Millie Jessop ist eine Ocean Waif, eine Waise des Meeres – Als Kind wurde sie von ihrem Ziehvater am Strand gefunden und verrichtet seitdem Frondienste für ihn. Bis es ihr als junge Frau irgendwann reicht, sie davon läuft und sich in einem leeren Haus einquartiert. Just zu dieser Zeit sucht der Schriftsteller Ronald Roberts einen Platz, an dem er ungestört sein neues Buch schreiben kann, und er findet – Das leere Haus, in dem heimlich Millie lebt. Das Haus aber hat den Ruf, dass dort der Geist einer toten Frau lebt …
Leider existiert THE OCEAN WAIF nur noch in einer sehr schlecht erhaltenen Fassung. Viele Zwischentitel müssen verloren gegangene Filmteile erklären, von manchen Abläufen existieren nur noch Standbilder, und einiges ist im Lauf der Jahrzehnte gar vollends verloren gegangen. Was für ein Jammer, denn das, was noch vorhanden ist, ist eine klassische RomCom wie sie heute nicht moderner sein könnte: Der reiche Schriftsteller der sich in eine arme Waise verliebt, dann aber wegen seiner Verlobten einen Rückzieher macht (machen muss), doch als die Waise fast einer Vergewaltigung zum Opfer fällt und eine Leiche zurückbleibt, da entflammt auch seine Leidenschaft für das arme Mädchen wieder.
Das ist der Stoff aus dem die romantischen Dramen von Hedwig Courths-Mahler bis Diana Gabaldon sind, und THE OCEAN WAIF macht als Drama mit leicht komödiantischem Einschlag auch heute noch mächtig was her. Die Personen sind sympathisch, und vor allem der armen Mille als geknechteter Tochter fliegen die Herzen nur so zu. Wobei sie bemerkenswerterweise als unabhängige und starke Frau gezeigt wird, die durchaus bereit ist, gegen alle Widerstände ihren eigenen Weg zu gehen. Barfuß! Eine Lebenseinstellung, die im Jahr 1916 so wohl nur von einer feministisch orientierten Regisseurin wie Alice Guy-Blaché kommen kann.
Aber diese Tendenzen sind nur schwach vorhanden und werden eher von Cineasten bemerkt, in erster Linie ist der Film romantisch, komisch, spannend, und einfach nur wunderschön. Wenn Millie im Dunkeln in das leere Haus eindringt und das Bild blau viragiert ist, dann kommt schnell gediegene Gruselstimmung auf. Sie findet eine Lampe, zündet diese an, und schwupps ist das Bild rötlich viragiert und Wärme durchflutet die Szenerie. Toll gefilmt, klasse gespielt, und einfach ein wunderbarer kleiner Film …