kleinen Ort und wird noch immer von Geistern seiner Vergangenheit geplagt. Da geschehen in "seiner" Stadt eigenartige Dinge, Menschen die Tod sind, kommen wieder, Wally Blount taucht wieder auf und mehrere Leute machen sich auf die Suche nach den geheimnisvollen Bergen der Indianer, die unermesslichen Reichtum versprechen. Gemeinsam mit der schönen Maria und seinem Blutsbruder Runi ist es an Blueberry für Ordnung zu sorgen, und da sind ja auch noch die Dämonen aus seiner Vergangenheit.

So weit so Western. Doch es geht hier nicht darum eine weitere Geschichte von der glorreichen Besiedelung des Wilden Westen zu erzählen, mit strahlenden Revolverhelden, verschüchterten Frauen, die sich bedenkenlos in die Arme der Helden werfen, die mal locker mit einer Hand (die andere hält ja die Frau) die Bad Guys über den Haufen schießen. Kounen erzählt vielmehr eine Geschichte über Schuld und Sühne und die Riten und den Schamanismus der Indianer. So ist auch Blueberrys Erzfeind letztlich nicht der für den Blueberry ihn hält, vielmehr wird er erst durch Wally Blount erkennen, was seine Dämonen sind, und sich letztlich diesen in einer atemberaubenden 15 minütigen Bilderflut, die komplett Computergeneriert einem Drogen-Rausch so nahe kommt, wie kaum etwas zuvor in der Filmgeschichte, stellen.

Bis es soweit ist, und Kounen mit dem Finale wohl endgültig sein Publikum spalten dürfte, erzählt der niederländische Regisseur seine Geschichte in ungemein beeindruckenden Bildern, die sich einer Vielzahl an Stilmitteln bedienen und dabei doch immer schon etwas mystisches und unwirkliches inne haben. Die Landschaftsaufnahmen sind grandios und versinnbildlichen immer wieder die Leere und Einsamkeit der Protagonisten. Die Optik wechselt immer wieder zwischen grobkörniger Westernatmosphäre und gestochen scharfen Bildern, die teilweise extrem detailversessen sind. Das alles trägt natürlich dazu bei, das sich der Film gewollt von Sehgewohnheiten abwendet, sie teilweise durchbricht, und doch immer wieder faszinierende Bilder präsentiert, so etwa wenn sich Blueberry am Ende in einer großartigen Überblendung wieder seinem jugendlichen Ich gegenübersieht und erkennen muß, das die Wahrheit der einzige Weg zur Freiheit und Erlösung von den Dämonen ist.

Großes Augenmerk wird auch auf Blueberrys Freund, den Schamanen Runi gelegt, der letztlich Blueberry in die Geheimnisse seines Volkes einweiht und es ihm so erst ermöglicht sein wahres Ich zu erkennen und sich von seiner Schuld zu erlösen. Die Szenen bei den Indianern, die alle untertitelt und in der Originalsprache laufen, sind starke Bilder und eine Würdigung an ein Volk, das seine Kraft aus der Natur bezieht und durch diese mit sich im Einklang ist.
Natürlich gibt es neben dem sehr schönen Westernambiente auch durchaus Ansätze eines normalen Western, aber die Story geht immer noch einen Schritt weiter, fordert mehr vom Zuschauer und überlässt ihn letztlich vollkommen dem Bilderrausch.

Sicherlich mag man als Argumente anführen, das der Film teilweise zu langatmig ist, das der CGI Rausch mit seinen guten 15 Minuten zu lange ist, aber nichts desto trotz ist es ein grandios gefilmtes Erlebnis. Es fällt schwer den Bildersturm der in diesem letzten Kampf auf einen losgelassen wird zu beschrieben, am ehesten ist es wohl eine Mischung aus Rasenmähermann, 2001, und Tron, auch wenn das in keinsterweise dem gerecht wird was Kouren einem präsentiert. Das muss man gesehen haben.

Die Darsteller überzeugen alle und zeigen, das Frankreich auch für ausländische Darsteller inzwischen ein heißbegehrtes Pflaster ist. So gibt es neben Vincent Cassel, der die Rolle des Blueberry grandios verkörpert, noch Juliette Lewis, Michael Madsen, Tchéky Karyo, Ernest Borgnine, Colm Meaney und etliche mehr zu bewundern. Sie alle spielen durchweg überzeugend, auch wenn man sich im nachhinein wünscht, das man Juliette Lewis nie wieder singen hören muss. Dafür zeigt sie am Schluss aber noch, das starke Intimbehaarung bei Frauen auch heute noch vollkommen in zu sein scheint.

"Blueberry" ist ein Film auf den man sich einlassen muss, bei dem man sich am besten schon im Voraus klar macht, das man keinen gewöhnlichen Film sehen wird, das man nicht die x-te Standard Comic Verfilmung sehen wird. Und selbst dann wird es noch genug Zuschauer geben, die diesem Film nichts abgewinnen werden können, die das gezeigte eher als lächerlich betrachten. Mich hat der Film geradezu überwältigt, auch wenn ich sagen muss, das er definitiv nichts für eine Sneak Preview ist, denn damit tut man weder dem Publikum noch dem Film einen gefallen.
Für mich trotzdem ein großartiger optischer Bilderrausch, der einmal mehr zeigt, das Frankreich in Europa eindeutig an der Spitze der Filmkunst steht. 7 von 10 Punkten.

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